zynische selbst | versorgung

das leid, das du anderen antust…*

Am dritten Tag sprach nicht Jesus zu seinen Jüngern …, sondern [und ab hier weitgehend wörtlich übersetzt] fing die verschärfte Verhörphase an. Das Subjekt hatte den letzten Abend in einer großen Box verbracht. Gemäß der aktuellen Verhörstrategie war der Schlaf des Subjekts wie in den Tagen zuvor mehrmals unterbrochen worden. Um 10 Uhr 42 kamen die Wachen sowie 10 Psychologen (Verhörexperten) und holten das Subjekt aus der Kiste. Vorher war besprochen worden, wie man mit der Wunde am Handgelenk des Subjekts umgehen solle, denn das Verhör durfte dadurch nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Handfesseln wurden gegen neue ausgetauscht. Die Verhörexperten würden schließlich immer wieder mit der Wunde in Kontakt kommen.

Das Subjekt wurde an die Spezialwand geführt, und man brachte ein aufgerolltes Handtuch an seinem Hals an. Als das Subjekt auf die Frage, was es an Informationen verberge, sagte, keine, bekam es einen erniedrigenden Schlag ins Gesicht. Als es weiterhin verneinte, Informationen über Aktionen gegen die USA zu haben, wurde es mit Wucht gegen die Wand gestoßen.

Die Verhörenden hatten kein Interesse daran, mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten des Befragten in Kontakt zu kommen und forderten ihn deswegen auf, sich selbst um seine Wunden zu kümmern. Sie überreichten ihm 6 Mullbinden und forderten ihn auf, sich zu beeilen und nicht den Verhörvorgang hinauszuzögern, der in wenigen Minuten weiter ginge. Unmittelbar danach stießen sie ihn wieder gegen die Wand, weil er die Frage nach Informationen wieder verneinte. Daraufhin kam er wieder in die Kiste.

Um 11 Uhr 30 wurde das Subjekt aus der Box geholt und ihm ein Sack über den Kopf gestülpt. Man führte es zur Verhörwand und ließ es da in der Anwesenheit der Wachmänner bis 12 Uhr 9 stehen, um sein Orientierungsvermögen zu stören. Die Sicherheitsleute brachten das Subjekt anschließend in die Kiste zurück, nahmen den Sack ab und wiesen es an, den Eimer zur Kenntnis zu nehmen. Es sollte hier seine Blase entleeren.

Um 12 Uhr 46 brachten die Verhörexperten das Wasserbrett in die Zelle. Die Kiste wurde geöffnet, das Subjekt bekam den Sack über den Kopf. Auf dem Wasserbrett, wo sich das Subjekt widerstandslos hinlegte, wurde ihm der Kopf wieder befreit. Es fing an zu weinen, wiederholte, nichts zu wissen, und stotterte “Helft mir”.

Zwischen 12 Uhr 50 und 13 Uhr 15 wurde die Wasserbrett-Technik zahlreiche Male angewandt. Um 13 Uhr 17 kam das Subjekt zurück in die Kiste, um 13 Uhr 21 wieder heraus musste und in sitzender Position auf dem Wasserbrett Platz nehmen. Es wirkte niedergeschlagen, vorgebeugt und weinte offenbar echte Tränen. Es sagte, es habe nach dem Gebet beschlossen, nun die Wahrheit sagen, um sich selbst und seine Brüder zu retten. Um 13 Uhr 26 kam es in die Kiste zurück.

Um 16 Uhr 29 betrat das Team die Zelle und öffnete die Box. Weil das Subjekt keine Auskunft gab, wurde es wieder zum Wasserbrett geführt. Wieder weinte es und bekundete, alles gesagt zu haben. Man wies das Subjekt darauf hin, dass es mehr Informationen liefern müsse, um den Fluss des Wassers zu stoppen.


psychologische | folterlobbyarbeit

sidleyAustinInterrogationReporteins der größten rechtsanwaltsbüros der USA, → sidley austin, hat einen → unabhängigen report veröffentlicht, der sich mit der einfachen frage beschäftigt:

  • wie kamen CIA und US-regierung dazu, für ihr “black site”-folterprogramm im nachgang des 11. september 2001 psychologen heranzuziehen, die das über jahre hinweg absegneten und bei den folterungen dabei waren?

der report kommt zu dem ergebnis, dass manche psychologen vor ort sich durchaus nicht wohl damit fühlten, das waterboarding oder das nackt mit sack auf dem kopf herumstehenlassen von gefangenen als ethisch verantwortungsvolle verhörtechnik anzusehen. aber als sie anfingen, die aktionen kritisch zu sehen, schritten psychologen von außen ein und pfiffen sie zurück. diese personen stammten, und das ist der jetzt aufkommende skandal, aus dem vorstand des dachverbands der psychologen, der american psychological society. die psychologen arbeiteten, ohne den kollegen vor ort zu trauen, der regierung zu und deckten die CIA. heute in der → new york times nachzulesen.

die zusammenarbeit von medizinern mit regierungen und geheimdiensten, um folter zu decken und sogar noch infamere foltertechniken zu ersinnen, hat eine lange tradition. was dieser report bewirken wird, sind vermutlich kleine umbauten in der APS, mehr aber nicht.

[aus den → black sites wurde später das guantanamo bay-gefängnis; auch da waren psychologen anwesend. zu den brutalen zwangsernährungssessions gibt es videos, die ende des monats für die öffentlichkeit freigegeben werden. passt dem pentagon natürlich nicht, aber der freedom of information act will es so. siehe dazu → the intercept von heute.]

camp delta | camp NO

guantanamo_maps_zoom_04camp NO, alias penny lane. ansicht: → google maps

als ein US-feldwebel 2006 im lager guantanamo bay ankam, sagten ihm kameraden: “willkommen in auschwitz!” wir deutschen, wenn wir nicht gerade bei pegida mitlaufen oder AFD wählen, wissen um die ungeheuerlichkeit des vernichtungslagers auschwitz der nazis. aber es muss schon einen grund haben, warum die im lager stationierten soldaten hier die keule auschwitz bemühten. die erklärung ist einfach: zu zeiten der bush/cheney/rumsfeld/tenet-administration wurde jeder gefangene, der hier ankam, “gegen malaria immunisiert” – in wirklichkeit bekam er eine psychodroge. auf kuba (und dazu gehört das lager) gibt es keine malaria. mit diesen drogen wurde experimentiert, sie sollten die gefangenen halluzinieren lassen, gefügig machen, gestehen lassen. selbst wenn das einigermaßen gelang, konnten sich die gefangenen sicher sein, auch physisch gefoltert zu werden. aber ich lenke ab, ich wollte zu dem bild oben etwas erzählen: es ist das lager mit der bezeichnung “NO”. alle anderen lagereinheiten haben buchstaben (“camp D”), diese baracken aber nennen sich camp NO – lager ohne namen. der spitzname für diese seit der obama-administration von vegetation überwucherte anlage war “penny lane”.

sehen wir uns mal an, wo camp NO liegt.

guantanamo_maps_zoom_03camp NO oben links, schön abseits

fahren wir ein wenig weiter aus der karte heraus:

guantanamo_maps_zoom_02das lager rechts unten. im linken bereich der flughafen

auf der nächsten karte sehen wir ganz kuba:

guantanamo_maps_zoom_01oben links die USA (florida), mitte: das lager

am 9. juni 2006 fanden die wachen drei häftlinge, yasser talal al-zahrani, salah ahmed al-salami und mani shaman al-utaybi erhängt in ihren zellen des lagers D(elta). das lager NO spielt dabei eine wichtige rolle, wie ein morgen bei simon & schuster erscheinendes buch des oben genannten feldwebels darlegt: murder at camp delta von joseph hickman. hickman war ein jahr lang in dem lager. er hatte an dem abend gesehen, wie drei gefangene über seltsame wege hin und her transportiert wurden und war am nächsten morgen erstaunt, den lagerkommandanten, general harry harris auf CNN von einem angriff auf die USA zu sprechen. wörtlich:

“sie [die erhängten gefangenen] sind klug, sie sind erfinderisch, sie arbeiten mit hingabe. sie wertschätzen das leben nicht, weder unseres, noch ihr eigenes. ich glaube deswegen, dass das ein akt der verzweiflung war. es war vielmehr ein akt asymmetrischer kriegsführung, die sich gegen uns richtete.”

der untersuchungsbericht war umfangreich, aber, wie sich wenig später herausstellte, ein versuch der vertuschung. die “suizide” waren so absonderlich, dass den lagerbetreibern erklärungen offenbar schwer fielen: die gefangenen hingen an den decken ihrer zellen nämlich an händen und füßen gefesselt; sie hatten sich stoff tief in den rachen geschoben, säcke über den kopf gezogen, waren auf die waschbecken der zellen hochgestiegen und hatten ihre köpfe in die vorbereiteten schlingen gelegt und waren abgesprungen – all das blind, stumm und gefesselt. das konnte niemand, der bei verstand war, glauben. offenbar hatte man mit den dreien experimente in camp NO unternommen, und da ging etwas schief. also brachte man die gefangen eiligst in der nacht in die klinik und dann zurück in ihre zellen. so joseph hickman, der am freitag bei democracy now interviewt wurde. hier nachzusehen:

 

murder at camp delta – interviews bei democracy now

der stachlige | stuhl

folterstuhlfolter einer frau auf dem stachligen stuhl. kriminalmagazin 1930

zu den mittelalterlichen standard-folterinstrumenten für frauen (warum eigentlich nicht für männer?) gehörte der mit eisennägeln gespickte folterstuhl, auch stachliger stuhl genannt, wie hier in der zeitschrift → das kriminalmagazin vom juli 1930. vermutlich eine illustration des hauszeichners der zeitschrift.

einer von vielen fällen ist die folter von hester jonas, der “hexe von neuss”. im wikipedia-artikel über sie steht diese heute top-aktuelle* schilderung ihrer erfolterten geständnisse:

Im November des Jahres 1635 wurde sie (im Alter von etwa 64 Jahren) wegen Zauberei verhaftet, verhört und gefoltert. Das Neusser Bürgermeistergericht bezichtigte sie des Schadenzaubers, des Abfalls von Gott, des Paktes mit dem Teufel und der Teufelsbuhlschaft. […] Bei den ersten beiden Verhören am 15. und am 22. November bestritt Jonas die gegen sie erhobenen Vorwürfe. Am 19. und 20. Dezember wurde sie jeweils für drei Stunden auf einen mit Eisennägeln gespickten Folterstuhl, gesetzt.

Nach der Folter legte sie ein „Geständnis“ nach Wunsch der Anklage ab. Sie gab zu, mit einem schwarzen Mann namens „Hans Beelzebub“ mehrfach Unzucht getrieben und Menschen wie Tieren durch Zauber geschadet zu haben. Außerdem sei sie vom Teufel besessen. In derselben Nacht gelang ihr die Flucht aus dem „Neuwachthaus“. Sie wurde jedoch wenig später ergriffen und in den Mühlenturm gesperrt. Dort widerrief sie ihr „Geständnis“. Nach Auspeitschung mit „scharfen Ruten“ wurde ihr Widerstand am folgenden Tag jedoch gebrochen. Sie gestand alle gegen sie erhobenen Vorwürfe. Das Gericht verurteilte sie daraufhin zum Tode. Am 24. Dezember 1635 wurde Jonas in Neuss von einem Scharfrichter mit dem Schwert enthauptet. Ihr Körper wurde danach verbrannt, ihre Asche ist am gleichen Tag demonstrativ in alle Himmelsrichtungen verteilt worden.


*siehe CIA-folter. die dokumente belegen, dass die CIA erfolterte geständnisse glaubwürdig fanden, ganz so, wie die mittelalterliche hexenjustiz der katholiken.

folter sinnlos | THE TIMES 1785

folterInDerInquisitionfolterkammer zur zeit der inquisition in spanien/portugal. wiki commons

menschen foltern andere menschen, seit es menschen gibt. der holzstich oben zeigt eine folterkammer 1163, zu einer zeit, als überall in europa viel getötet, also auch gefoltert wurde. wenn wir heute an ISIS denken – damals waren es die christen, die auszogen zu töten. die weltbevölkerung war im spätmittelalter, als die inquisition ihren höhepunkt erlebte, wesentlich kleiner als heute, deswegen wirkt die zahl der von den katholiken päpstlich angestifteten morde noch monströser als sie sowieso schon ist: 10 millionen.

1785, als die aufklärung das mittelalter abgeschafft hat und die TIMES in london die aufklärung in form eines nüchternen journalismus auf papier lieferte, stand auf der dritten von vier seiten in einem juristischen artikel ein bemerkenswerter abschnitt über die folter. ein richter in lissabon hatte zweifel, ob die folter die wahrheit ans licht bringt. ihm taten die gefolterten so leid, dass er ein experiment unternahm. um es zu verstehen, muss man wissen, schreibt die TIMES, dass die tötung von pferden oder maultieren unter todesstrafe stand. das experiment ging so:

ein gutsherr ging, als die familie schlief, in den stall und schnitt einem pferd den schwanz ab, worauf dieses verblutete. man verdächtigte sofort den stallburschen, der die tat abstritt. man setzte ihn der folter aus, worauf er die folterer bat, ihn sterben zu lassen, und die tötung des tiers gestand. jetzt (erst) schritt der richter ein und ließ die sache auffliegen. sie hatte sofortige auswirkungen auf die gerichtsbarkeit in portugal: die folter wurde abgeschafft. [sie kam natürlich immer wieder, nicht zuletzt während der portugiesischen militärjunta.]

tortureInPortugal_1785

THE TIMES vom 4. januar 1783, ausgabe 3, s. 3

USA 1852

noch ein blick auf das erste auftauchen von “torture” in der new york times: in der ausgabe vom 18. februar 1852 findet sich ein artikel über folter in amerikanischen gefängnissen. da ging es offenbar nicht darum, geständnisse herauszupressen, sondern die gefangenen aus vermutlich disziplinarischen gründen zu quälen. speziell geht es um den gefängnisarzt von auburn, dr. fosgate. der kommentar zu diesem aus der zeitung (nachrichtenagentur?) exchange zitierten nachricht verurteilt die folter aufs schärfste und argumentiert unter anderem mit der verfassung: “cruel and unusual punishments shall not be inflicted”. er erwähnt auch einen fall, der weitere 100 jahre zurückliegt. bashford, ein wärter im newgate gefängnis, pflegte seine gefangenen zu foltern, indem er kopf und arme mit einem brett fixierte und am halsbereich schrauben anzog. der wärter kam vor gericht und wurde gehängt. oder, wie es in dem artikel lautet: “bashford departed his life, in consequence, at the end of a rope, on tyburn hill.”

tortureInAuburnPrison_1852

20 sek. waterboarding | war zu viel

jamesMitchell_FoxNewsjames mitchell, waterboarding-profi, bei fox news

fox news ist der stramm rechte fernsehkanal, dem der senats-report über CIA-folter nicht nur nicht schmeckt, sondern der von den für die folter verantwortlichen gern genutzt wird, um das blatt zu wenden: nicht mehr die CIA ist böse, sondern die, die die CIA mit diesen vorwürfen kompromittieren. beispielhaft dafür war das willfährige interview bei → fox news “insider” am 15. dezember. mitchell beschreibt seine angst, denn er fühlt sich plötzlich zum sündenbock gemacht. er beschreibt seinen patriotismus, denn er hat alles nur gemacht, weil er amerika schützen wollte. er diskreditiert den folter-report mit dem argument, man hätte ihn nicht befragt. und er gibt sich als milder folterer, der manche rahmenbedingungen zu drastisch fand, zum beispiel die des justizministeriums zum waterboarding.

bei diesen vorgaben steht nämlich drin, dass man den gefangenen jeweils 20 sekunden lang wasser auf das tuch über seinem kopf schütten darf. dann atmet der gequälte einmal durch, dann folgen die nächsten 20 sekunden. das geht dann maximal 20 minuten so weiter.

mitchell, von haus aus psychologe, der über solche techniken “geforscht” hat und sie vor ort in den geheimverstecken der CIA so oft anwendete, dass er sich laut interview nicht mehr an einzelheiten erinnert, brüstet sich nun in der sendung, die vorschriften gelockert zu haben: bei 20 sekunden-intervallen ersticke der patient, sagte mitchell, weswegen er zu 10 sekunden-intervallen übergegangen sei. in einer session wimmelte es also von 10 sekunden wasser, durchatmen, 10 sekunden wasser, plus, wie er nach reichlicher überlegung für praktisch gefunden hat, zweimal 20 sekunden und einmal 40 sekunden!

nur bei scheich mohammed, den mitchell als böse und arrogant bezeichnet, nützte das alles nichts. er gehöre, so mitchell, zu den gefangenen, die das talent hätten, beim waterboarding das wasser über die nase aufzunehmen und direkt über den mund auszuspucken.

zu mitchell und seinem 80 millionen dollar-vertrag siehe auch → das hier bei mir.

CIA saved lives | die täter schlagen zurück

CIA-saved-lives

erst paar tage alt ist die webseite www.ciasavedlives.com. dahinter versteckt sich, anonym, “a group of former CIA officials”. die new york times weiß es genauer und spricht vor allem von einem in jüngster zeit sehr pressescheu gewordenen george tenet und seinem immer pressefreundlicheren nachfolger michael hayden. tenet war bis 2004 CIA-chef und gilt als eine schlüsselfigur bei der einführung von folter gegen vermeintliche al qaida-terroristen. hayden sagte in mehreren interviews letzte woche, dass er zu beginn seiner amtszeit damit beschäftigt war, mit den “fehlern der frühen CIA-aktionen aufzuräumen”. zum beispiel sagt er, der tod eines inhaftierten sei ein problem schlecht ausgebildeter CIA-kollegen unmittelbar nach dem 11. september 2011 gewesen.

aber er deckt tenet. bei den interviews, etwa bei der BBC oder CNN, neigt er dazu, einfache erklärungen zu geben (rektale vergewaltigung = medizinisch sinnvolle zwangsernährung; waterboarding = doch nur bei drei leuten; gefangene gegen die wand schubsen = waren weiche wände, die nur einen mords lärm machten) und von allem anderen nichts zu wissen. haydens hauptargument gegen den folter-report ist, dass der untersuchungsausschuss gar nicht in der lage war, die 6 millionen dokumente durchzukämmen; das kommittee um dianne feinstein habe sich deswegen mit einem vorurteil an die arbeit gemacht und selektiv 6000 seiten verfasst, die mit den republikanern, der ära bush und der CIA abrechnen wollten.

“Authorized & Legal”

… nennt sich der zweite reiter von ciasavedlives.com: wir haben uns bei der CIA immer abgesichert und damit voll legal gehandelt.

die webseite dieser heute (nicht mit dem rücken an der wand, aber bisschen) dumm dastehenden ex-CIA-leute sagt das aus, was man erwarten konnte: alles im folterreport ist falsch, die autoren habe sich die bösen rosinen herausgepickt, um gezielt die CIA zu diskreditieren. das dokument sei damit eine politische waffe und zutiefst unmoralisch.

was aber eigentlich dahinter steckt, ist, die schuld auf den damaligen präsidenten zu schieben, also g. w. bush. auf der seite und den verlinkten dokumenten (zum beispiel dieses, ohne angabe von autoren, ohne überschrift, genannt bush.pdf) spielt das eine zentrale rolle. hier ein memo, das bush am 7. februar 2002 unterschrieben hat und mit dem das ganze debakel begann:

bushUnterschreibtAussetzenDerGenferKonvention

es ging darum, den vermeintlichen terroristen ihren status als kriegsgegner zu entziehen, um sich aus artikel 4 der genfer konvention herauszuschleichen. denn man hatte inzwischen den ersten “hochrangigen” gefangenen gemacht und wollte gern mehr aus ihm herauspressen. das hätte die genfer konvention nicht zugelassen; zudem hätte man dann dem roten kreuz zugang zu dem gefangenen geben müssen, und das war höchst unerwünscht. man wollte mit abu zubaydah (deutsch: abu subaida) ja dinge machen, die dem roten kreuz unappetitlich aufgefallen wären. deswegen unterschrieb bush, man betrachte die verhafteten talibans als gesetzlose kämpfer und nicht kriegsgefangene, weil die USA sich mit al qaeda nicht in einem anständigen krieg befänden.

die geschichte von abu zubaydah ist in dem folter-report besonders grausig zu lesen. ich schreibe in kürze was darüber.

das bush.pdf zeichnet eine einzige rechtfertigung aller jetzt bekannt gewordenen verhör-vorgänge. alles sie von der CIA nach oben abgesichert worden, sowohl übers justizministerium, als auch über bushs nationale sicherheitsberaterin condoleezza rice und den generalstaatsanwalt john ashcroft. rice sprach sich zum beispiel laut einem gesprächsprotokoll vom januar 2003 klar dafür aus, “humane” verhörmethoden beim militär zu lassen, die CIA dagegen könne schön weiter waterboarden.

die argumentation geht sehr ins detail. zum beispiel ist den CIA-leuten jetzt wichtig, einen schon von obama freigegebenen, ehemals streng geheimen brief des generalstaatsanwalts an den chefanwalt der CIA john rizzo vom 1. august 2002 in gänze als faksimile wiederzugeben. das dokument (unten ein ausschnitt) liest sich, als gäbe der generalstaatsanwalt einen freibrief für alle 10 “erweiterten verhörtechniken”. wenn man genauer hinliest, schreibt ashcroft das aber unter dem vorbehalt, dass die von der CIA abgegebenen informationen stimmen. zu diesen informationen gehörte unter anderem, dass der gefangene abu zubaydah eine zentrale figur bei der terrorplanung von al qaida war und garantiert noch für die nationale sicherheit wichtige dinge ausplaudern kann, die man mit bisher angewandten methoden nicht aus ihm herausgebracht hätte. waterboarding, so das memo, sei die letzte stufe in diesem prozess und sollte, wie alle methoden, möglichst nur einmal angewendet werden – weil sich der effekt sonst abnutzt.

ashcroftEITerlaubnisashcroft an rizzo 2002: “du darfst” (wenn alles stimmt, was du mir gesagt hast)

und was macht ashcroft heute? gospel songs singen und komponieren, zum beispiel “let the eagle soar” (lass den adler aufsteigen). rice spielt gern klavier in kammermusikstücken. tenet arbeitet in einer öffentlichkeitsscheuen investmentbank namens allen & company in new york. das gaben weder er, noch die bank bekannt, aber es wurde, wie so vieles heute, geleakt.

CIA folterreport | zurück ins mittelalter

mahjidKahlndas ist majid kahn mit vollbart. als er in den USA studierte, trug er brille und einen gepflegten bart. beim besuch von verwandten in pakistan wurde er von der CIA festgenommen und landete schließlich nach diversen zwischenstationen im guantanamo-gefängnis, wo er sich bis zum heutigen tag befindet.

an majid kahn lässt sich gut festmachen, wie sich physische und psychische folter mischen. das ist neben einigen hundert weiteren seiten mit widerlichkeiten im → heute veröffentlichten folterreport nachzulesen. die CIA hat den mann auf die übliche weise geschlagen, in körperlich unnatürlichen positionen gefesselt und liegen gelassen usw. dazu kam die übliche psychische folter des schlafentzugs und des nackt vor den vernehmenden CIA-schergen stehens. was der report u. a. erstmals offenlegt, ist alles, was mit “rectal feeding” zusammenhängt. viele gefangene wurden opfer dieser prozedur, die sich in den zitaten der CIA-angestellten nach einer lust an vergewaltigung anhört (“lass ihn tief runterbeugen, dann schieb das ding hinten rein, musst keinen druck ausüben, die schwerkraft tut den rest”). hier eine passage aus dem report:

rectalFeeding_CIAmajid kahn war in den hungerstreik getreten, worauf man ihn zwangsernährte, durch “nasogastritische” und “intravenöse” methoden. majid kahn muss so darunter gelitten haben, dass er sich die flüssigkeiten freiwillig selbst über die künstlichen wege zuführte. “ohne groß reden zu müssen” führten die vernehmer dann die zwangsernährung durch den po ein. zwei flaschen des nahrungskonzentrats ensure am vormittag. mittags brachte man dem gefangenen (übrigens einem US-staatsbürger) ein tablett mit dem lunch: hummus (kichererbsenpaste), nudeln mit sauce, nüsse und rosinen. statt es ihm zum essen zu geben, pürierte man alles zu einem brei und führte ihm das ganze rektal ein. der report beschreibt an mehreren stellen, dass diese methode der zwangsernährung nicht indiziert war, sondern der CIA dazu dienen sollte, totale kontrolle über den gefangenen zu bekommen.

majid kahn versuchte sich mehrfach umzubringen, durch aufschlitzen der pulsadern, sich in den ellenbogen zu beißen, eine vene auf der fußoberseite zu öffnen und anderes mehr.

dass der US-senat den report jetzt herausbrachte, hat ganz simple gründe: nach den letzten abgeordetenwahlen wird der senat mehrheitlich republikanisch besetzt sein, und die republikaner versuchten von anfang an, eine aufklärung der CIA-foltervorwürfe zu verhindern.

noch ein beispiel. hassan ghul wurde von der CIA 2004 im irak festgenommen. er hatte verbindungen zu bin laden und “sang like a tweetie bird”. trotzdem brachte man ihn in ein “black site” – also geheimes gefängnis/versteck, rasierte dort seinen kopf kahl, fesselte und hängte ihn in “stress positions” auf (typischerweise die füße an die decke), entzog ihm drei tage lang den schlaf.

das resultat war, dass er dabei “keine brauchbaren bedrohungsinformationen lieferte”. hassan ghul aber ging es schlecht. er bekam, laut internem bericht, “milde lähmungen”, halluzinierte, entwickelte spasmen und herzrhythmusstörungen.

die CIA hatte mehrere, ebenfalls hier dokumentierte meetings, um das problem zu diskutieren: wenn die systematischen menschenrechtsverstöße herauskämen, müsse man beweise vorlegen, dass die folter amerika geschützt hätte, unter anderem beim aufspüren bin ladens. durch diesen report bricht auch dieser fromme wunsch wie ein kartenhaus zusammen.

die mittelalterlichen folterprozesse, nicht nur gegen hexen, gingen ähnlich “geordnet” zu. bevor man die daumenschrauben weiter zuzog, wurden das gericht und natürlich die geistlichkeit angerufen, ob das jetzt angesagt sei. im fall dieser schauderhaften CIA-reports sind g. w. bush, tenet, cheney und rumsfeld direkt dafür verantwortlich. die menschenrechtsorganisation ACLU kommentiert heute in der new york times, dass es utopisch sei, dass eine US-administration eine andere vor gericht bringe. deswegen wäre es ein armseliger, aber immerhin ein sieg der gerechtigkeit und menschlichkeit, wenn die obama-regierung die täter von damals “begnadigen” würde. das wäre nämlich ein eingeständnis ihrer schuld aus aktueller sicht.

isolationshaft-terror | nach dem 20. juli 1944

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grundriss um 1896. das gebäude wurde 1955 komplett abgerissen.

weil ich gerade das hier lese:

Johannes Tuchel: ‚…und ihrer aller wartete der Strick‘. Das Zellengefängnis Lehrter Straße 3 nach dem 20. Juli 1944, Lukas Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86732-178-5

…schrieb ich in die wikipedia: die rolle des “zellengefängnisses lehrter straße 3” in berlin nach dem attentat auf hitler vom 20. juli 1944:

Unmittelbar nach dem Attentat gründete am 21. Juli 1944 der Leiter des Amts IV des Reichssicherheitshauptamts Heinrich Müller die „Sonderkommission 20. Juli“. Von den etwa 400 Mitarbeitern dieser Gestapo-Sonderabteilung waren einige Dutzend im Zellengefängnis Lehrter Straße abgestellt. Die zunächst als Provisorium gedachte Aktion blieb bis Kriegsende als fester Teil des Gefängnisses erhalten. Die Gestapo sorgte unter anderem für verschärfte Haftbedingungen für Sympathisanten des Attentats und erledigte den Transfer der Gefangenen zwischen anderen Gefängnissen und Konzentrationslagern sowie zu den häufig mit Folter verbundenen Verhören im „Hausgefängnis“ der Gestapo in der Prinz-Albrecht-Straße 8. Zahlreiche im Volksgerichtshof zu hohen Haftstrafen oder zum Tod verurteilte direkt oder indirekt am Umsturzversuch beteiligte Männer verbrachten Zeit im Zellengefängnis.

Zu den von der Sonderabteilung durchgeführten Haftverschärfungsmaßnahmen gehörte das Fesseln der Hände vor dem Bauch tagsüber und hinter dem Rücken über Nacht. Zudem wurden die Beine der Gefangenen nachts mit Ketten an der Wand neben dem Bett fixiert. Nachts blieb eine Lampe an. Sie wurde nur bei Fliegeralarm mit einem Tuch abgedeckt. Dies traf auch auf die Zellen mit Häftlingen zu, die nicht mit dem Attentat in Verbindung standen. Diese durften beim Schlafen die Hände nicht unter die Decke nehmen; die Wärter wollten damit Selbstmordversuche vermeiden. Die Ernährung aller Gefangener in dieser Zeit war katastrophal; manche nahmen innerhalb weniger Monate Haft bis zu 30 Kilogramm ab. Auch die medizinische Versorgung war nicht gewährleistet. Zahlreiche Insassen erkrankten schwer. Der am 20. Juni konspirativ beteiligte Prälat Otto Müller erlitt im Zellengefängnis einen Durchbruch eines Magengeschwürs und verstarb am 12. Oktober 1944 im nahegelegenen Polizeikrankenhaus.

Viele Häftlinge überlebten die Haft nur durch Geschenke von Verwandten und Bekannten. Um die Gefangenen herum bildeten sich Netzwerke von vor allem Frauen, die versuchten, meist über die Bestechung des Wachpersonals, Nahrungsmittel, Medikamente und Bücher zu überbringen.[3]

Unter den im Zellengefängnis Inhaftierten befanden sich mehrere Geistliche aus dem Widerstand wie der Jesuit Augustin Rösch. Eingeliefert am 13. Januar 1945 richtete er, von den Wärtern unentdeckte Beichten und täglich heilige Messen ein. Die in der Haftanstalt tätigen Kalfaktoren [4] deckten die illegalen katholischen Aktionen. Die Hostien für die Kommunion wurden von zwei Frauen in eigens dafür geschneiderten Leinentäschchen in das Gefängnis geschmuggelt.

Die meisten Sympathisanten des Widerstands warteten im Zellengefängnis auf ihren Prozess vor dem sogenannten Volksgerichtshof, sie waren also in Untersuchungshaft und wurden zu ihren vermeintlichen Verbrechen vernommen. Dafür waren zwei Räume in der Nähe des Eingangs vorgesehen, jedoch selten genutzt, denn man transportierte die Häftlinge zur Vernehmung fast immer ins 3 km entfernte Gestapo-Gefängnis. Dort war Folter die Regel, meist durch Schläge, Auspeitschungen, aber auch das Ziehen von Zähnen und Fingernägeln. Der ehemalige Polizeidirektor Paul Hahn berichtete über seine Rückkehr ins Zellengefängnis nach Stunden der Folter:

„Ich wurde per Auto, natürlich gefesselt und unter Bedeckung von zwei SD-Schergen nach der Lehrter Straße gebracht. Als ich dort ankam, sah ich aus den Mienen der mich in Empfang nehmenden Beamten, daß mein Aussehen auffallend war. Mein Gesicht war geschwollen und blutbeschmiert, meine Lippen blutrünstig und aufgeschlagen. Nach der Fesselung für die Nacht, Hände auf dem Rücken, Füße an die Wand angeschlossen, sank ich auf die Pritsche.“[5]

medizinisch psychologische foltertipps nach 9/11

Ethics-abandoned-Cover

gerade erschienen, ein report von vorwiegend ärzten und ex-militärs der USA, über den druck des verteidigungsministeriums und der CIA auf ärzte und psychologen, wie man gefangene “sanft” folter kann. columbia university, volltext über die webseite unten als pdf herunterladbar. buchtitel: Ethics Abandoned: Medical Professionalism and Detainee Abuse in the War on Terror. die von den militärärzten freigegebenen “harschen gefangenenbefragungs”-techniken wurden von der bush-administration 2002 in auftrag gegeben, von rumsfeld in kraft gesetzt, und sie gelten weitgehend noch heute.

webseite der IMAPNY:

http://imapny.org/medicine_as_a_profession/interrogationtorture-and-dual-loyalty

der komplette bericht als pdf:

http://imapny.org/File%20Library/Documents/IMAP-EthicsTextFinal2.pdf