ausgabe 2/1925, gefunden in der bayerischen staatsbibliothek münchen
von 1918 bis 1928 erschien in berlin im gleichnamigen verlag Der Junggeselle. ich stieß auf die zeitschrift über ebay, wo einige exemplare angeboten wurden und typischerweise für 10 € pro heft über den tisch gingen. weil ich aus anderen gründen in münchen war und in der dortigen staatsbibliothek zwei exemplare der wochenzeitschrift liegen, ging ich dahin und las sie. im internet findet sich dazu nicht besonders viel. meine lektüre der beiden ausgaben schlug sich im wikipediaartikel nieder, den ich nicht initiiert, aber gerade deutlich erweitert habe. oben das heft 2 des siebten jahrgangs, unten ein detail daraus:
detail aus dem titelbild von oben. der maler wird nicht genannt.
selbstverständlich strotzte dieses vermutlich erste deutsche “männermagazin” von frauenfeindlichkeiten, getarnt durch einen hohen anspruch an ästhetik und kunst. hier ein beispiel für eine illustration, die eine brustlose frau meim (heute würde man sagen) fotoshooting zeigt und auf die strenge frage des stark kurzsichtigen künstlers, wo ihre brüste geblieben seien, antwortet: “Ach Gott, die hat man mir doch neulich beschlagnahmt!”
illustration aus derselben ausgabe: eine frau mit fehlenden brüsten beim aktmaler (1925)
die interpretationsmöglichkeiten dieses damals sicherlich vom gros der leser als witzbild begriffenen offenbarungseids sind vielfältig. ich vermute, es sollte damit gezeigt werden, dass eine attraktive frau, die sich einem anderen mann “hingibt”, für den nächsten – in diesem fall den künstler – alle attraktivität verloren hat. mein kollege wolfgang n. gab, als er das las, zu bedenken, die fehlenden brüste könnten auch als zeichen für pressezensur interpretiert werden. wenn man das zitat unten, wo es auch um feuilleton-zensur geht, mit in betracht zieht, gäbe das dem bild einen völlig anderen charakter.
heute lesen wir die illustration als drastisches beispiel von mastektomie, also der entfernung der brüste aufgrund einer krebserkrankung. im bild unten wurden der frau die brüste nicht wegen einer krankheit entfernt, sondern aus religiösen gründen: die skopzen kamen im 18. jahrhundert aus dem russichen gouvernement orjol und verboten als christliche sekte den geschlechtsverkehr. um ihn nachhaltig zu verhindern, wurden die sektenmitglieder an den genitalien verstümmelt, wozu auch die weibliche brust gehörte. die letzten verstümmelungen dieser art passierten noch mitte des 20. jahrhunderts. die nachfolgesekten verzichten darauf, verbieten aber weiterhin den sex.
frau der skopzen-sekte mit aus religiösen gründen entfernten brüsten (< 1875, aus wiki commons)
das ganze textuelle umfeld des junggesellen ist frauenfeindlich. zum beispiel vergleicht ein autor die ehe mit dem damals noch jungen rundfunk. die frauen werden dabei zu den rundfunkempfangsähnlich störrischen zeitgenossen degradiert. das sehr holprig komponierte gedicht schließt mit den worten:
- „Darum –: schonende Behandlung
- Für die Frau und für den Funk!
- Daß sie trotz der Jahre Wandlung
- Beide bleiben frisch und jung.“
einen hybrid aus püppchen und nutte zimmert der unter dem kürzel „H. M.“ (vermutlich hans manninger) schreibende autor in seinem tipp, wie frauen auszusehen haben. titel der betrachtung: Reizlose Frauen. sie beginnt so:
- „Ein Weib mit vollendeten Tatsachen, aber ohne Pikanterie ist wie ein Feuilleton, dem der Zensor die nahrhaftesten Stellen gestrichen hat. Ein brüstiges Weib ohne einen Schuß Keßheit bleibt eine Nummer, wird aber nie eine Klasse für sich werden.“
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einige titelbilder von 1923