caren pistorius spielt die schottische bauerstochter rose. foto via → prokino
slow west ist ein in der tat langsamer western mit weitgehend unbekanntem personal, was ihn besonders sympathisch macht. ich rate, nur den → deutschen wikipediaartikel dazu zu lesen, denn der viel ausführlichere englische gibt die pointe preis.
im grunde ist slow west eine parabel über einseitige liebe, die selbstverständlich (wie schon beim → jungen werther,* einem bestseller-roman von 1774) tödlich endet. im filmplakat kommt die angebetete bauerntochter rose (caren pistorius) gar nicht vor, welche im bild oben zu glücklichen zeiten in schottland zu sehen ist. später, im noch sehr wilden und dünn besiedelten nordamerikanischen westen um 1870 herum, geht es in ihrem leben wesentlich derber zu.
die latente nebengeschichte, die bis zum schluss durchgezogen wird, ist die der abschlachtung der indianer durch die neuen siedler aus europa. die indianer erscheinen in dem film extrem traurig, sie sind taub vor trauer. im einzigen gebiet, wo sie noch angst und schrecken einjagen können, dem zauberwald, der eine art schlüssel zu rose ist, versagen sie auch, sogar jämmerlich. das drehbuch von john maclean, der auch die regie gemacht hat, setzt ins zentrum der handlung praktisch nur weiße indianerfreunde, also gegner des genozids, die nur eins antreibt: kopfgeld. und auf “wertlose” indianerhäupter gibt es kein kopfgeld, auf rose‘s kopf aber schon.
der aufgeklärteste von allen ist der deutsche (?) schriftsteller werner (andrew robertt), der in dem film quasi vom himmel fällt – und eine sehr gelungene, ganz ungute figur macht… an ihn dachte ich, als gegen ende ein pfaffe aus dem weizenfeld auftaucht. stopp, ich darf nicht mehr verraten.
der film endet mit einer der schönsten schießereien seit langem, exzellentem sound –und einem wirklich wunderschönen tod.
für ein debut ganz prima.
auf dem kinoplakat fehlt die, um die es eigentlich geht.
*goethes werther von 1774, das finale:
In diesen Kleidern, Lotte, will ich begraben sein, du hast sie berührt, geheiligt; ich habe auch deinen Vater darum gebeten. Meine Seele schwebt über dem Sarge. Man soll meine Taschen nicht aussuchen. Diese blaßrote Schleife, die du am Busen hattest, als ich dich zum ersten Male unter deinen Kindern fand – o küsse sie tausendmal und erzähle ihnen das Schicksal ihres unglücklichen Freundes. Die Lieben! Sie wimmeln um mich. Ach wie ich mich an dich schloß! Seit dem ersten Augenblicke dich nicht lassen konnte! – diese Schleife soll mit mir begraben werden. An meinem Geburtstage schenktest du sie mir! Wie ich das alles verschlang! – ach, ich dachte nicht, daß mich der Weg hierher führen sollte! – sei ruhig! Ich bitte dich, sei ruhig!
– Sie sind geladen – es schlägt zwölfe! So sei es denn! – Lotte! Lotte, lebe wohl! Lebe wohl!«
Ein Nachbar sah den Blick vom Pulver und hörte den Schuß fallen; da aber alles stille blieb, achtete er nicht weiter drauf.
Morgens um sechse tritt der Bediente herein mit dem Lichte. Er findet seinen Herrn an der Erde, die Pistole und Blut. Er ruft, er faßt ihn an; keine Antwort, er röchelt nur noch. Er läuft nach den Ärzten, nach Alberten. Lotte hört die Schelle ziehen, ein Zittern ergreift alle ihre Glieder. Sie weckt ihren Mann, sie stehen auf, der Bediente bringt heulend und stotternd die Nachricht, Lotte sinkt ohnmächtig vor Alberten nieder.
Als der Medikus zu dem Unglücklichen kam, fand er ihn an der Erde ohne Rettung, der Puls schlug, die Glieder waren alle gelähmt. Über dem rechten Auge hatte er sich durch den Kopf geschossen, das Gehirn war herausgetrieben. Man ließ ihm zum Überfluß eine Ader am Arme, das Blut lief, er holte noch immer Atem.
Aus dem Blut auf der Lehne des Sessels konnte man schließen, er habe sitzend vor dem Schreibtische die Tat vollbracht, dann ist er heruntergesunken, hat sich konvulsivisch um den Stuhl herumgewälzt. Er lag gegen das Fenster entkräftet auf dem Rücken, war in völliger Kleidung, gestiefelt, im blauen Frack mit gelber Weste.
Das Haus, die Nachbarschaft, die Stadt kam in Aufruhr. Albert trat herein. Werthern hatte man auf das Bett gelegt, die Stirn verbunden, sein Gesicht schon wie eines Toten, er rührte kein Glied. Die Lunge röchelte noch fürchterlich, bald schwach, bald stärker; man erwartete sein Ende.
Von dem Weine hatte er nur ein Glas getrunken. »Emilia Galotti« lag auf dem Pulte aufgeschlagen.
Von Alberts Bestürzung, von Lottens Jammer laßt mich nichts sagen.
Der alte Amtmann kam auf die Nachricht hereingesprengt, er küßte den Sterbenden unter den heißesten Tränen. Seine ältesten Söhne kamen bald nach ihm zu Fuße, sie fielen neben dem Bette nieder im Ausdrucke des unbändigsten Schmerzens, küßten ihm die Hände und den Mund, und der älteste, den er immer am meisten geliebt, hing an seinen Lippen, bis er verschieden war und man den Knaben mit Gewalt wegriß. Um zwölfe mittags starb er. Die Gegenwart des Amtmannes und seine Anstalten tuschten einen Auflauf. Nachts gegen eilfe ließ er ihn an die Stätte begraben, die er sich erwählt hatte. Der Alte folgte der Leiche und die Söhne, Albert vermocht’s nicht. Man fürchtete für Lottens Leben. Handwerker trugen ihn. Kein Geistlicher hat ihn begleitet.