elli barczatis-prozess 1955 | ungekürzt im archivradio

barczatis_laurenz_collage

gerade informierte mich ralf kölbel, online-experte bei SWR 2, dass er damit fertig ist: soeben ging eins der aufregendsten und bemerkenswertesten originaltondokumente der letzten jahre online, und zwar in ungekürzter länge von mehreren stunden:

der strafprozess gegen elli barczatis und karl laurenz 1955 vor dem höchsten gericht der DDR. unkommentierter originalton. aus dem tonarchiv der stasiunterlagenbehörde BStU.

so etwas, finde ich, ist [eigene brust-klopf] öffentlich-rechtlicher rundfunk in reinform. das → archivradio ist so konzipiert, dass es als einziges medium in deutschland  ungekürzte originaltöne aus deutschen tonarchiven sendet, vor allem aus den rundfunkarchiven, und in einigen ausnahmefällen auch aus anderen quasi-öffentlich-rechtlichen oder staatlichen archiven. das archivradio (einfache webadress: archivradio.de) sendet nicht über UKW, sondern nur übers internet.

der spionageprozess gegen das liebespaar ist ein schauerliches beispiel von DDR-unrechtsjustiz. auch BRD-gerichte sprachen, vor allem mit ihren ex-nazi-richtern, noch bis in die 1970er jahre hinein reichlich unrecht, aber es gab keine todesstrafe.

der prozess-o-ton liegt mir schon länger vor; es gibt eine einstündige fassung als WDR-feature sowie ein hörbuch beim schweizer verlag christoph merian. die premiere heute besteht darin, dass der o-ton in kompletter länge von etwa fünf stunden läuft. er wird das noch einige tage tun, also wird man beim hineinhören immer andere passagen erwischen.

hintergrundinfos über den beginn des projekts und seine beteiligten finden sich → hier auf meiner homepage. auch hier im UHR-blog gibt es einige infos → hier und → hier.

eine sondersendung zu diesem stream sendet SWR 2 am 1. november 2014 um 15 uhr. → hier der link zu der sendung.

yoghurt ist gut für die gesundheit | 1906

nettes fundstück von 1906 in der mdizinisch-hygienischen umschau vom sommer 1906. damals festigten sich gerüchte aus dem balkan und orient, dass da ein getränk die leute richtig gesund hält. die ersten analysen, bevor joghurt dann tatsächlich die welt zu erobern begann, waren 1906 offenbar abgeschlossen. wenn man so will, war es das jahr der joghurt-wende. so schrieb ich es gerade in den artikel über → joghurt in die wikipedia.

1906 berichtete die Medizin-hygienische Umschau über die „auffällige Langlebigkeit“ der Joghurt-Konsumenten und analysierte das Getränk so:

„Die genaue wissenschaftliche Untersuchung des Yoghurt ergab, daß er das Produkt eines besonderen Gärungserregers eist, den man mit der Bezeichnung bulgarische Maya belegt hat. Er bringt die Milch nicht nur zum Gerinnen, sondern entwickelt im Gegensatz zur sauren Milchgärung unserer Landstriche sehr wenig Milchsäure, bewirkt dabei vielmehr eine Spaltung und Auflösung der Milchbestandteile, wie sie durch unseren Magensaft bei der Verdauung erzeugt wird. Der durch die bulgarische Maya aus der Milch erzeugte Yoghurt ist also eine Sauermilch besonderer Art, welche für die Verdauung vorbereitet ist, deshalb selbst vom schwächsten menschlichen Magen gut ertragen wird und in außerordentlich großen Mengen, ohne Beschwerden zu erzeugen, gegessen werden kann. Da ein Liter davon nur etwa 2 g Milchsäure enthält, während unsere einheimische Sauermilch deren 6 bis 8 g aufweist, reizen auch größere Mengen von ihr den Darm absolut nicht und wirken in keiner Weise abführend, wodurch sonst die vollständige Ausnutzung dieses Nahrungsmittels in Frage gestellt würde. Ohne die geringste Beschwerde sieht man Bulgaren und Türken 2 bis 3 Liter dieser gestockten Milch, die eine jede Haushaltung für sich bereitet, im Tage verzehren.“[10]

putzige kinderarbeit | ägyptisches kolonialidyll 1906

kosmos 1906 -mein stiefelputzer“das ist mein stiefelputzer”. aus: kosmos 1/1906, s. 25

in kosmos “wandern und reisen, handweiser für naturfreunde” von 1906 las ich einen artikel über das schöne leben in ägypten. der autor, dr. m. wilh. meyer, preist das stressfreie leben in kairo und auf dem land. er geht so weit, den gestressten zentraleuropäern mit ihren “nervenanfällen” nahezulegen, hier auszuspannen.

soweit würde das ins hier und heute passen, urlaub in marsa alam usw.

bemerkenswert ist aber, wie der autor den artikel schreibt, welche sicht er einnimmt, welche worte er wählt, wenn er zum beispiel über die einheimischen kinder spricht: bengel, bürschchen, kerlchen. er verklärt die kinderarbeit (“es sind kleine, flinke kerlchen von sechs bis acht jahren”, die ihm die stiefel putzen) als freizeitspaß: “zum leben brauchen sie [das geld] nicht. verhungern kann hier überhaupt kein mensch. sie können sich den ganzen tag unter eine schöne palme legen. […] ein paar datteln fallen ihnen von selbst fast in den mund.” warum sie dann schuhe putzen? um sich später, ab 14 jahren, den “höchsten genuß” zu leisten, nämlich eine frau oder einen harem. meyer verklärt dies so, dass er an der liebe in deutschland kein gutes haar lässt:

“sind diese verhältnisse nicht tausendmal gesünder als die unsrigen, wo unsere jungen männer das, was man heute noch die liebe nennen wagt, in der ekelhaftesten weise auf der straße kennen lernen und in die ehe wie in eine altersversorgungsanstalt gehen?”

die sicht auf ägypten ist, so freundlich sie ist, die von oben herab. bei der beschreibung eines handgreiflichen streits zweier araber wirkt es putzig auf ihn, wie der polizist sie ohne ein wort zu sagen, voneinander trennt. wie ein slapstick. die meisten dinge, die man ihm “anzudrehen” versucht, sind nutzlos für ihn, und entsprechend wertet er sie auch. eine brillenschlange, die nicht zubeißen kann, auf dem spieß gebratene spatzen usw. auch über den tierschutz macht sich meyer gedanken. in neapel, schreibt er, sie die “gräßlichste tierschinderei an der tagesordnung”, während die ägyptische regierung sich um hunde “in besonders liebevoller weise bekümmert”, indem sie ab und an fleischstücke auslegt, “mit strychnin gewürzt. nachher werden die hunde aufgelesen und zum – heizen von maschinen in den abwässerungsanlagen benützt.”

ja, wer ist nun dieser dr. m. wilh. meyer, der sich in klammern “urania-meyer” nennt? vor allem war meyer (1853–1910) ein astronom, kein unbedeutender. urania-meyer war seine firma. und → das ist der wikipedia-artikel über max wilhelm meyer (nicht von mir; von mir ist nur das textbeispiel).

sorry | so geht wikipedia nicht

Hand_29sharing als generationenkonflikt? grafik: nevit, wiki commons 2007

nach dem schreiben des wikipedia-artikels über die deutsch/britische kunstgaleristin → Erica Brausen ging ich auf die suche nach einem foto von frau brausen und stieß unter anderem auf die webseite einer kuratorin in london. ich schrieb sie an, begann meine mail damit, von kunst verstehe ich wenig, aber von geschichte einiges, und fragte, ob sie den besitzer der fotos von erica brausen auf ihrer webseite mal fragen könnte, ob er eins in die wiki commons, also den medienpool der wikipedia einpflegen könne; die artikel über erica brausen in der englischen, französischen und jetzt auch deutschen wikipedia hätten dann ein bild – was bei einem biografischen artikel stets wünschenswert ist.

die antwort der kunstexpertin war unerwartet harsch. sie schrieb zunächst, dass sie mails, die mit einem satz “von kunst verstehe ich wenig” beginnen, löscht. ich könne als von glück reden, dass sie’s nicht tat. dann schrieb sie, der besitzer der fotos sei erzürnt über die falschen fakten in den drei wikipedia-artikeln. sie, die kuratorin, teile diese kritik, und solange sich daran nichts ändere, sei an ein foto für die wikipedia gar nicht zu denken.

ich musste schlucken und mich sortieren und schrieb ihr sachlich zweierlei zurück:

  • wenn an den artikeln fakten falsch sind, soll sie sie bitte ändern, die wikipedia sei ein kollaboratives projekt, und zeigte ihr den weg, wie das geht. [darauf antwortete sie, dafür hätte sie keine zeit.]
  • zweitens sagte ich ihr, wenn ich frage, ob jemand ein foto in die wikipedia einspeisen möchte, ist das kein privates bittstellertum, sondern ich will damit die überlegung anstoßen, etwas zu teilen, nämlich ein foto, das in privatbesitz ist, allen (und natürlich kostenlos) zugänglich zu machen.

dieses denken des sharings ist dieser generation anscheinend so fremd, dass sie denkt, wenn einer etwas anfragt, will er es geschenkt für sich einsacken. sorry, gill, so geht wikipedia nicht.

gender sign | für männchen und weiblein

gestern schrieb ich eine mail an das sprecherbüro im deutschlandfunk, weil ich für eine aufnahme zwei haussprecher benötigte, einen mann und eine frau. statt nun “sprecherin und sprecher” zu bestellen, wollte ich es etwas eleganter und kürzer schreiben und ging auf die suche nach den tastatursymbolen für männchen und weiblein.

zunächst stieß ich, wer hätte das gedacht, bei google auf den wikipedia-artikel über diese beiden zeichen, er nennt sich → gender-symbol. dort fand ich zwar, was ich suchte, nämlich wie ich die symbole auf der tastatur erzeuge, aber bei der gelegenheit wäre es ja nicht uninteressant zu wissen, woher die symbole eigentlich kommen. also hielt mich die recherche eine zeitlang auf, jetzt steht die “Herkunft” in dem artikel kurz und knapp drin. ich verrate sie hier nicht, ich sage nur 4. jahrhundert, und vor allem 1751.

jedenfalls lassen sich die zeichen als so genannter unicode mit einem quasi geheimbefehl in textverarbeitungsprogrammen herstellen. man nehme dazu

  • microsoft WORD
  • tippe die zahl 2642
  • drücke nun zwei tasten: ALT und dazu das C
  • schwupp verschwindet die 2642, und das ♂ erscheint
  • repeat procedure with 2641 (ladies first)

um die geheimwissenschaft noch weiter zu treiben: ALT und auf dem numerischen tastenfeld 11 führt zum selben resultat: ALT-11 produziert ♂, ALT-12 ♀, ALT-13 übrigens ♪. kann man ja auch immer wieder mal brauchen. das ganze geht auch auf dem mac; dort muss man aber erst die unicode-einstellung aktivieren. → hier bei der apfelwiki (die nichts mit der wikipedia zu tun hat) ist es zum beispiel beschrieben.

weiterführende “literatur”: → der rechtspfeil und co.

public editor | ein beruf, den’s bei uns nicht gibt

public editors sorgen in der angelsächsischen presse dafür, dass die publikation gewisse ethische und journalistische grundsätze einhält und kommunziert das mit lesern. in zeiten zunehmender leserteilnahme über die kommentarfunktion unterhalb von online-artikeln wimmelt es von kritiken, die offenbar nicht alle blöd sind.

das lese ich in einer → jahresbilanz von margaret sullivan, public editor bei der new york times. sie hat viele informationen via leserkommentare, viele davon anonym, zugeschoben bekommen, die sich als wahr herausstellten und zu artikeln in der zeitung führten. auch dieses bindeglied (leser schreibt, redaktion wird aktiv) ist der public editor. margaret sullivan griff auch schon strömungen und stimmungen auf, die zu viel tieferen erkenntnissen für die zeitungsarbeit führen.

zum beispiel kristallisierte sich aus leserkommentaren eine unzufriedenheit mit der scheinbar ausgewogenen haltung mancher artikel heraus. die leser schienen ein gespür dafür zu haben, wenn diese ausgewogenheit vorgespielt war und forderten fakten und klare positionen. das kann man diskutieren, das hat die politische redaktion der zeitung auf anregung sullivans diskutiert, und sie stellt in ihrer jetzigen bilanz leichte verbesserungen fest.

sie brachte die diskussion über die scheinbare ausgewogenheit, den scheinbar neutralen standpunkt 2012 durch einen artikel in der public editor-sektion der zeitung ins rollen, den sie → He Said, She Said, and the Truth nannte. sie (eigentlich die leser) legt hier den finger in eine wunde, die natürlich auch im deutschen journalismus klafft. man hört das unter anderem dann, wenn berichterstatter von “informierten kreisen” sprechen oder “ich erfuhr ABER von bewohnern, dass…” sagen. bei RTL, BILD & co., wo das erfinden von fakten zum geschäftsmodell gehört, ist das “journalistische” standardmethode. im seriösen print und im öffentlich-rechtlichen rundfunk haben solche sätze nichts zu suchen. ein korrespondent, der im gaza-streifen stationiert ist, hat gefälligst nicht von “informierten kreisen” zu sprechen, sondern er soll sie beim namen nennen; meistens, unterstelle ich mal, ist er selbst der informierte kreis und traut sich der ausgewogenheit halber nicht, “ich” zu sagen.

in der englischen wikipedia gibt es einen kurzen artikel über den → public editor.

sünden der ordensbrüder | sakrale sexuelle ausbeutung

Illustrationsvorschlag: Priester und Kind

viele verfahren zum sexuellen missbrauch von schülern durch pädagogen finden zu spät statt. die täter sind oft schon tot, die strafprozesse enden, weil sich die “einrichtung” elegant herausstehlen möchte, häufig mit zahlungen an die opfer, ohne dass offiziell schuld eingestanden wurde. so auch jetzt in einem englischen prozess von 11 chronisch missbrauchten jungs in priesterseminaren des → comboni-ordens. ich habe in den wikipedia-artikel diesen düsteren teil der ordensgeschichte gerade hineingeschrieben. vorher war der artikel blütenweiß, als wäre nichts geschehen.

catherine deveny beschreibt in der → heutigen ausgabe des observer sehr ausführlich das scheitern fast aller damals in der einrichtung missbrauchten priesterschüler. selbstverständlich wurde keiner priester, keiner war in der lage, nach diesen demütigungen und grenzüberschreitungen in der kindheit ein berufliche oder privat solides leben zu führen.

vor allem aber beschreiben die kläger in dem artikel ungewöhnlich deutlich, wie der sexuelle praktiziert wurde. er setzte immer auf vertrauen und autorität. wenn ordensbruder john pinkman seinem schutzbefohlenen sagte, er soll die hose runterlassen, tat der das, weil er die autorität respektierte. was dann kam, wurde häufig mit religiösen motiven garniert/begründet. pinkman (leider 1984 jung verstorben) sagte seinem opfer, der herrgott lege wert auf saubere genitalien. bruder deomenico valmaggia (leider auch schon tot) kniete vor seinem opfer hin, blickte eindringlich mit seinen blauen augen hoch und betete beim masturbieren.

mark murray, einer der jetzt gering entschädigten schüler, war 14 jahre alt, als bruder romano nardo (heute schwer krank) sich ihm annäherte. der priester hatte eine charismatische ausstrahlung, erzählte von abenteuern in afrika, von jesus und dem dämon der sexualität. er bat mark eines abends, doch in sein bett zu kommen und zeigte ihm ein noch wundes, in die brust geschnittenes kreuz. durch den schmerz käme er jesus näher. der junge überlegte lange, ob er sich das nicht selbst antun solle, auch um nardo zu gefallen. nardo, der priester, erzählte dem 14jährgen murray, von der bedeutung des “atems des lebens”, und um diesen atem zu teilen, musste der junge ihn nun küssen. später spielte nardo jesus, der dem jungen die füße wusch. um die “reinheit” perfekt zu gestalten, musste murray die hose ausziehen. im nächsten schritt, vermutlich tage oder wochen später, drehte sich das ritual, und murray “reinigte” nun den priester.

leider kann ich aus rechtlichen gründen ein foto nicht zeigen, mit dem der artikel im observer aufmacht. es zeigt einige jungs in einer reihe, vor ihnen bruder pinkman, zwischen ihnen ein fußball. die grafik oben hat mit diesem fall nichts zu tun; ich sie schnell mal als symbolbild für dpa angefertigt, als vor einigen jahren die ersten kirchlichen missbrauchsfälle in deutschland öffentlich wurden.

murrays blog, der die sache in rollen brachte und jetzt quasi beendet ist, findet sich → hier.

cicero online | inhalt total unwichtig

bekanntlich kämpfen die traditionellen print-unternehmen ums überleben. das führt in vielen fällen (wie → diesem bei der zeitschrift focus etwa) zu erschreckenden eingriffen in die inhalte, wie hier zum beispiel bei der kulturzeitschrift cicero:

cicero_webseiten_problemefalsch verstandenes webdesign bei cicero

als ich → amelies kolumne lesen wollte, tat sich also eine baustelle auf, die ich nicht erwartet hatte. die webseite (screenshot oben) ist umgeben von einem roten rand. es handelt sich dabei um eine voll gesättigte, rein rote farbe (code ff0000). diese farbe ist, wie auch das reine gelb oder grün, im webdesign tabu. sie tut dem auge weh.

oben links machen sich farb-inkonsistenzen bemerkbar: die farbe des cicero schriftzugs, des webseiten-rands und der sparkassen-werbung passen nicht zusammen. früher hätte man gesagt, sie beißen sich. unten in der testabo-werbung, sind zwei weitere rot-typen zu sehen. ich würde einem webdesigner, der das verantwortet sagen, gehe zurück auf los, ziehe keine 200 € ein.

der rechte rand der webseite zeigt zahlreiche in schneller folge wechselnde schwarzweißfotos. ich weiß nicht, was die mir sagen wollen, ich weiß nicht, ob sie redaktionell eingesetzt wurden oder teil der sparkassen-werbung sind. wenn man mit dem mauszeiger über diese leiste fährt (ohne zu klicken), verbreitert sie sich richtung bildmitte. um diese weitere störung beim betrachten der webseite zu umgehen, muss man mit der maus umwege machen, also zum beispiel von oben rechts vertikal nach unten, dann einen weiten bogen nach links und wieder hoch zum text fahren. webseiten, die dem besucher solche widerspenstigkeiten aufnötigen, gelten als schwer defizitär.

die bildmitte, die eigentlich für den inhalt frei sein sollte, ist mit einer langen kolonne untereinander positionierten werbungen bestückt, vorwiegend eigenwerbung.

interessanter nebeneffekt, der viele zeitungsauftritte online betrifft: werbung wird heutzutage negativ konnotiert, das inhaltsverzeichnis aber positiv. wie unterschiedet sich das eine vom anderen? hier jedenfalls unterscheidet es sich nicht: das inhaltsverzeichnis tarnt sich als eigenwerbung. das nennt man: der schuss geht nach hinten los.

im screenshot oben sieht man in der unteren bildmitte schmal das wort “Anzeige”. etwas nach unten gescrollt, sieht diese zwischen die eigenwerbung platzierte fremdwerbung so aus:

cicero_webseiten_probleme_werbung werbung im mittleren bildbereich, originalgröße, rechte maustaste: adspirit.de

wofür auch immer diese anzeige wirbt (ein buch, ein hörbuch, ein video, eine webseite?), die rechte maustaste verrät es nicht, sondern sie verrät: “Powered by AdSpirit.de Version 12.1”, und sie ist mit adobe flash programmiert, einer veralteten, auf iOS-geräten längst nicht mehr sichtbaren technologie für bewegtbild. adspirit ist eine in berlin beheimatete firma, die nichts böses macht, aber für alle lästig ist, weil sie nämlich gegen geld die auslieferung von werbung auf den seiten der kunden (hier: cicero) misst und verwaltet.

diese “messung und verwaltung” ist ein kapital der entfremdung. es erzeugt eine binnenwährung, die zum dem werbekunden (hier: weltkrieg wasauchimmer) vorrechnet: bei cicero kostet die werbung so und so viel. je mehr besucher hierher kommen, da oder dort klicken, so viele sekunden verweilen und dann wohin gehen, desto teurer. sollen verlag und adspirit das doch bitte hinter den kulissen verhandeln; ich als besucher der seite möchte all das nicht sehen.

adspirit gehört zur online-werbebranche (ich nenne sie gern “google-sklaven”), präsentiert sich aber auf seiner eigenen webseite mit einem etwas platteren als dem in der werbebranche üblichen blaba. der text klingt eher nach staubsaugervertreter von 1959, mit vokabluar von 2009 (also nicht uninteressant für eine kulturzeitschrift):

… ist ein AdServing-System, ein professioneller Adserver … flexibel … ermöglicht sehr effizientes AdManagement … speziell für die Bedürfnisse von Publishern & Verlagen, Onlinevermarktern & Networks sowie Advertisern & Agenturen konzipiert … Platzierung von Onlinewerbung. Kampagnen … einfach gebucht, automatisch ausgeliefert und vom System optimiert werden … alle modernen Werbemittelformate nutzen, völlig egal, ob es sich um Banner (GIF, JPG, Flash), HTML-Werbemittel (inklusive IFrames, Fremdscripts), Popup/Popunder, Layer, Video-Ads oder diverse Sonderwerbeformen handelt … Displayadvertising, Mobile, Video, SEM, Newsletter oder Affiliate – sämtliche Arten von Kampagnen …

wenig später, als hätte mein browser meine gedanken gelesen, sah ich anstelle der weltkriegs-werbung das:

flash-has-crashedflash abgestürzt, werbung nicht mehr zu sehen

nur 3% der seite sind der text, um den es geht.

die rechte maustaste (die ja leider auf iPads & co. nicht geht) ist ein privileg des PCs. bei den meisten browsern kann man über die rechte maustaste einzelne “elemente untersuchen” oder sich den “quelltext der seite” anzeigen lassen. letzterer ist erstaunlich lang für eine seite, die eigentlich nur ein paar zeilen feuilletontext featuren soll, nämlich die kolumne von amelie: 1336 zeilen! diese 1336 Zeilen quellcode enthalten die html-befehle für die seite, also was die seite zeigt und wie sie auf maus- und klicktätigkeiten des besuchers reagiert. vieles davon ist selbstreferenziell: so kommt allein der begriff des “rasens” aus amelies text 39 mal vor, meist in form von links. der werbepusher adspirit treibt sich querbeet im quellcode herum. und wenn ich die Anschläge zusammenrechne: von den insgesamt 70.000 zeichen im quellcode nimmt amelies eigentlicher text nur 2.100 zeichen ein. das sind 3%.

cicero_quelltextder quellcode der webseite enthält 30.000 zeichen. hier markiert der reine text von amelie (2.100 zeichen, 3%)

warum der quellcode abfragt, wohin der besucher geht, was er während des seitenbesuchs herunterlädt etc. ist auch interessant. angeblich dient das der statistik-krake von google, googleanalytics, zu untersuchen, ob der anwender bösartige dateien herunterlädt oder zum beispiel einem torrent-link (tauschbörse) folgt.

unterm strich: amelies text, wegen dem ich auf die seite kam, nimmt in dieser ansicht etwa 10% der webseite ein. selbst wenn man sich nicht weiter von den fehlfarben und dem flash-gezapple stören lässt, blockiert einem der untere balken (eigenwerbung für ein test-abo, rundes signet in rot) für immer die sicht; er verschwindet, fett und breit wie er ist, beim scrollen nach unten nicht.

heute lese ich nicht weiter, sorry cicero.


ps. wer sich das antun will, → hier ist der link zu der oben besprochenen webseite

brettspiele | wdr 5 minihörspiel

brettspiele

anlässlich der eröffnung der internationalen spielemesse in essen morgen handelt das dramolett heute abend in WDR 5 politikum von brettspielen. hier die langfassung (gesendet wurde sie eine minute kürzer):

 
dramolett “brettspiele” vom 15. oktober 2014

es sprechen, tanja haller und dimitri tellis, außerdem, leicht erkältet auf dem sofa liegend, ich. tanja und dimitri hatte ich vergessen zu fotografieren, aber als ich ne viertelstunde nach ende der aufnahmen aus dem WDR funkhaus am wallrafplatz kam, plauschten sie noch immer miteinander.

tanja haller und dimitri tellis vor dem funkhaus. foto: m. s.

buchmesse frankfurt |self- & ePublishing

presseausweisBuchmesse2014

ich fuhr für den deutschlandfunk zur buchmesse nach frankfurt. ich habe in den letzten ca. 15 jahren das boomen und sterben der lern- und sprach-CD-ROMs, die fehlgeschlagenen startversuche des eBooks, die stets zögerliche haltung des börsenvereins des dt. buchhandels mitbekommen. diesmal waren die digitalen dinge schön in zwei bereiche aufgeteilt: digitale innovationen kleinerer art in halle 8, selfPublishing in halle 3.1 – wer sich diesen absurd weiten weg ausgedacht hat…? immerhin gab es eine durchaus brauchbare app zur buchmesse, genannt #FBM14.

podiumBuchmesse2014selfPublishingpodiumsdiskussion übers selfPublishing in halle 3.1. foto: m. s.

in halle 3.1 ging es auf dem podium rege zu. bei der diskussionsrunde zum thema “discoverability – wie wird mein buch gefunden” (foto oben) drehte sich über lange strecken vieles um metadaten, also um mit dem selbstverlegten buch hinterlegte stichwörter wie krimi, spannung, dokumentation, darmstadt etc. in einem anderen, etwas dünnen vortrag sprach ein mitarbeiter von BOD (books on demand, berlin) über die gestaltung des covers – laut steffen meier (oben im bild mitte) in meiner → sendung über die zukunft des publizierens im SWR letzte woche ist das cover ein großes problem bei autoren, denn die schreiben zwar gut und gern, aber sie machen sich häufig keine vorstellung, wie das buch gedruckt oder als eBook tatsächlich aussehen könnte.

in halle 8 gab es einen bereich für kurzreferate zum ePublishing, wobei die programmierung, die umsetzung eines eBooks in verschiedene sprachen, vor allem aber ePub 3 eine zentrale rolle spielten. ePub ist ein weltweiter standard für elektronische vertriebene bücher. der deutsche wikipedia-artikel sagt wenig über die umstrittene version 3 des standards, deswegen empfehle ich in diesem fall → die englische wikipedia.

mein beitrag im DLF findet sich zum nachlesen und nachhören → hier. eine längere, nur für diesen blog angefertigte fassung ist die hier unten:


bericht über digitale trends auf der buchmesse frankfurt 2014

bitcoins | [nun doch nicht] älter als bekannt

bitcoin-logoangeblich seit 2009. in der new york times aber schon 2006!

bitcoins wurden angeblich 2009 von einem unter pseudoym auftretenden menschen in die welt gesetzt. so steht es überall, so steht es auch in der → englischen und deutschen wikipedia. ich stieß jetzt in der new york times vom februar 2006 auf bitcoins, nämlich in dieser form:

KLA-Tencor Buys ADE for $488 Million
Winner of Bitcoin Auction, Tim Draper, Plans to Expand Currency’s Use … Winner of Bitcoin Auction, Tim Draper, Plans to Expand Currency’s …
February 24, 2006 – By DEALBOOK – Business Day
Enel Prepares Financing for Suez Bid
Venture Capital · Winner of Bitcoin Auction, Tim Draper, Plans to Expand Currency’s Use … Single Winner of All Bitcoins in U.S. Auction …
March 07, 2006 – By WRITER – Business Day

ich stellte jetzt in den wikipedien → die frage, ob wir die geschichte der bitcoins umschreiben müssen und was diese stets von einem tim draper genutzten bitcoins genau waren?


 

update, einen tag später: der fehler lag bei der new york times. ich bekam zwei mails, die beide nicht auf die frage eingingen, und zwar nicht vom archiv, an das ich meine frage geschickt hatte, sondern vom help-desk, wo ich u. a. aufgefordert wurde, mir doch bitte ein NYT-account zuzulegen (ich hab’ eins seit über 10 jahren). als ich darauf bestand, mir vom archiv aus zu antworten, kam innerhalb von wenigen minuten diese nachricht:

  • Thank you for writing to NYTimes.com. This is a known error and we are currently working on a solution to get it fixed. The reason you are seeing “Bitcoin” in these 2006 articles is that it is picking up links to other most emailed or recommended articles on those pages. I appreciate your patience while this is resolved. I apologize for the inconvenience.

also ein software-fehler, der quasi einen blind-text in die abstracts hineinwirft. wenn man den abstracts folgt, ist nämlich von bitcoin nicht mehr die rede.

grace lee boggs | liegt im sterben

Grace_Lee_Boggs_2012grace lee boggs vor zwei jahren. foto: kyle mcDonald, creative commons

die us-amerikanische bürgerrechtlerin und kommunistin → grace lee boggs liegt im sterben. sie hat zusammen mit ihrem mann bereits in den 1940er jahren klassenkampf betrieben. die beiden waren aktiv in der damals boomenden automobilindustrie von detroit und setzten sich für die gleichberechtigung von schwarzen und gegen die ausbeutung durch das industriekapital ein. seit 1992 organisierte grace lee boggs den → detroit summer, ein festival zur neuordnung der sozialstrukturen einer sterbenden stadt.

ich kenne grace lee boggs nur aus sendungen von democracynow.org. im wikipedia-artikel steht unten ein link mit einem sehr feinen interview mit grace lee boggs. der aktuelle beitrag über sie ist → hier zu finden.

übrigens (auch das schrieb ich gerade in den wikipedia-artikel rein) ist grace lee boggs die tochter eines chinesischen einwanderers, der am times square in manhattan ein restaurant unterhielt.

paradiesisch grenzenlose welt | minihörspiel WDR 5

elaPaul_studio_WDRela paul im studio. foto: m. s.

eins meiner lieblingsszenarien politischer art ist die erde ohne grenzen, mit ordentlich verurteilten machtmissbrauchern, also praktisch allen politikern und finanzhelden, bis auf die, die trotz der ankunft in den zentren der macht ihre integrität wahrten. ein sehr idealistisches bild, und gerade deswegen gut für ein dreiminütiges minihörspiel (“dramolett”), wie es heute in → WDR 5 politikum lief.

das setting ist wie → schoneinige male zuvor ein junges paar, das sich die welt mit mehr oder weniger naivem blick ansieht, wobei er (paul, gespielt von hüseyn cirpici) immer unschuldiger und ängstlicher an alles herangeht als die zupackende leni (ela paul)


dramolett “grenzenloses paradies” vom 8. oktober 2014

auch hier zwei outtakes. hier singen wir zu dritt im studio, völlig ohne vorgabe, ich fange an, ela und hüseyn stimmen ein. ich hatte diesen take als hintergrundmusik für die leichte urlaubsstimmung geplant, mich aber dann dagegen entschieden, weil sie zu sehr ablenkt. hier also, nicht perfekt, aber mit herrlichen stellen, wir drei im studio, acapella:


outtake 1: improvisierter urlaubs-swing

in der folgenden passage geht es um die aussprache des worts “geil” und einen tippfehler in meinem manuskript. im manuskript stand an einer stelle “passt”, es sollte aber heißen “psst”. (ein fehler der WORD-rechtschreibprüfung)


outtake 2: textarbeit im studio

übrigens endet das dramolett mit fünf sekunden bayerischem landler. hier fand ich ein wunderbar aufgenommenes stück bei youtube, abgespeichert unter den lizenzbedingungen CC mit namensnennung. walter j. pilsak hat den → “jan landler” für seinen enkel komponiert und eingespielt. vielen dank!

vermischtes in der | britischen klatschpresse

mirror-top

auf diese klatschbaren nachrichten-höhen schafft es die deutsche boulevardpresse nicht, und auch nicht die rubrik “vermischtes” (oder: “panorama”) der ein oder anderen seriöseren tageszeitungen: der → MIRROR berichtet von einem drogenabhängigen mann, der ins haus einer frau in wales eindrang, die gerade bei ihren eltern wohnte. er klaute das ein oder andere, lebte ein paar tage da, und als die frau zurückkehrte, versteckte er sich mehr schlecht als recht zwischen bett und wand. er wollte nicht auftauchen, also rief sie die polizei, und die sah dann, dass er den BH der frau, ihre bluse, ihre unterhose und ihre strumpfhose trug. weil der mirror uns nie ohne pointe entlässt, notiert er: das gericht akzeptierte die einlassung des angeklagten nicht, es sei ihm kalt gewesen, und er habe sich was anziehen müssen. (18 monate haft)

nicht weniger großartig sind geschichten, wo man nicht mehr als den titel lesen muss: ein rentner züchtete cannabis, um geld für seine beerdigung zurückzulegen (freispruch). ein 48 jähriger spielte mit einem improvisierten blaulicht auf seinem PKW polizei, winkte autofahrer heraus, leider auch einen polizisten im zivilfahrzeug. moment: das muss ich genauer lesen. wie hat der delinquent wohl reagiert, als er einen uniformierten im auto sitzen sah? er sprach ihn mit dem satz an: “wenn Sie noch schneller gefahren wären, hätte ich Ihnen ein knöllchen verpasst!” zu hause fand die polizei reichliche polizei-paraphernalien wie handschellen und uniformen, die meisten hatte der täter über ebay ersteigert.

vor gericht steht zurzeit, wie der mirror nicht ohne großen genuss in einem langen artikel schreibt, der ehemalige DJ ray teret des englischen piratensenders radio caroline. der anklage zufolge hatte teret bei der vergewaltigung mehrer mädchen in den 1960er jahren folgende strategie: er führte die mädchen seinem bekannten moderator → jimmy savile zu, der nach kurzem komplimente-machen über die “schönen haare” die girls flachlegte. wenn savile fertig war, kam teret dran. er dementiert, wie die zwei weiteren angeklagten, alles.

übrigens: sehen wir uns kurz den kopf der webseite des mirror an und fragen uns, wo hier inhalt vorkommt? worauf muss ich klicken, um “content” zu lesen? vielleicht auf technology, mehr aber bleibt nicht. offers, fantasy football, bingo, dating, competitions, horoscopes, cartoons, crosswords, cookie policy, most read, live feeds, top videos, news/trending, football, celebs, tv & film, weird news, sport, technology, money, travel, motoring.

sex doesn’t sell | guardian

guardian-kollegin amelia gentleman beschreibt in der ausgabe vom vergangenen sonntag ihre → erfahrungen und erlebnisse auf der jahreskonferenz der europäischen pornoindustrie, genannt Xbiz EU 2014. offenbar war es eine dem genre entsprechende schäbige, peinliche und deprimierende veranstaltung in einem londoner hotel.

paar bemerkenswerte fakten daraus (und aus den kommentaren):

  • die meisten konferenzteilnehmer waren männer und väter, denen es peinlich wäre, wenn ihre kinder mitbekämen, was ihre papas da treiben, und die um jeden preis vermeiden wollen, dass die kinder ihre oder anderer pornofilme sehen. (“i hate the idea of my seven-year-old daugther seeing something that is not appropriate.”)
  • einer sagte der autorin allen ernstes, er mache sich bei seinem kind mehr sorgen wegen der sexuell aufgeladenen musikvideos von beyoncé & co. die seien heftiger als seine pornovideos.
  • einige betreiber haben sehr mit einsprüchen von frauen zu kämpfen, die in filmen vorkamen, jetzt aber gelöscht werden wollen, zum beispiel weil ihr neuer freund sich sonst von ihnen trennt. die videos lassen sich nicht löschen, weil sie sich quer über die kostenlosen portale und tauschbörsen verbreiten.
  • im unterschied zu anderen videoportalen haben pornoportale ein ganz bestimmtes zeitraster: der besucher der seite guckt in diesen und jenen film rein, und wenn er endlich einen gefunden hat, der ihm zusagt, ist das der letzte. vorerst.
  • sex mit virtuellen partnern, einst der große zukunftshype, scheint nicht das next big thing zu werden, meinte ein redner der veranstaltung.
  • ach ja, fast vergessen: die industrie ist am ende. 90% geschäftseinbruch in den letzten sieben jahren. grund: der kostenlose pornofilm. plus: regulierungen in GB, die bei via UK verbreiteten sexportalen einen altersnachweis fordern. der kostet die betreiber £1.50 pro besuch! und wenn wir schon bei preisen sind: die typische tschechische sexdarstellerin sitzt/liegt bei einer filmsession normalerweise vier stunden und bekommt dafür 400 €.

ende der zeitschrift | anfang der zeitschrift

heutemorgen lief auf SWR 2 mein sondersendung darüber, → wo es mit der mediennutzung derzeit hingeht. ich hatte der redaktion “wissen” im SWR das thema anlässlich der morgen beginnenden buchmesse angeboten, also mit schwerpunkt auf die umwälzungen im print-bereich. glaube, die sendung ist ein guter vorbereiter zur buchmesse. was da mit den buchstaben passiert, ist schon schwindelerregend.

danielHöpfner_pressmatrixdaniel höpfner: “die verlage haben übersehen: nicht das gedruckte papier kostet geld, sondern der inhalt.” foto: m. s./dpa

meine startbedingungen für die recherche waren ideal, weil ich schon vorher, wenn auch nur über telefon, einige fachleute interviewte, die beim direkten treffen umso direkter sprachen. solche interviews sind highlights im journalistenalltag, und ich freue mich, ihre kerne in diese sendung habe packen zu können. nur der bei der new york times für die “timesmachine” zuständige mensch blieb dünn, weil er bei der fast halbstündigen gesprächsaufzeichnung praktisch nichts außer marketing-platitüden von sich gab. er ist in der sendung nur kurz zu hören. reichlich dagegen steffen meier vom börsenverein des deutschen buchhandels und programmierer bei readbox in dortmund. und, bild oben, daniel höpfner, mitgründer von pressmatrix in berlin. und die beiden schwestern neubauer, die das sister mag “für die digitale dame” herausgeben, ein zweimonatlich rein digital erscheinendes, ja, buch, denn mit 300 seiten kann man wohl kaum mehr von zeitschrift sprechen. aber schon in dieser argumentation merkt man: im digitalen fließt alles.

theresaUndAntoniaNeubauer_sisterMagtheresa und antonia neubauer, sister mag: “es gibt leider neben uns keine unabhängigen modezeitschriften.” foto: m. s./dpa

ein nicht unwichtiger aspekt der sendung ist das self publishing. ich habe dazu ein experiment gemacht und diesen blog in ein buch drucken lassen, einfach um zu sehen, ob es wirklich so locker geht, wie die self-publisher und book-on-demand-druckereien es versprechen. → es war nicht trivial.

uhr_buch_ausgepacktself publishing book on demand in miniauflage, frisch ausgepackt. foto: m. s./dpa

steffen meier sagt in der sendung:

“Die Marke wird im digitalen Überfluss immer wichtiger als Orientierungsmerkmal. Und hier wird es natürlich zu dem Punkt kommen, wenn Autoren selber publizieren, dass sie selber immer mehr zur Marke werden. Ich kaufe ja in der Regel immer den Bestseller-Autor XYZ und nicht ein Buch des Verlages soundso. Wie werden sich Verlagsmarken entwickeln? Das wird in den nächsten Jahren spannend sein.”

steffenMeier_buchmesse2014steffen meier, am podium der buchmesse, eine woche nach der sendung. foto: m. s.

hier ein ungeschnittener ausschnitt aus unserem interview:


steffen meier über die rolle des verlags beim e- und selfpublishing

viel spaß beim hören, und auf der buchmesse!

paerls statt pearls | böser word-anhang

cisco_paerl_sec2analyse eines phishing-angriffs für ein microsoft word dokument (quelle: cisco, craig williams)

microsoft word ist seit vielen jahren nicht mehr in den schlagzeilen in sachen viren. als microsoft für WORD → makros einführte, also möglichkeiten, bestimmte tätigkeiten zu automatisieren, zeigte sich schnell, dass vermeintlich liebe makros auch böses tun können. das thema ist so weit vergessen, dass heutzutage bewusste email-leser zwar pdf- oder exe-anhänge nicht öffnen, einen word-text vielleicht aber schon.

der größte netzwerkelektronikhersteller der welt, cisco, hat ein großes interesse, solche angriffe von seinen lieben, zahlenden kunden in den banken, versicherungen und telekoms fernzuhalten und analysierte jetzt einen solchen microsoft word makro-virus. er funktioniert so, dass der empfänger eine mail erhält, dem ein doc angehängt ist. öffnet er diese textdatei, sieht er nur einen hinweis, er soll bitte die makro-ausführung erlauben, denn sonst könne der text nicht angezeigt werden. spätestens hier sollten die alarmglocken läuten. erlaubt man dem dokument die ausführung seines makros, ruft diese programmierroutine den besuch eines öffentlichen dropbox-links auf, wo eine exe-datei liegt. diese datei wird dann ohne weiteres zutun des anwenders ausgeführt. sie enthält den eigentlichen schadcode und tut dann das, was der herr ihr befiehlt. im IT-jargon: das programm nimmt kontakt mit dem “bösen” server auf und empfängt dann befehle, was zu tun ist. im einfachsten fall werden passwörter abgegriffen, im komplexeren fall nimmt die datei an einem konzertieren angriff auf bestimmte webseiten teil (DNS-angriff).

das angriffsszenario spielt mit einem tippfehler: statt pearls.co.uk steht hier paerls.co.uk als eine webadresse.

ich poste das hier, weil ich a) vor den WORD-anhängen unbekannter absender warnen und b) zeigen möchte, wie eine analyse solch eines infektionswegs vor sich geht. sehr detailliert. → hier im cisco blog nachzulesen. nach langem suchen nach querverbindungen kommt am schluss ganz nebenbei bei einer entschlüsselung das hier raus (es ist für den fall völlig irrelavant, aber für die welt der black hat hacker typisch):

thisshitismoresafethanpentagonfuckyoufedsbecausethisisaf.com/image.php

einen tag, nachdem ich das schrieb, bekam ich selbst mal wieder einen doc-anhang von unbekannt. der spam-filter meines mail-providers griff in diesem fall direkt zu und stellte die email in den ordner mit spam-verdacht.

vorsicht_doc-dateiinhalt des spams mit angehängtem virus: hinweis auf DOC-datei und falsche umlaute. alles verdächtig.

auffällig war, dass das adressaten-feld leer war. da müsste ja eigentlich meine mailadresse stehen. von spammer-seite her gut gewählt war der titel der mail:

ELSTER Finanzamt 2014. Ident 1660346.

und der anhang war natürlich so verdächtig, dass man keinen zweiten gedanken auf ihn verschwenden musste: eine nur 26,3 kB große zip-datei mit dem namen

order_68.zip

in diesem zip-archiv steckt das besagte word-dokument drin, ziemlich sicher (ich will gar nicht soweit nachsehen) mit einem bösen makro.

the azores | a few infos

azorenthe azores, a tiny group of islands in the atlantic ocean. illustration: m. s., type font: g. w.

this is a rough translation of my short azores blog (in german language); it was read and appreciated by so many readers that it might be interesting to make it accessable to english readers.

i just came back from my second visit to the azores and would like to put this group of islands in the middle of the atlantic ocean a little bit more into focus. and: the people there deserve more attention. the azores are located ca. 3,000 km west of central europe. drawing a straight line from lisbon to philadelphia, you reach the azores after a bout 1/3 of the trip. the flights between lisbon and the azores are subsidized and cheap. we flew from frankfurt (with SATA) and düsseldorf (with airberlin) nonstop within 4 hours to the main island of sao miguel. i’ve heard that easyjet is intending to fly there. the prices are in the realm of prices for flights to the canary islands.

other than the canaries the azores are green, green, green, all year through. like the canaries the azores have lots of ex-vulcano craters. other than on the canaries the water is abundant. like the canaries the azores are very hilly.

the azores are known as the weather kitchen for central europe. and indeed we sometimes, after flying back, found that the azorean weather reached us about three days later. the clouds on the azores are spectacle, always. the dolphins which you see with your naked eye, hundreds and hundreds, too. the roads are in good condition, whereas the tourism is still in a starting state. the azores have an extraordinary variety of public and private botanical gardens, called jardins. most were originally planted by english biologists in the 19th century. here you find all kinds of plants, and the azorean people keep everything neat and tidy. even the roadsides are planted, many with hydrangea.

farming is so omnipresent that the soil is over-fertilized – which does no good to the ground water. we bought the commonly used 6 liter water bottles in supermarkets. excellent tasty water for very little money. the bottled water is especially good for tea, and, believe it or not: → they do grow tea here (green and black)! the orange pekoe from sao miguel island used to be very popular in england. the tea plants in the north of the island are up to 100 years old.

azorenSchnellstraße-mit-wolkenexcellent street, not much traffic and overwhelming clouds over sao miguel island. photo: d. r.

due to the gulf stream the climate is mild. during the late summer weeks of our two stays we had moderate temperatures around 22° C. but in the sun it can easily go up to 30°. the nights in september were mild with around 18°. we sometimes encountered mosquitos, but not this summer. also, wind is said to be typical for the azores. we had mighty and up on the hills sometimes brisk winds a year before, but hardly any wind this time. the water temperature in summer until autumn is moderate as well, i experienced 21° C this time. there are lots of lagunas and beaches with clear water, wonderful to swim and, from what we’ve heard, to dive. we saw lots of portuguese men of war, a certain type of jellyfish in the water or on the beach on some days. when they are big enough their tentacles do burn. it’s good to do some snorkeling before swimming blindly. according to locals, the sharks or barracudas avoid the coasts; no injuries reported.

the islands would not be that green, flowery and fertile if it didn’t rain from time to time. rain is always possible, but we encountered no periods of rain longer than half a day or so. most portuguese people, even in the center town ponta delagada, don’t use umbrellas when it drizzles. my brother, however, experienced a whole week of rain in spring. you see clouds hovering above or in the mountains all the time. so if you’re getting hot at the south coast, just drive up 10 minutes to 1,000 meters and you’ll encounter quite a different climate. i love driving through the azorean fog – and out of the fog downhill, into the sun.

i haven’t visited the other azorean islands. they are so far apart from each other that you better fly there. the tourist council has to do something about the pricing, maybe subsidizing certain routes on certain days. the island of pico is famous for its excellent wines, red and white. the fish in the restaurants are fresh. portuguese cooking is simple and excellent for fish. it comes grilled, with potatoes and salad. i had delicious barracuda, tuna, bluefish and sepia. you need to know the restaurants who do a good job here. the others don’t want to rip you off, they are just not that experienced to keep the fish juicy and delicious. often one meal serves two, and the prices for basically everything (but the gasoline) are so low that you can eat fish every day. we have three favourite restaurants where a standard meal with fish and wine never exceeded 30 € for two.

tourism is still “under development”. in cafés it sometimes takes ages until the waiter comes to your table. it’s better to come to them. the reason is not rudeness, just a lack of experience with what we in central europa consider as good service.

lagoa-do-fogolagoa do fogo. steep walk down. 100 m. photo: m. s.

the mobile phone network on the main island (and probably on the others) is okay. many cafés and houses do have wifi. the mobile phone providers sell SIM-cards for iPad, android & co without asking for your ID or credit card. example: prepaid 9.99 € with MEA. that includes SIM-card, automatic authorisation and 10 hours mobile internet. i never saw “LTE” on my display, but the 3G network and even E is decently fast. many places on the island, however, have no mobile access at all. when you’ve used up your 10 hours (we used only half within two weeks) you pay another 9.99 to get another set of 10 hours. and when you fly back, just take the SIM card out. no obligations.

before my first visit i was concerned about the island being maybe to small for me and the main town, ponta delgada, a mere village. both was not the case, and now i still find roads and views i haven’t seen before. since the light and the clouds change all the time, the same spots look different all the time anyway. sao miguel island is about 60 km long and only 6 km wide at its slim center.

well, there are lots of things like the market in downtown ponta delgada with the fresh fish, ananas, sweet potatoes, fresh coriander… and don’t forget to read isabel albergaria’s wonderful book about the gardens of the azores.

PARQUES_JARDINS_acores

südpol | reich bewaldet

falschfarben_antarktissüdpol, bewaldet

der medienpool der wikipedia nennt sich wiki commons. dort ist heute, von den usern gewählt, eine orthogonale projektion einer nasa-satellitenaufnahme von 2006 zu sehen, die die antarktis zeigt. ich habe das wunderschöne bild hergenommen und mit falschfarben bestückt. es ist sozusagen ein remix des ursprünglichen bilds, und ich habe es der community, der ich es entnommen habe, → hier zurückgegeben.