drei männer, ein bild | 1914

mann_1erster mann. was tut er? warum lacht er?

mann_2zweiter mann. freut sich auch. guckt wen an?

mann_3guckt die kamera an.

das ist das schöne an fotos mit einer hohen auflösung. viele archive stellen ihre fotos, wenn sie sie denn in die öffentlichkeit stellen, auch in hohen auflösungen zur verfügung. in diesem fall die libarary of congress. das foto zeigt links den senator von north caroline, lee slater overman, und hinter der filmkamera steht jemand von harris & ewing. aufgenommen im jahr 1914. → hier in kleinen bis sehr großen auflösungen herunterladbar. warum overman hier stumm gefilmt wird, wissen wir nicht. wir wissen nur, dass er lange senator war, nämlich von 1903 bis zu seinem tod 1930. sehr schönes gemälde im → wikipedia-artikel!

1914 strahlt er. 1919, als die deutschen ihren großen krieg verloren hatten und die USA deutschland gar nicht gut gesonnen waren, muss sich overman mit deutschen brauern in seinem land auseinandersetzen, denen er vorwirft, mit sehr viel geld alle möglichen dubiosen dinge zu treiben, von bestechung von politikern bis zu kommunistischer propaganda. die brauer haben zeitungen aufgekauft, um sich eine presselobby aufzubauen usw.

am besten liest man sowas im original, und hier, bei archive.org ist der senats-bericht über “brewing and liquor interests and german and bolshevik propaganda”:

german-brewers-1919-congress-report

für die oberen beiden fotos musste ich übrigens einen teil des stativbeins wegretouchieren. drei, vier klicks, nicht mehr.

 

retronym | akustische gitarre, zweiter weltkrieg

ich stolperte beim lesen eines artikels im oxford dictionary über das wort retronym. ich kannte es, mir fiel aber kein gutes beispiel ein. im wikipedia-artikel übers retronym sind viele beispiele drin, und das anschaulichste (und weil es mit dem buchstaben “a” beginnt, ganz oben) ist die akustische gitarre.

retronym bedeutet: im nachhinein benennen, und bei der akustischen gitarre war das nötig, als die elektrisch verstärkten gitarren aufkamen und eine eigene klasse von gitarren bildeten. vor 100 jahren verstand man unter “gitarre” eine konzert- oder wandergitarre. wenn jemand aber 1980 seinem freund sagte, er habe eine “gitarre” gekauft, hätte dieser vermutlich nachfragt: ne akustische oder ne elektrische?

ein ebenso anschauliches retronym ist der erste weltkrieg. denn um “erster” zu sein, brauchte es einen zweiten. man konnte den 1914–1918-krieg also erst den “ersten” nennen, als die weltweite dimension des hitler-kriegs klar wurde. wann war das eigentlich? wann sah man den zweiten weltkrieg als weltkrieg an?

ich hätte geschätzt, 1941, als hitler halb europa (aber nicht england) kassiert hatte. aber eine kleine recherche in der TIMES* bringt diesen artikel vom 9. november 1939 zutage, als der zweite weltkrieg gerade erst mit dem überfall auf polen begonnen hatte. der artikel besteht aus einer sehr genauen übersetzung der rede hitlers im münchner bürgerbräukeller vom abend zuvor, und da spricht hitler bereits vom ersten und eben auch vom zweiten weltkrieg:

 THE TIMES -second world war -1939“Britain was not Rome in den first World War”. hitler-rede in der times vom 8.11.1939

der auszug aus der rede im deutschen original findet sich → hier, teilweise auch mit audio:

“Im ersten Weltkrieg hat nicht England gesiegt, sondern andere waren die Sieger. Und im zweiten – das kann ich Ihnen versichern – wird England erst recht nicht der Sieger sein! Diesmal tritt diesem England des Weltkrieges ein anderes Deutschland entgegen; das werden sie wohl in absehbarer Zeit noch ermessen können. Ein Deutschland, das von einem unbändigen Willen erfüllt ist und das auf die Blödeleien britischer Phrasenmänner nur mit Gelächter reagiert. Wenn heute ein Engländer kommt und sagt: Wir kämpfen für die Freiheit der Welt, wir kämpfen für die Demokratie, wir kämpfen für die Kultur, wir kämpfen für die Zivilisation, wir kämpfen für die Gerechtigkeit – dann löst das in Deutschland nur ein schallendes Gelächter aus.”

weil die rede sehr typisch ist, sowohl vom inhalt als auch von der form her, ein kurzer ton-ausschnitt. die passage oben ist offenbar nicht als mitschnitt erhalten, aber hier spricht hitler auch england an, als hauptfeind überhaupt. er beklagt, dass frankreich sich mit den briten zusammentut, und er stellt heraus, dass er frieden mit der sowjetunion geschlossen habe, um nicht wieder einen zweifrontenkrieg führen zu müssen:


hitler-rede, bürgerbräukeller, 8. november 1939 (ausschnitt)


*quelle: “Nazis And Britain.” Times [London, England] 9 Nov. 1939: 7. The Times Digital Archive. Web. 21 Nov. 2014

kriegspropaganda im archiv | 1. weltkrieg

Kriegspropaganda_1916_Dum-Dum-Geschossekriegspropaganda: die dum-dum-geschosse der franzosen (1. weltkrieg)

ich hatte heute ein längeres telefonat mit einem programmierer des webauftritts des landesarchivs baden-württemberg. wie bei vielen archiven ist es zwar herrlich zu sehen, wie sie sich nach außen öffnen, aber es wimmelt von hindernissen, bis wir von außen das finden, was wir suchen.

ein drastisches beispiel ist die eingangsseite des archivs, auf der u.a. eine feldpostkarte aus dem 1. weltkrieg zu sehen ist, und wenn man darauf klickt, um sie näher zu studieren, wird man auf eine seite geworfen, wo von dem bild nichts mehr zu sehen ist. all sowas zu vermeiden, daran arbeitet das archiv, an dergleichem arbeiten alle archive. die hintergründe, warum vieles von außen so kompliziert wirkt, sind tief in den archivstrukturen zu finden. sie sind lange analog gewachsen, und plötzlich steht das internet da und ruft: “digital, sofort!”

ich lernte in dem telefonat einiges, unter anderem, was ein permalink ist: ein weblink auf ein archivgut, der sich so schnell nicht ändert. der postkartenscan oben hat den permalink http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-116544. habe ich gleich auch in den wikipedia-artikel über den permalink reingeschrieben.

aber eigentlich wollte ich nur das bild zeigen, dieses ästhetisch inszenierte, aber subversiv-fiese propagandafoto der deutschen gegen die franzosen im ersten weltkrieg. wenn ich sowas finde, drängt es geradezu in die wikipedia hinein. das bild findet sich jetzt bereits in den artikeln über propaganda im 1. weltkrieg und über dum-dum-geschosse in der deutschen und in der englischen wikipedia.

hier ein weiteres bild aus dem archiv (in sigmaringen; die genaue herkunft fällt digital nicht auf): eine ganze serie von postkarten zeigt diese drei personen in ähnlich inszenierten posen, mal mit dem verletzten, mal mit dem erschöpften, mal mit dem sterbenden soldaten:

Feldpostkarte-fürs-Vaterlandsterben fürs vaterland, mit dem herz voller begeisterung. 1. weltkrieg. november 1914. → permalink

die stärke eines solchen permalinks, also des direkten verweises auf die original-erschließungsdatei, ist, dass sich dort in der regel weiterführende informationen finden. in diesem fall folgende:

Aus Bestand: N 1/85 T 1
Nachlass Heinz Braun (geb. 1927) / 1904-2009

Feldpostkarten
Bestellsignatur: N 1/85 T 1 Nr. 132
Archivischer Identifikator: 6-461118
Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=6-461118
Archivalienart: Fotos
Titel: “Für’s Vaterland!
Das Herz voll heller Begeisterung
So stürzt’ ich mich in den Kampf,
Dann kam das Geschoss und ich sah nichts mehr
Als feindlichen Pulverdampf.”
Feldpostkarte vom 27.11.1914 an Babette Müller, Ellerstadt, aus Karlsruhe von ihrem Bruder Jakob Müller
Laufzeit: 28. November 1914
Format: 8,6 x 13,6 cm cm
Vorsignaturen: 7082/2
Stichworte: Ellerstadt DÜW
Karlsruhe KA
Müller, Babette, Ellerstadt
Müller, Jakob, Kriegsbekleidungsabteilung, XIV. Armeekorps, IV. Bataillon, 16. Kompanie, Karlsruhe