björn akstinat | löschung eines wikipedia-artikels

dies ist eine gekürzte fassung des blogeintrags vom 8. august 2014.

laut → wikipedia-statistik schlagen täglich um die 300–400 neue artikel in der online-enzyklopädie auf. die meisten bleiben, viele aber sind so daneben, dass sie sofort gelöscht werden, andere laufen in eine “löschdiskussion” hinein. das ist ein instrument, um in allgemeiner, freier, öffentlich geführter debatte einem artikel sein vertrauen auszusprechen oder zu entziehen. meist ist diese diskussion nach einigen tagen erschöpft, nach sieben tagen schaut dann ein administrator drüber und schließt den vorgang mit einer löschung oder einem behalten des artikels ab.

löschungVonBjörnAkstinatfrisch  gelöscht: der wikipedia-artikel über björn akstinat

dieser artikel wurde erst vor einer woche angelegt und gestern vormittag nach einer → ziemlich kurzen löschdiskussion gelöscht. die diskussion war kurz, denn der fall war  für die diskutanten eindeutig: um den artikel zu schreiben, meldeten sich mehrere neu-autoren fast gleichzeitig in der wikipedia an, um über björn akstinat zu schreiben und links zu seinen publikationen und webseiten anderswo einzutragen. in der wikipedia werden laufend neue konten angelegt und verschwinden wieder oder bleiben. aber in diesem fall diente offenbar eine handvoll neuer accounts nur dem einen zweck, nämlich diese person zu befördern.

ich wurde darauf aufmerksam, weil ich im wikipedia-artikel über → das hörspiel aktiv bin, jede änderung dort sehe und dann eben auch sah, dass sich ein mir unbekannter “björn akstinat” in die fußnoten geschlichen hatte. (nicht er als autor des eintrags, sondern aus autor eines buchs)

alles sprach für die löschdiskussionsteilnehmer dafür, dass hier ein und dieselbe person unter verschiedenen pseudonymen schrieb. man nennt das im wiki-jargon “sockenpuppen“, angelehnt an das bild einer hand, die mit den fingern viele rollen spielt:

Als Sockenpuppe (engl. “sock puppet”, auch “Fake-Account” oder “Multiaccount”, deutsch “Mehrfachkonto'”) bezeichnet man im Netzjargon ein weiteres Benutzerkonto, das aus verschiedenen Gründen angelegt ist: Es kann zum Schutz der Privatsphäre dienen, den Zweck haben, Meinungen innerhalb einer Online-Community mit mehreren „Stimmen“ zu vertreten, oder zum Unterlaufen von Netiquette der Community genutzt werden.

soweit die definition in der wikipedia.

sockenpuppen-accounts sind nicht verboten, und es gibt zahlreiche ehrenwerte wikipedia-autoren, die aus gutem grund für mehrere themenfelder mehrere accounts betreiben. nur wenn die fingerpuppen dann alle dasselbe und nur das eine tun, dann wird es unappetitlich. man spricht von “single purpose accounts”, also benutzerkonten, die nur einem zweck dienen. → einzweck-konto.

die schnell eingerichteten wikipedia-accounts trugen pseudonyme wie KarinWich ChatBurns JuleKann Bela456 TinaTrins CordJa ZeroGustav Zurtu Kiopok456 Geisbart Lostjelly Kurzul Julo5634 Husdas FranziHeseree TessaReit KarinHeese Palmy3000 Coradi12 Magazin Kichererbse123 Alsacien123 Herrslund Gult.H Max1105 Bowencha VolkerSteinHamburg JanaLufd GerhildKuns. sie alle wurden inzwischen wegen missbrauchs der wikipedia für werbende zwecke und wegen diskussionsunwilligkeit gelöscht.

akstinat-im-artikel-über-das-hörspielim wikipedia-artikel über das hörspiel wurde der verweis auf akstinats buch gelöscht.

björn akstinat betreibt eine angebliche nichtregierungsbehörde namens “internationale medienhilfe”. heute ist auf der seite zum beispiel oben als laufschrift zu lesen:

“Die IMH vertritt die Interessen von deutschsprachigen Auslandsmedien und vermittelt unter anderem Werbekunden.”

es gibt seit 2006 einen wikipedia-artikel über die “internationale medienhilfe”, der jetzt im zuge der löschung von “björn akstinat” ins visier geriet und nun auch eine löschdiskussion am hals hat. er liest sich wie ein pseudo-neutral gehaltener werbe-flyer.

der wikipedia-artikel über björn akstinat stieg in der einen woche seines bestehens bei google ganz nach oben. inklusive der löschdiskussion:

googleSuche_nach_Akstinatgoogle-suche nach björn akstinat am 30. juli: noch ist der artikel ganz oben.

unterm strich zeigt dieser noch nicht ausgestandene fall zwei dinge: einerseits sieht man an ihm den druck auf die wikipedia durch menschen, die ihre wie auch immer gestrickten privatinteressen in die enzyklopädie bringen wollen. andererseits ist er ein anschauungsbeispiel dafür, wie eine person durch penetrante promotion in der wikipedia beschädigt wird. ein einmal gelöschter artikel hat schlechte chancen, in nächster zeit neu aufgelegt zu werden.

angenommen, hinter all den sockenpuppen steckt nicht björn akstinat und niemand, der mit ihm persönlich zu tun hat. dann ist es bizarr, warum er, der er sich auf seinen privaten webseiten mediengewandt gibt, nicht mit klaren worten eingemischt hat: “hört mal, ich bin der protagonist des artikels, was ist denn hier los?” die sache wäre dann vielleicht nicht anders ausgegangen, aber die diskussion wäre appetitlicher gewesen. man spricht von transparenz. die fehlte hier völlig.


nachtrag: björn akstinat wurde über eine websuche nach der löschdiskussion auf diesen blogeintrag aufmerksam und rief mich zwei tage später an. in dem telefonat gab er sein unverständnis über die hitzig geführte löschdiskussion zum ausdruck, bat mich um hilfe, worauf ich ihn über die oben genannten empfindlichkeiten aufklärte und ihm zu mehr transparenz riet.

in einem weiteren telefonat ging es um den löschantrag zum artikel über die internationale medienhilfe. herr akstinat meinte sinngemäß, man habe ihm abgeraten, sich selbst in die löschdiskussion einzubringen. ich riet ihm, das dennoch zu tun. transparenz wiegesagt.

herr akstinat hat sich auch eine woche später nicht eingebracht.


am 9. August 2014 um 15:43 löschte nach zweiwöchiger offener diskussion von etwa 10 interessierten ein administrator (das ist kein großer entscheider, sondern eher ein geplagter verwalter) den wikipedia-artikel über die internationale medienhilfe. angesichts von dutzenden artikeln, die täglich, meist wegen fehlender relvanz, gelöscht werden, ist das eigentlich nicht der rede wert. aber ich schreibe hier eine chronik der ereignisse zu ende, die mit dem ebenfalls gelöschten artikel über einen autor namens björn akstinat begann. siehe oben.

wikipedia - internationale medienhilfe - gelöschtein wikipedia-artikel wurde nach langer diskussion gelöscht.

das war ein langer leidensweg für alle beteiligten, auch herrn akstinat, der die IMH leitet. letzten endes konnte niemand darlegen, warum diese vermutlich kleine organisation einen eintrag in der größten enzyklopädie aller zeiten verdient hat. sie ist, wie sich im laufe der löschdiskussion herausstellte, von außen sehr undurchsichtig. zum beispiel ist unklar, warum die ehemalige österreichische außenministerin → benita ferrero-waldner auf der webseite der IMH und im nun gelöschten wikipedia-artikel als “schirmherrin der IMH” dasteht. ein skeptischer wikipedia-autor schrieb frau waldner an und bekam von ihr die antwort, sie wisse nichts von dieser funktion und bitte um die löschung ihres namens aus dem artikel über die IMH.

in dem screenshot oben sieht man, dass man beim versuch, den artikel neu zu schreiben, gewarnt wird, dass es ihn schon einmal gab und dass es wenig sinn macht, ihn einfach neu aufzusetzen, ohne die löschdiskussion nachhaltig zu entkräften. in der regel ist es schwer, einen gelöschten artikel neu einzubringen, und diese hürde ist auch wichtig.

ps. kurz nachdem ich das geschrieben hatte, wurde auch ein anderer artikel, der damit zusammenhängt, gelöscht. er nannte sich “medienhilfe”. medienhilfe wurde in dem nun nicht mehr sichtbaren artikel als gut eingeführter begriff genannt, danach aber führten links zu einem interview mit besagtem björn akstinat und zu einer schweizer organisation, die einfach nur medienhilfe heißt. gründe für die löschung waren zweierlei: erstens las sich der artikel wie eine werbung für diese beiden medienhilfen, zweitens ist der begriff nicht etabliert. wenn man jemanden fragt, was “medienhilfe” sein könnte, wird er nicht darauf kommen: “klar, die helfen medien im ausland, in deutschland/österreich/schweiz bekannt zu werden”.

hunde-handy 3 | deutschlandfunk

Hans-Joerg-Brehm---Hunde-Handy-3hunde-handy 3. illustration: hans-jörg brehm/picture alliance

für die reihe “das digitale logbuch” habe ich vor über einem jahr zwei texte geschrieben, die sich mit hunden und menschen befassen, die alle ihre smartphones besitzen und auf verschiedene weisen nutzen. “hunde-handy 1” zeigte das aus der perspektive des hunds, “hunde-handy 2” aus der perspektive des herrchens. der grundgedanke war dieser: wenn die hunde immer häufiger auf die herrchen warten müssen, weil diese mit ihren smartphones beschäftigt sind, wie wäre es umgekehrt, wenn die hunde sich beim gassi-gehen mit ihren smartphones beschäftigen?

gestern lief in der computersendung des deutschlandfunks “hunde-handy 3”, in einer woche kommt dann #4; ich schreibe es gerade. illustriert wurden schon die beiden ersten teile auf wunderbare weise von hans-jörg brehm. zum neuen hunde-handy-logbuch ist die grafik oben entstanden:

hier das zweieinhalb-minütige stück zum hören:


digitales logbuch: hunde-handy 3

noch ein blick in die werkstatt: wenn ich eine reihe, auch wenn sie nur aus wenigen episoden entsteht, entwickle, verdichten sich während des schreibens relativ schnell die konstellationen. um sie nicht zu vergessen, male ich sie mir auf.

Hunde-Handy_Szenenlayoutgrund-setting der reihe “hunde-handy”

call a bike | an abzocke grenzende verschleierung

wer am straßenrand ein mietfahrrad der deutschen bahn sieht (call a bike), denkt: das kann ich mieten, für 8 cent die minute. über die call a bike-app am smartphone holt er sich den öffnungscode, tippt ihn in das display hinten am rad ein, das schloss öffnet sich, los geht die fahrt. am ende der fahrt tippt er am display auf “fahrtende”, und das rad steht anderen zur verfügung. bei diesem vorgang können locker 10 € anfallen, ohne dass man es dem rad und der app ansieht. hier meine soeben gemachte erfahrung. fünf minuten fahren für 20 €!

mit car- und bike-sharing habe ich reichlich erfahrung. ich nutze die fahrräder der deutschen bahn (call a bike) immer wieder, besonders wenn ich in anderen städten unterwegs bin. jetzt ist mir in münchen etwas passiert, was von öffentlichem interesse sein dürfte: ich zahlte statt 88 cent 20,38 €, das entspricht 2300% oder dem 23-fachen.

call-a-bike-rechnungrechnung für drei fahrradmieten: 2300% zu viel

in der rechnung oben (sie vergrößert sich bei klick) sind hellgrün die beiden problematischen fahrten markiert; das sind die korrekten zeiten und beträge. die rechnung weist ganz richtig aus, dass ich das eine rad von 10.22 bis 10.25 uhr gefahren habe, also 3 minuten, das andere einen tag später von 10.20 bis 10.21 uhr, also eine minute. beide räder habe ich nur kaum bewegt und ganz in der nähe des abholorts wieder abgestellt. beim abstellen bekam ich über das display die quittierung “danke für die fahrt”, und wenige sekunden später sprang das grüne licht an, als zeichen, dass das rad frei ist, also wieder von jemandem anderen angemietet werden kann.

wie also kommt die hohe gebühr “Sonstiges: außerhalb Standort” zustande – einmal 10,24 €, einmal 10,08 €? (blau unterlegt) was überhaupt ist ein “standort”, wie kann mein ein fahrrad “außerhalb” eines “standorts” parken?

ich rief heute gegen 19 uhr den kundenservice an, sprach mit einer frau steiger, die den vorgang schnell nachvollzog und mir erklärte: außerhalb standort = außerhalb des geschäftsgebiets. ob ich den unterschied zwischen geschäftsgebiet und nicht geschäftsgebiet kenne? nun, ich habe das schon am eigenen leib erfahren, als ich einmal einen driveNow-mini in einer straße am englischen garten in münchen abstellen wollte, mir das display aber mitteilte, das ging hier nicht.

auf meine frage, wie es denn kommt, dass ein rad, das ich anmiete und 100 m weiter wieder abstelle, plötzlich außerhalb des geschäftsgebiets stehen soll, antwortete frau steiger, das rad, das ich angemietet hätte, sei vermutlich schon außerhalb des geschäftsgebiets gestanden, ich hätte das vor der anmietung überprüfen müssen. es sei gut möglich, dass auch mein mietvorgänger 10 € strafe habe zahlen müssen. meiner einschätzung, das könne man als falle bezeichnen, widersprach die sachbearbeiterin. ich könne mir schließlich die AGB durchlesen, vor dem anmieten auf dem smartphone das geschäftsgebiet zeigen lassen oder die hotline anrufen. außerdem meinte sie, die meisten kunden, die sich über solche rechnungen wundern, würden sich nur einmal wundern und später besser aufpassen.

ich sah mir während des telefonats auf der app das gebiet an, worum es in meinem fall ging (blau meine position damals). in dem gebiet befanden und befinden sich zahlreiche räder:

call-a-bike_münchenjede menge freie fahrräder, viele im 10 €-strafbereich

die grüne fläche rechts ist der englische garten, die viel schwächer, ebenfalls grün schattierte fläche im unteren linken bereich der karte, ist das geschäftsgebiet. das hatte ich vorher wahrgenommen. wenn ich an das gebiet, das mir die hohen kosten verursachte, etwas heranzoome (siehe unten), sehe ich ein fahrrad, das während des support-telefonats genau an der stelle steht, wo ich meins vor gut einer woche abgestellt hatte und dafür 10 € zahlen musste, nämlich an der u-bahnstation studentenstadt:

call-a-bike_münchen_detailein rad steht frei zur anmiete genau an dem punkt, wo ich meins für 10 € abstellte.

die frau im call a bike-kunden-callcenter bot mir an, eine kulanzerstattungsanfrage zu starten, mit der begründung, der kunde (also ich) hätte nicht gewusst, dass es ein geschäftsgebiet gibt und räder nicht außerhalb des geschäftsgebiets abgestellt werden dürfen.

unterm strich zeigt dieser fall zwei defekte im an sich ziemlich gelungenen call a bike-anmietsystem:

  1. die räder, die außerhalb des geschäftsbereichs stehen, sind weder selbst, noch in der app als räder gekennzeichnet, die mit vorsicht zu genießen sind. an sich sollte ein rad, das einem die app zeigt oder das man am straßenrand stehen sieht, den kunden einladen, damit zu fahren. stattdessen verbrennt man sich leichter die finger als man glaubt. jedes rad außerhalb des stadtkerns ist 10 €-gefährlich! auch wenn fünf call a bike-räder darum herum geparkt sind!
  2. spätestens wenn man das unwissentlich außerhalb des “bereichs” angemietete rad wieder abstellt, sollte es einen hinweis geben, dass hier ein problem vorliegt. so aber lässt einen das rad aus-checken, quittiert mit okay und ist vom nächsten kunden wieder anmietbar, der dann vermutlich wieder 10 € zahlt, es sei denn, er fährt das rad ins geschäftsgebiet zurück.

bei so demonstrativ wenig transparenz und so vielen außerhalb des geschäftsgebiets parkenden rädern liegt eine unterstellung nahe, nämlich die, dass die firma damit den größten umsatz macht – also durch absichtliche verschleierung.

Radio-Web 1928 | wie recheriert man sowas?

Die_Sendung_Nov1928_Titelblatt“Die Sendung / Rundfunkwoche” vom november 1928

in dieser letzte woche ersteigerte ich für 1 € diese rundfunkzeitschrift von 1928. sie wurde vom verlag hermann reckendorf, berlin, herausgegeben und war eine der ersten deutschen rundfunkzeitschriften überhaupt, vielleicht sogar die erste. hermann reckendorf geriet nicht nur als jude, sondern auch als verlagschef für progressive zeitschriften mit den nazis in konflikt. sie enteigneten ihn bereits 1933; im selben jahr, wahrscheinlicher aber 1936 nahm sich reckendorf das leben.

in dieser ausgabe, die eher zufällig zu mir (und dadurch jetzt in die wiki commons und dadurch in die wikipedia) kam, gibt es eine werbeanzeige der firma RADIO-WEB. erstaunlicher name! die firma bot alles ums neue medium radio herum an, von katalogen über lehrbücher bis zum kostenlosen aufladen des radio-akkus – denn das ans stromnetz angeschlossene rundfunkgerät kam erst in den 1930er jahren auf. hier die werbung:

Radio-Web_1928“Radio-Web” 65 jahre vor dem world wide web

was hatte es damit auf sich? in der anzeige ist die postadresse zu lesen: WEB-Haus, Berlin S42 [also Kreuzberg], Prinzessinnenstr. 16. bei der bildersuche nach dieser adresse findet man nur neue, nach dem krieg gebaute häuser, nichts deutet auf ein web-haus hin. die web-suche nach “radio-web” bringt auch nichts: vor allem kaufangebote für internetradios und tausendfach “web 2.0”. eine suche angesichts eines so prominenten worts (web) ist ähnlich kompliziert wie die nach einem stefan schmidt oder peter brook.

in solchen fällen lohnt sich die suche in den digitalen bibliotheken, zu allererst also bei google books. dort findet man unter der postadresse zwar kein “web-haus”, aber immerhin kein world wide web, sondern den ein oder anderen handwerklichen betrieb, zum beispiel einen, der pharmazeutische geräte herstellte. gibt man in google books wörtlich ein: “berlin radio-web”, so kommt zuerst ein fachbuch über alfred döblins (auch ein jude, der 1933 mit den nazis schwierigkeiten bekam und auswanderte) roman “berlin alexanderplatz“. die autorin, anke detken (heute → literaturprofessorin in göttingen) merkt an, dass einige namen von berliner lokalitäten in der französischen übersetzung des buchs weggelassen wurden, unter anderem die erwähnung des “web-hauses”:

berlin-alexanderplatz-radio-web-hausanke detken: döblins berlin alexander platz übersetzt. palaestra, band 299

in der online lesbaren “fischer klassik plus”-ausgabe von döblins roman findet sich genau diese stelle:

“Gegenüber am Häuschen von Radio Web – bis auf weiteres laden wir einen Akku gratis – steht ein blasses Fräulein …”

in anderen büchern über döblins alexanderplatz werden die derlei lokalitäten näher untersucht; dabei kommt heraus, dass radio-web eine gmbh war. an anderer stelle lese ich, dass es möglicherweise fachliteratur aus diesem radio-web-häuschen gab:

büscher-1938den “H. Büscher” kann ich nirgends finden. führt jetzt auch zu weit…

zurück zur zeitschrift. sie verstand, für die zeit ganz typisch, unter dem rundfunkhörer den radiobastler. menschen ohne technik-affinität konnten sich für den rundfunk 1928 noch nicht so richtig erwärmen.

die-sendung - november 1928 - seite-604“die sendung”, s. 604: schaltpläne für den radiobetrieb

 

die erde spricht | wdr 5 dramolett

graf-de-dion-im-dampfwagen-nach-dem-rennen-1894-in-rouengraf de dion mit seinem heizer im “de dion” dampfwagen – erster in rouen

wir (die redaktion und ich) litten diesmal unter der dünnen, tagesaktuellen nachrichtenlage. die kriege israel/gaza und ostukraine wollten wir nicht aufgreifen; die themen waren überall in anderen medien zu hören. das dramolett soll sich aber, wie die ganze sendung wdr 5/politikum, möglichst stark an den politischen ereignissen des sendetags orientieren. also, was tun?

wir überlegten zusammen, und tamara, meine redakteurin. meinte, das thema “krieg gegen die erde” werde im moment stark diskutiert, nicht zuletzt wegen eines mit “öko-apartheit” titulierten essays der umweltaktivistin vandana shiva. frau shiva schreibt in ihrem ökologisch korrekten aufsatz immer wieder von einer erde, gegen die die menschen krieg führten. als würden sie nicht krieg gegen sich selbst führen! ich baute daraus den text für ein minihörspiel, das bei einem autowettbewerb 1894 startet und dann über die verwendeten fossilen brennstoffe (das dampfauto verbrannte kohle, die eigentlichen sieger des wettbewerbs verbrannten benzin) bei der erde landet.

damit war die aktualität doppelt hergestellt. gestern vor 120 jahren fand das weltweit erste autorennen, zwischen paris und rouen; eigentlich noch kein autorennen im späteren sinn, eher eine zuverlässigkeitsfahrt. der → englische wikipediaartikel dazu ist gut.

elaPaul_HüseyinCirpici_Hörspielaufnahme_2014ela paul (mit erdball) und hüseyn cirpici (als erde, im wasser)

der dreiminüter lief heute, und meine schauspieler waren – wie schon in einem → früheren stückela paul und hüseyin cirpici. im foto oben sind die beiden bei der arbeit an dem stück zu sehen: hüseyin spielt neben der männlichen hauptrolle, dem naiven, umweltbewussten hans, auch die erde. dazu hält er die unterlippe im wasser. im hintergrund hält ela den ball, der einige geräusche der erde unterstreicht. ela spricht die nüchtern-klute weibliche hauptrolle der leni.

hier das stück zum nachhören. die heute gesendete version ist etwa eine minute kürzer.


dramolett “die erde spricht” vom 23. juli 2014

#wen es interessiert – einige details aus der produktion:

für perfekte aufnahmen aller stimmen sorgte die wdr-technikern astrid großmann. sie hatte uns neben den monomikrofonen für die reinen sprachaufnahmen ein stereomikrofon im studio 15  eingerichtet und saß am pult.

so klingt hüseyn cirpici, wenn er mit dem mund in der wasserschüssel die erde spricht. erster versuch:


outtake: die erde spricht (mundgeräusche)

ich nahm, wie immer, die aufnahmen mit in mein büro/studio schnitt und mischte. als nach einigen stunden alles praktisch fertig war, dachte ich: da wäre jetzt zur abrundung eine musik ganz gut. ich habe die musik für eine story meistens im ohr, so auch in diesem fall. warf also cubase an, legte eine spur mit einem stark synthetischen, flächigen sound an (er kam von native instruments’ massive). diese spur hört sich so an:


flächige musik

als ich die musik unter hans’ besorgte monologe legte, funktionierte das bestens. es gab aber einige stellen besonderer dramatik, und für die legte ich eine weitere musikspur an, diesmal mit streichern. sie treten in der schlussmischung stark in den hintergrund, führen aber subtil die melodie. in diesem fall spielte ich im stil richard wagners eine kadenz in f-moll, die sich in halbstönen (von dis über d nach cis) nach unten bewegt. diese streicher klingen solo so:


streicher in f-moll

meine lieblingsstelle in der produktion enthält diese musik. sie klingt ohne musik so:


hans solo; er sorgt sich um die erde.

und so hört sie sich in der schlussmischung an. ich habe den akkordwechsel auf den halbsatz “wenn sie tief aus dem boden ihre kohle sprengen” gelegt; da wird es einem ganz anders vor rührung:


hans sorgt sich um die erde. dramatische musikmischung

musik findet sich an mehreren stellen, auch noch eine etwas dynamischere musik; außerdem vogelzwitschern, um die außenatmosphäre, in der sich das autorennen abspielt, zu unterstreichen. diese atmo ist kaum zu hören, aber sie erdet die schauspieler quasi im “draußen”; denn in der puren studioaufnahme klingen sie so, dass sie überall sein könnten.

ach so: von einem 120 jahre vergangenen auto-happening gibt es natürlich keine tonaufnahmen. deswegen entschied ich mich im studio, dass wir zu dritt (ela, hüseyin und ich) am stereomikrofon die autos, die motoren, die hupen, den wasserdampf mit mundgeräuschen spielen. wir hockten uns dazu auf den boden. es hört sich völlig unprofessionell an, funktoniert aber im kontext der gesamtmischung bestens. hier ein outtake von dieser session:


dramolett outtake: autosounds à la 1884 (mundgeräusche)

partnerbörsen und rote brigaden | fernsehkritik

partnerbörse-registrierentypische registrierungsvorgaben in einer single-kontaktbörse

vorgestern lief in der ARD die BR-produktion “partnerbörsen und ihre geschäfte” von katharina adami und josef streule. wem die dunklen geschäfte des online-handels nicht eh schon geläufig waren, hat hier sicherlich gelernt, wie unseriöse portale falsche tatsachen vorspiegeln, probeabos in bezahlfallen umwandeln usw. → romance scam. für mich war neu, dass selbst der platzhirsch in der branche, nämlich parship, düstere methoden anwendet. für mich war auch neu, dass offenbar dutzende kleinerer briefkastenfirmen in ihren AGB ganz offen zugeben, unter scheinaccounts mit den zahlenden kunden zu kommunizieren; die frauen, mit denen kunde x chattet oder emails austauscht, sind dann nicht die netten 25jährigen russinnen, sondern für die partnervermittlung arbeitetende angestellte. dass diese hinterhältigkeit passiert, ist klar, typisch anonymes internet eben; aber dass es in den AGB steht, befördert das thema in eine juristisch zweischneidige position, wie die sendung ebenfalls schilderte. hier ein typisches beispiel dafür, wörtlich:

Das Unternehmen weist ausdrücklich darauf hin, dass im Chat durch das Unternehmen beschäftigte Controller/Controllerrinnen eingesetzt werden und tätig sind, die unter mehreren Identitäten am Chat teilnehmen, insbesondere Dialoge mit anderen Teilnehmern führen. Diese sind nicht ausdrücklich als Controller/Controllerin gekennzeichnet oder wahrnehmbar, sondern über Scheinaccounts/-profile im Chat tätig.

diese verbraucherfreundlichen themen hätte man in maximal 10 minuten auf einen punkt bringen können. stattdessen quälten die autoren den zuschauer eine stunde lang durch klischeehafte einzelschicksale, reisten von hinz nach kunz und sogar völlig absehbar sinnlos nach russland, kündigten dauernd an: “an dem fall bleiben wir dran” – aber nichts kam am ende heraus außer dem oben genannten und leicht auf etliche andere internetbranchen übertragbare.

ARTE---brigate-rossezweiteilige dokumentation über die roten brigaden auf ARTE

ganz anders, nämlich über 2 stunden von vorn bis hinten informativ und spannend: die zweiteilige doku von mosco boucault über die brigate rosse der 1970er jahre in italien. ihr pendant war die rote armee fraktion in deutschland. baucault erzählt die geschichte von vier (oder fünf?) hauptprotagnosten der roten brigaden über interviews. neben dieser hauptebene sehen wir fernsehmitschnitte aus der entführung des italienischen premierministers aldo moro. die dritte ebene beschreibt die anfangs ambivalente, später ablehende haltung der kommunistischen partei italiens und der gewerkschaften zu den roten brigaden.

die interviews mit den brigadisten sind gold wert. sie alle beschreiben mit einer eloquenten nüchternheit ihre jugend, ihre radikalisierung in den fließbandwerken von turin und mailand, und bis ins detail die politischen gewaltaktionen, die in der entführung und hinrichtung aldo moros gipfelten. die männer sind teilweise noch in haft, wenn auch im freien vollzug, und zeigen keinen hauch von sentimentalität. wir erfahren, warum sie industriebossen in die beine schossen, warum sie moro und keinen anderen christdemokratischen spitzenpolitiker entführten (moros strecke mit dem auto war für eine entführung praktisch), warum sie gezielt die leibwächter umbrachten (weil sie meinten, es müssten militärische spezialkräfte sein, mit denen man sich im krieg befände) und wie sie einen blumenhändler, der normalerweise im schussfeld gewesen wäre, fernhielten (indem sie zuhause seine reifen zerstachen).

die dokumentation ist noch bis freitag abend auf arte.tv nachsehbar.

gayglers & gleam | liberale IT-industrie

matt haber berichtete am wochenende in der new york times über den von weiten teilen der IT-industrie rund um san francisco unterstützten schwulen-aktionstag, genauer: den 44. pride day ende juni. in diesem langen artikel kommt mehrfach ganz selbstverständlich das kürzel LGBT vor; ich musste nachschlagen, um zu wissen, wofür es genau steht: für lesbisch, gay, bisexuell und transgender. ganz selbstverständlich fiel in dem artikel das wort gayglers – damit sind die LGBTs des IT-konzerns google gemeint. hier ein foto aus der bildstrecke des gaygler-fotografen sam kimbrel:

sam-kimbrel---google-gaygler-pride-day-2009gaygler beim LGBT pride day in san francisco 2009. foto: sam kimbrel

das kunstwort gaygler (ein hybrid aus gay=homosexuell und googler=mitarbeiter von google) hat im dezember 2006 deborah schoenemann in ihrem artikel “can google come out to play?” in die öffentlichkeit gebracht, ebenfalls in der new york times. zuvor wurde er weitgehend nur google-intern verwendet.

wenn man nun den kurzen englischen wikipediaartikel über gaygler liest, findet sich ein link zu einem verwandten wikipedia-artikel, nämlich zu GLEAM: gay and lesbian employees at microsoft. dieser begriff reicht in die 1980er jahre zurück und wurde 1989 ins betriebsmanifest von microsoft geschrieben, um ein zeichen zu setzen: man ist fortschrittlich und fördert ein diskriminierungsfreies umfeld für menschen “anderer” sexueller präferenzen. man sagt übrigens nicht “gleamers”, denn der begriff gleamer ist bereits anderweitig besetzt, nämlich als kosmetik, die bestimmte hautpartien glänzend (gleam=glanz) erscheinen lässt, etwa lipgloss.

merkels fingernägel | tagesthemen gestern

merkels-fingernägelscreenshot der tagesthemen vom 18. juli 2014

wie will man die kanzlerin noch filmen und fotografieren? alle varianten sind [pun intended] durchgekaut. doch gestern, tagesthemen: wenn man genau hinsah, haben sich die kollegen mit ihren telelinsen um die gefalteten hände von frau merkel gekümmert – wenn auch nur den bruchteil einer sekunde lang, dafür mit exzellenter HD-bildqualität, sogar auf dem tablet. unten der screenshot aus der sendung als closeup.

merkels-fingernägel_closeupkanzleramtsmaniküre im detail

das krankheitsbild mit solchen fingernägeln heißt onychophagie. merkel ist nicht die einzige spitzenpolitikerin, die unter onychophagie leidet. der letzte britische premier (man vergisst seinen namen besser) knabberte auch.

her mit holland! | bild.de zur WM

BILD - da bist du ja endlich

zeit, die screenshots der fußballweltmeisterzeiten auszumisten. hier drei von bild.de. links: nach dem spiel gegen brasilien “und jetzt her mit holland! 7:0”. mitte: “da bist du ja endlich!” unmittelbar nach dem gewonnen endspiel (nicht gegen holland, sondern gegen argentinien). und die kollektive freude nutzt die bildzeitung aus, indem sie nebenbei “Ihren Standort in Erfahrung bringen […] möchte” (rechts). besoffen vor glück gibt man den dann schon mal fahrlässig frei.

afrikas vergessene krankheiten | trailer für den DLF

mein neuester trailer für den deutschlandfunk, gestern erst fertiggestellt, lief heute zum ersten mal in forschung aktuell: “afrikas vergessene krankheiten”. die reihe startet im august, wir bewerben sie in loser folge aber jetzt schon:

 
trailer für die forschung-aktuell-reihe “afrikas vergessene krankheiten”

der trailer basiert auf einer afrikanisch anmutenden musik, die ich weitgehend mit native instruments’ maschine eingespielt habe, also mit den fingern. weil die congas tendenziell ein positives lebensgefühl vermitteln, es in der serie aber um schwere krankheiten geht, fügte ich stellenweise auftauchende streicher in moll ein. (halion/steinberg). einige o-töne aus franziska badenschiers beiträgen und features (sie ist die autorin der reihe) runden den soundtrack ab. sie müssen nicht beim ersten mal verständlich sein; es soll eine anmutung entstehen, mehr nicht. der trailer wird mehrmals laufen, und viele hörer, die forschung aktuell regelmäßig hören, dürfen noch was entdecken. die kinderstimmen, die ich in einen großen hall geschickt habe, stammen aus einem von epedemien heimgesuchten dorf.

die sprecherstimmen müssen natürlich sofort verständlich sein. die aufnahmen dazu entstanden letzte woche mit drei ensemblesprechern des deutschlandfunks: bettina scholmann, martin schaller und christoph wittelsbürger. ihre stimmen sind von den nachrichten im deutschlandfunk wohlbekannt, ich habe aber versucht, sie so zu “führen”, dass sie ein wenig anders klingen. mit bettina und christoph habe ich schon oft zusammengearbeitet; martins stark zurückgenommene sprechweise (er sagt in diesem trailer zum beispiel “armut macht krank” und “tropische hitze”) war mir neu – sie klingt fantastisch.

die mischung des halbminüters war dann nicht mehr sehr komplex. damit bettina den titel der serie, eben “afrikas vergessene krankheiten”, abgehoben vom rest sprechen konnte, unterbrach ich den rhythmus an der stelle; er setzt erst wieder ein, wenn sie den titel gesprochen hat. am ende kommt christophs warmes timbre mit den sendedaten.

amazon-app | gier ohne grenzen

Amazon-App-will-Zugriffdie android-app von amazon.de fordert vielfältige genehmigungen vom kunden.

anders als apple-apps müssen android-apps dem anwender vor der installation explizit zeigen, welche bereiche des smartphones oder tablets sie verwenden wollen. der internetbuchhändler amazon bietet seit langem eine app an, mit der man etwas einfacher als über den browser waren suchen und bestellen kann. die neue version installiert sich allerdings nicht einfach so von allein, sondern fordert uns auf, neue zugriffsrechte einzuräumen; wenn wir das nicht tun, wird die app nicht installiert.

alle sechs hier genannten zugriffsoptionen betreffen den privatbereich, also grundgesetz artikel 2.1:

Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Recht auf Privatsphäre,Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Datenschutz), Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme

während man noch verstehen kann, warum amazon die identität (also unseren namen, vielleicht die haus- und email-adresse und telefonnummer) anfragt (die braucht man schließlich zum bestellen und liefern), geht amazon unser aktueller standort nichts an. der standort, also wo wir gerade sind, ist eine höchst private und schützenswerte information. damit ein demokratischer staat eine solche berechtigung bekäme, müsste gefahr im verzug sein; erheblicher verwaltungsvorgang. bei amazon kann man diese eben mal so dahingesetzte option nicht einfach ausschalten. ebenso dreist ist der zugriff auf unsere fotos (was ist privater als sie?), auf die kamera (spanner?), auf unser WLAN-netz (auch eine orts-information, die amazon nichts angeht und die zur abwicklung einer online-bestellung absolut unnötig ist) und auf die liste der leute, die wir anrufen oder die von uns angerufen werden.

natürlich argumentiert amazon, man brauche den zugriff auf die kamera, um QR-codes oder strichcodes zu scannen. dabei wäre es viel anständiger, die app würde, wenn sie einmal läuft und dem anwender ein QR-code über den weg läuft, fragen, darf ich in diesem einen fall mal kurz die kamera anmachen, um den code zu sehen und die damit verbundene ware aufzurufen?

ein teil des defekts dieser aktion liegt bei google, dem hersteller von android. google fordert vom app-hersteller, alle zugriffsmöglichkeiten bei der installation aufzulisten, die infrage kommen könnten. amazon braucht den zugriff aufs mikrofon nicht, aber der google play store hat nunmal kamera und mikro als ein datenschutzpaket zusammen gelistet, auch wenn nur eins davon – und vermutlich nur ganz selten – genutzt werden wird.

wenn man im kleingedruckten der app den abschnitt “Wichtiger Hinweis zu Berechtigungen” liest, wird hier zum beispiel der zugriff auf standortdaten damit begründet, dass in frankreich (und nur da) händler amazon-artikel bestellen und kunden sie in diesen geschäften abholen können. die app sucht vermutlich den händler in der nähe des anwenders. in anderen ländern, so das kleingedruckte, werde dieser dienst, also der standort, nicht abgefragt. wer garantiert mir das? außerdem installiere ich hier explizit die app “amazon DE”.

im kleingedruckten wird auch begründet, warum die app zugriff aufs telefon haben möchte: “um Benachrichtigungen in China zu unterstützen. Diese Daten werden ausschließlich in China genutzt.” (aber auch in deutschland gesammelt?)

den zugriff auf unsere identität braucht die app laut der AGB übrigens nicht zum bestellen, wie man vermuten könnte, sondern “für die Integration mit Facebook und anderen sozialen Netzwerken. […] Damit können Sie Links zu Produkten an Freunde und Familienmitglieder senden.”

Amazon-App-will-Zugriff-2in den “einstellungen” kann man app-berechtigungen im nachhinein modifizieren. (hier: cyanogen/android)

man kann in iOS und android der app im nachhinein bestimmte “zugriffe” verweigern, aber das ist mit aufwand verbunden und unterbindet in der regel nicht alle zugriffe. viele user haben, nachdem sie die abschreckende update-meldung oben sahen, “abbrechen” gewählt. vielleicht sollten sie “deinstallieren” wählen, denn auch die vorgängerversion enthielt ähnlich dreiste zugriffsfreigaben.

ich frage mal bei der pressestelle von amazon an, was sie sich dabei gedacht hat. wenn rückmeldung kommt, findet sie sich hier.

der junggeselle | erstes deutsches playboy-heft

Der-Junggeselle-Titel-2_1925ausgabe 2/1925, gefunden in der bayerischen staatsbibliothek münchen

von 1918 bis 1928 erschien in berlin im gleichnamigen verlag Der Junggeselle. ich stieß auf die zeitschrift über ebay, wo einige exemplare angeboten wurden und typischerweise für 10 € pro heft über den tisch gingen. weil ich aus anderen gründen in münchen war und in der dortigen staatsbibliothek zwei exemplare der wochenzeitschrift liegen, ging ich dahin und las sie. im internet findet sich dazu nicht besonders viel. meine lektüre der beiden ausgaben schlug sich im wikipediaartikel nieder, den ich nicht initiiert, aber gerade deutlich erweitert habe. oben das heft 2 des siebten jahrgangs, unten ein detail daraus:

Der-Junggeselle-Titel-2_1925-Detaildetail aus dem titelbild von oben. der maler wird nicht genannt.

selbstverständlich strotzte dieses vermutlich erste deutsche “männermagazin” von frauenfeindlichkeiten, getarnt durch einen hohen anspruch an ästhetik und kunst. hier ein beispiel für eine illustration, die eine brustlose frau meim (heute würde man sagen) fotoshooting zeigt und auf die strenge frage des stark kurzsichtigen künstlers, wo ihre brüste geblieben seien, antwortet: “Ach Gott, die hat man mir doch neulich beschlagnahmt!”

Der-Junggeselle-Brustloses-Model-1925illustration aus derselben ausgabe: eine frau mit fehlenden brüsten beim aktmaler (1925)

die interpretationsmöglichkeiten dieses damals sicherlich vom gros der leser als witzbild begriffenen offenbarungseids sind vielfältig. ich vermute, es sollte damit gezeigt werden, dass eine attraktive frau, die sich einem anderen mann “hingibt”, für den nächsten – in diesem fall den künstler – alle attraktivität verloren hat. mein kollege wolfgang n. gab, als er das las, zu bedenken, die fehlenden brüste könnten auch als zeichen für pressezensur interpretiert werden. wenn man das zitat unten, wo es auch um feuilleton-zensur geht, mit in betracht zieht, gäbe das dem bild einen völlig anderen charakter.

heute lesen wir die illustration als drastisches beispiel von mastektomie, also der entfernung der brüste aufgrund einer krebserkrankung. im bild unten wurden der frau die brüste nicht wegen einer krankheit entfernt, sondern aus religiösen gründen: die skopzen kamen im 18. jahrhundert aus dem russichen gouvernement orjol und verboten als christliche sekte den geschlechtsverkehr. um ihn nachhaltig zu verhindern, wurden die sektenmitglieder an den genitalien verstümmelt, wozu auch die weibliche brust gehörte. die letzten verstümmelungen dieser art passierten noch mitte des 20. jahrhunderts. die nachfolgesekten verzichten darauf, verbieten aber weiterhin den sex.

Skopze_1frau der skopzen-sekte mit aus religiösen gründen entfernten brüsten (< 1875, aus wiki commons)

das ganze textuelle umfeld des junggesellen ist frauenfeindlich. zum beispiel vergleicht ein autor die ehe mit dem damals noch jungen rundfunk. die frauen werden dabei zu den rundfunkempfangsähnlich störrischen zeitgenossen degradiert. das sehr holprig komponierte gedicht schließt mit den worten:

„Darum –: schonende Behandlung
Für die Frau und für den Funk!
Daß sie trotz der Jahre Wandlung
Beide bleiben frisch und jung.“

einen hybrid aus püppchen und nutte zimmert der unter dem kürzel „H. M.“ (vermutlich hans manninger) schreibende autor in seinem tipp, wie frauen auszusehen haben. titel der betrachtung: Reizlose Frauen. sie beginnt so:

„Ein Weib mit vollendeten Tatsachen, aber ohne Pikanterie ist wie ein Feuilleton, dem der Zensor die nahrhaftesten Stellen gestrichen hat. Ein brüstiges Weib ohne einen Schuß Keßheit bleibt eine Nummer, wird aber nie eine Klasse für sich werden.“

Der-Junggeselle-Titelbilder 1923einige titelbilder von 1923

wilhelm gallhof | neu in der wikipedia

wilhelm-gallhof -nur die korallenkette -1917detail aus wilhelm gallhofs frauenakt “die korallenkette” (1917)

beim stöbern in einigen zeitschriften (digital und analog) aus dem ganz frühen 20. jahrhundert stolperte ich über zahlreiche frauenakte, manche davon auf den titelblättern von zeitschriften wie “jugend” und “der junggeselle”, einige davon von einem maler namens wilhelm gallhof.

beim nachlesen, was es mit ihm auf sich hat, fand ich nicht nur wenig, sondern sehr wenig. aber weil gallhof in den frühen 1910er jahren zahlreiche würdigungen bekam, die bei google books zu finden (aber leider nicht im volltext zu lesen) sind, widmete ich mich ihm nun auch und schrieb das spärliche in die wikipedia. es gab bisher einen nur aus wenigen worten bestehenden artikel in der italienischen wikipedia.

reisescheibchen | unterwegs online etc.

schwedenKartenPackkleines reisetütchen mit schwedischer sim-karte, access-karte und paar kronen

noch vor wenigen jahren war es problematisch, im ausland online zu sein. inzwischen funktioniert das problemlos in den ländern, die ich so bereist habe, von kanada über die usa bis zu lanzarote, schweden, azoren, england, finnland. weil ich die sim-karte im mobiltelefon ungern wechsle (siehe weiter unten *), setze ich beispielsweise die oben abgebildete schwedische sim-karte ins iPad ein, sobald ich gelandet bin. ich muss die karte dann, weil sie prepaid finanziert wird, in einem telefonladen (in diesem fall telia, der platzhirsch mit dem besten netz in schweden) “aufladen”. die typischen preise in allen von mir besuchten ländern liegen bei 10 € pro woche für 500 MB bis 2 GB. einige provider liefern auch ein oder zwei GB für 10 oder 20 €, die dann zeitunabhängig sind. früher war die freischaltung auf dem tablet noch schwierig, weil das gerät keine sms empfangen kann und das nötig war, um den bestätigungscode zu bekommen. bei telia lief das diesmal völlig reibungslos.

selbst in entlegenen gegenden spaniens ist das iPad kein exot mehr. auf keinen fall sollte man sich einen vertrag aufschwatzen lassen; den provider geht weder unsere adresse, noch unsere kreditkarte etwas an. man kann die karten cash zahlen. und man sollte immer im geschäft warten, bis das gerät internet hat und man lossurfen kann; das dauert unter umständen einige minuten bis zu einer halben stunde.

es gibt viele sonderfälle und varianten, etwa LTE, also deutlich schnelleres surfen als mit 3G. das netz in schweden beispielsweise ist gut LTE-mäßig ausgebaut, es kommt aber auf das gerät (smartphone, tablet, Notebook, mit stick) an, ob es mit dem schwedischen LTE auch umgehen kann. das iPad 4 ist LTE-fähig, versteht aber den schwedischen und kanadischen standard nicht, sodass man da auf 3G zurückgeworfen wird.

insbesondere wenn wir zu zweit reisen, mache ich das iPad zu einem mobilen hotspot. über den können sich dann unsere smartphones mit passwort einloggen und “saugen” quasi an dem prepaid-vertrag. das ist zum beispiel dann praktisch, wenn das tablet im rucksack ist, man aber schnell mal das handy aus der tasche holt, um nachzusehen, wo das boot nach grinda abfährt. man nennt dieses verfahren auch tethering.

die sim-karten kosten normalerweise (und auch in schweden, nicht aber z. b. bei O2 in großbritannien) einmalig 10 €. deswegen lohnt es sich, sie nach der reise zusammen mit der restwährung und anderen unterlagen zu dem land aufzubewahren und beim nächsten mal wieder mitzunehmen. “andere unterlagen” sind heutzutage, da die u-bahn-netze nicht mehr überall mit streifen- oder einzelkarten zu befahren sind, die elektronischen public transport-karten, in stockholm heißen sie access cards (in der abbildung oben blau), in london oyster cards. ihre erstanschaffung kostet einige (umgerechnet) €, und sie lassen sich in der regel jahrelang verwenden.

noch eine anmerkung zum telefonieren und roaming im ausland: roaming bedeutet, dass man mit dem handy (oder tablet oder notebook-computer) im ausland online geht, ohne eine landesspezifische sim-karte einzulegen. die abrechnung erfolgt über den mobilfunkvertrag zu hause. diese roaming-kosten sind trotz drastischer senkung in den letzten jahren inakzeptabel hoch; man ist da beim ansurfen einiger tageszeitungen-webseiten schnell 1 € los. auch die EU-auslands-tarife der deutschen anbieter sind nicht wirklich preisgünstig. 300 MB für 5 € sind happig. die lokal bestückte sim-karte (siehe oben) ist hier immer weit überlegen.

zum telefonieren (*) : das ist inzwischen angenehm preiswert geworden, vor allem innerhalb der EU. im prinzip gilt, dass der anrufer aus deutschland keine extra-kosten hat, wenn er uns im ausland anruft, weil er ja nicht wissen kann, dass wir im ausland sind. bis vor kurzem war es aber teuer, den anruf im ausland anzunehmen. ich habe auf meinem smartphone einen sehr billigen tarif bei einem billig-provider, und mit diesem tarif ist das annehmen von anrufen aus der EU kostenlos. vorbildlich! bei anderen anbietern liegen die kosten typischerweise bei 10 cent pro minute. das ist ungefähr der preis, um eine sms vom ausland nach hause zu schicken.

isolationshaft-terror | nach dem 20. juli 1944

image

grundriss um 1896. das gebäude wurde 1955 komplett abgerissen.

weil ich gerade das hier lese:

Johannes Tuchel: ‚…und ihrer aller wartete der Strick‘. Das Zellengefängnis Lehrter Straße 3 nach dem 20. Juli 1944, Lukas Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86732-178-5

…schrieb ich in die wikipedia: die rolle des “zellengefängnisses lehrter straße 3” in berlin nach dem attentat auf hitler vom 20. juli 1944:

Unmittelbar nach dem Attentat gründete am 21. Juli 1944 der Leiter des Amts IV des Reichssicherheitshauptamts Heinrich Müller die „Sonderkommission 20. Juli“. Von den etwa 400 Mitarbeitern dieser Gestapo-Sonderabteilung waren einige Dutzend im Zellengefängnis Lehrter Straße abgestellt. Die zunächst als Provisorium gedachte Aktion blieb bis Kriegsende als fester Teil des Gefängnisses erhalten. Die Gestapo sorgte unter anderem für verschärfte Haftbedingungen für Sympathisanten des Attentats und erledigte den Transfer der Gefangenen zwischen anderen Gefängnissen und Konzentrationslagern sowie zu den häufig mit Folter verbundenen Verhören im „Hausgefängnis“ der Gestapo in der Prinz-Albrecht-Straße 8. Zahlreiche im Volksgerichtshof zu hohen Haftstrafen oder zum Tod verurteilte direkt oder indirekt am Umsturzversuch beteiligte Männer verbrachten Zeit im Zellengefängnis.

Zu den von der Sonderabteilung durchgeführten Haftverschärfungsmaßnahmen gehörte das Fesseln der Hände vor dem Bauch tagsüber und hinter dem Rücken über Nacht. Zudem wurden die Beine der Gefangenen nachts mit Ketten an der Wand neben dem Bett fixiert. Nachts blieb eine Lampe an. Sie wurde nur bei Fliegeralarm mit einem Tuch abgedeckt. Dies traf auch auf die Zellen mit Häftlingen zu, die nicht mit dem Attentat in Verbindung standen. Diese durften beim Schlafen die Hände nicht unter die Decke nehmen; die Wärter wollten damit Selbstmordversuche vermeiden. Die Ernährung aller Gefangener in dieser Zeit war katastrophal; manche nahmen innerhalb weniger Monate Haft bis zu 30 Kilogramm ab. Auch die medizinische Versorgung war nicht gewährleistet. Zahlreiche Insassen erkrankten schwer. Der am 20. Juni konspirativ beteiligte Prälat Otto Müller erlitt im Zellengefängnis einen Durchbruch eines Magengeschwürs und verstarb am 12. Oktober 1944 im nahegelegenen Polizeikrankenhaus.

Viele Häftlinge überlebten die Haft nur durch Geschenke von Verwandten und Bekannten. Um die Gefangenen herum bildeten sich Netzwerke von vor allem Frauen, die versuchten, meist über die Bestechung des Wachpersonals, Nahrungsmittel, Medikamente und Bücher zu überbringen.[3]

Unter den im Zellengefängnis Inhaftierten befanden sich mehrere Geistliche aus dem Widerstand wie der Jesuit Augustin Rösch. Eingeliefert am 13. Januar 1945 richtete er, von den Wärtern unentdeckte Beichten und täglich heilige Messen ein. Die in der Haftanstalt tätigen Kalfaktoren [4] deckten die illegalen katholischen Aktionen. Die Hostien für die Kommunion wurden von zwei Frauen in eigens dafür geschneiderten Leinentäschchen in das Gefängnis geschmuggelt.

Die meisten Sympathisanten des Widerstands warteten im Zellengefängnis auf ihren Prozess vor dem sogenannten Volksgerichtshof, sie waren also in Untersuchungshaft und wurden zu ihren vermeintlichen Verbrechen vernommen. Dafür waren zwei Räume in der Nähe des Eingangs vorgesehen, jedoch selten genutzt, denn man transportierte die Häftlinge zur Vernehmung fast immer ins 3 km entfernte Gestapo-Gefängnis. Dort war Folter die Regel, meist durch Schläge, Auspeitschungen, aber auch das Ziehen von Zähnen und Fingernägeln. Der ehemalige Polizeidirektor Paul Hahn berichtete über seine Rückkehr ins Zellengefängnis nach Stunden der Folter:

„Ich wurde per Auto, natürlich gefesselt und unter Bedeckung von zwei SD-Schergen nach der Lehrter Straße gebracht. Als ich dort ankam, sah ich aus den Mienen der mich in Empfang nehmenden Beamten, daß mein Aussehen auffallend war. Mein Gesicht war geschwollen und blutbeschmiert, meine Lippen blutrünstig und aufgeschlagen. Nach der Fesselung für die Nacht, Hände auf dem Rücken, Füße an die Wand angeschlossen, sank ich auf die Pritsche.“[5]