public editor | ein beruf, den’s bei uns nicht gibt

public editors sorgen in der angelsächsischen presse dafür, dass die publikation gewisse ethische und journalistische grundsätze einhält und kommunziert das mit lesern. in zeiten zunehmender leserteilnahme über die kommentarfunktion unterhalb von online-artikeln wimmelt es von kritiken, die offenbar nicht alle blöd sind.

das lese ich in einer → jahresbilanz von margaret sullivan, public editor bei der new york times. sie hat viele informationen via leserkommentare, viele davon anonym, zugeschoben bekommen, die sich als wahr herausstellten und zu artikeln in der zeitung führten. auch dieses bindeglied (leser schreibt, redaktion wird aktiv) ist der public editor. margaret sullivan griff auch schon strömungen und stimmungen auf, die zu viel tieferen erkenntnissen für die zeitungsarbeit führen.

zum beispiel kristallisierte sich aus leserkommentaren eine unzufriedenheit mit der scheinbar ausgewogenen haltung mancher artikel heraus. die leser schienen ein gespür dafür zu haben, wenn diese ausgewogenheit vorgespielt war und forderten fakten und klare positionen. das kann man diskutieren, das hat die politische redaktion der zeitung auf anregung sullivans diskutiert, und sie stellt in ihrer jetzigen bilanz leichte verbesserungen fest.

sie brachte die diskussion über die scheinbare ausgewogenheit, den scheinbar neutralen standpunkt 2012 durch einen artikel in der public editor-sektion der zeitung ins rollen, den sie → He Said, She Said, and the Truth nannte. sie (eigentlich die leser) legt hier den finger in eine wunde, die natürlich auch im deutschen journalismus klafft. man hört das unter anderem dann, wenn berichterstatter von “informierten kreisen” sprechen oder “ich erfuhr ABER von bewohnern, dass…” sagen. bei RTL, BILD & co., wo das erfinden von fakten zum geschäftsmodell gehört, ist das “journalistische” standardmethode. im seriösen print und im öffentlich-rechtlichen rundfunk haben solche sätze nichts zu suchen. ein korrespondent, der im gaza-streifen stationiert ist, hat gefälligst nicht von “informierten kreisen” zu sprechen, sondern er soll sie beim namen nennen; meistens, unterstelle ich mal, ist er selbst der informierte kreis und traut sich der ausgewogenheit halber nicht, “ich” zu sagen.

in der englischen wikipedia gibt es einen kurzen artikel über den → public editor.