elli barczatis-prozess 1955 | ungekürzt im archivradio

barczatis_laurenz_collage

gerade informierte mich ralf kölbel, online-experte bei SWR 2, dass er damit fertig ist: soeben ging eins der aufregendsten und bemerkenswertesten originaltondokumente der letzten jahre online, und zwar in ungekürzter länge von mehreren stunden:

der strafprozess gegen elli barczatis und karl laurenz 1955 vor dem höchsten gericht der DDR. unkommentierter originalton. aus dem tonarchiv der stasiunterlagenbehörde BStU.

so etwas, finde ich, ist [eigene brust-klopf] öffentlich-rechtlicher rundfunk in reinform. das → archivradio ist so konzipiert, dass es als einziges medium in deutschland  ungekürzte originaltöne aus deutschen tonarchiven sendet, vor allem aus den rundfunkarchiven, und in einigen ausnahmefällen auch aus anderen quasi-öffentlich-rechtlichen oder staatlichen archiven. das archivradio (einfache webadress: archivradio.de) sendet nicht über UKW, sondern nur übers internet.

der spionageprozess gegen das liebespaar ist ein schauerliches beispiel von DDR-unrechtsjustiz. auch BRD-gerichte sprachen, vor allem mit ihren ex-nazi-richtern, noch bis in die 1970er jahre hinein reichlich unrecht, aber es gab keine todesstrafe.

der prozess-o-ton liegt mir schon länger vor; es gibt eine einstündige fassung als WDR-feature sowie ein hörbuch beim schweizer verlag christoph merian. die premiere heute besteht darin, dass der o-ton in kompletter länge von etwa fünf stunden läuft. er wird das noch einige tage tun, also wird man beim hineinhören immer andere passagen erwischen.

hintergrundinfos über den beginn des projekts und seine beteiligten finden sich → hier auf meiner homepage. auch hier im UHR-blog gibt es einige infos → hier und → hier.

eine sondersendung zu diesem stream sendet SWR 2 am 1. november 2014 um 15 uhr. → hier der link zu der sendung.

ddr-geschichte | rechtsradikalismus ab 1983

manche wikipedia-artikel sind so rund und tief und gut, dass ich mich nur ungern einmische. aber als ich im NSU-untersuchungsausschuss-bericht des thüringischen landtags las, wunderte ich mich, dass das thema rechtsextremismus im wikipedia-artikel über die geschichte der DDR nicht vorkam. jetzt ist es drin, mal gucken, ob es bleibt, denn der artikel ist, sagen wir mal “empfindlich”. nicht wegen der kritik am rechtsradikalismus, sondern weil er (der artikel) eben so schön rund und tief und eigentlich fertig wirkt.

die DDR-führung hat vieles verpennt. schon im beginn der DDR lag das verhängnis: wir sind sozialisten, also kann es keine faschisten geben. daraus wurde wenig später (teilweise zurecht): die faschisten blühen im westen, bei uns hat der faschismus keinen platz. nach 35 jahren DDR dachten sich die mielkes und honeckers, in unserem sozialismus kann es keine faschos geben, und das was wir da sehen, ist eine zeiterscheinung, die vorübergeht, überwachen und verurteilen wir mal lieber die milden täter à la biermann mit den längeren haaren.

im hier nachzulesenden 2000 seiten dicken bericht des untersuchungsausschusses wird kein gutes haar am umgang der DDR mit ihren rechtsradikalen gelassen.