der herren | fahrer

zu frühen ebay-zeiten ersteigerte ich über einen umweg die januar 1927-ausgabe einer merkwürdigen und bemerkenswerten zeitschrift: “Der Herrenfahrer – das Blatt vom Auto und anderen Annehmlichkeiten des Lebens”. die zeitschrift war in vielerlei hinsicht progressiv und ist eine schatztruhe für freunde der automobilgeschichte. jetzt kam ich dazu, den → wikipedia-artikel darüber zu schreiben, der soeben online ging.

derHerrenfahrer_nov1926

titelblatt der ausgabe vom november 1926. jugendstil pur. frau am steuer.

herrenfahrerAusleiheDNB

ausleihbescheinigung für die komplette serie, von leipzig nach frankfurt transportiert

fotografierenDesHerrenfahrersInDerDNB_Frankfurt

2006 in der deutschen nationalbibliothek beim fotografieren des herrenfahrers

auto von heute | 1940 in istanbul

Tophane_Istanbul-1940tophane, istanbul, postkarte, angeblich 1940, mit reinmontiertem honda von heute

als ich diese postkarte sah, dachte ich: wie grazil und zerbrechlich die autos darauf aussehen. angeblich istanbul 1940; kommt mir etwas älter vor. jedenfalls, um zu sehen, wie sich heutige autos im gegensatz dazu anfühlen, habe ich eins daneben geparkt. breiter und vor allem: bulliger. warum wohl?

mir fallen die augen zu | beim fahren

OLYMPUS DIGITAL CAMERAstraßenverkehrsschild in utah rät müden autofahrern, rechts rauszufahren. foto: phil konstantin, wiki commons, 2007

fallen mir beim autofahren die augen zu, fallen sie eben zu, und der wagen fährt dann, ja: wohin? dass der müde autofahrer für signifikant viele (20%) und besonders schwere unfälle bei langstreckenfahrten verantwortlich ist, ist lange bekannt. mit den müdigkeitsdetektoren in neuen mittel- und oberklassefahrzeugen bekommt das thema aber einen unangenehmen beigeschmack: “ich will nicht, dass mir jemand, und wenn es nur ein computer ist, dabei zusieht, wohin ich gucke oder wie ich lenke!”

stimmt, das irritiert, und in zeiten, wo autos sich mit dem internet verbinden und man eh nicht genau weiß, wo welche persönlichen daten hinwandern, irritiert es erst recht.

sozialpsychologisch gesehen geht dieses gefühl vom autofahrer aus und bleibt bei ihm (“ich werde müde, mir fallen die augen zu, ich bin am steuer.”) er sieht das lenkrad und das monitoring-display, aber nicht den verkehr “draußen”.

schon seit rund 100 jahren aber ist das betreiben eines autos nicht mehr eine private kurvenreiche superunterhaltung, sondern das kollektive bewältigen eines komplexen mobilitätssystems in echtzeit. ich finde, das funktioniert, wenn man sich die verkehrsdichte in deutschland ansieht, prima. man nimmt rücksicht, man fährt nicht gleich aus der haut, wenn ein anderer plötzlich die spur wechselt. da ist es sehr hilfreich, wenn ein einschlafender fahrer von seinem bordcomputer geweckt wird, bevor er vier entgegenkommende fahrer irritiert, verletzt, tötet. das klingt moralisch, ist es aber nicht.

in der wikipedia gibt es einen kurzen artikel dazu, der sich aufmerksamkeits-assistent nennt. im englischen artikel (“driver drowsiness detection”) ist sehr schön zu lesen, wie die verschiedenen hersteller diese technik “branden”:

  • ford: driver alert
  • daimler: attention assist
  • volkswagen: fatigue detection system
  • volvo: driver alert control
  • toyota: driver monitoring system

weitere bezeichnungen:

  • anti sleep pilot
  • vigo

 müdigkeitErkanntmüdigkeits-benachrichtung. illustration: volkswagen AG

die bundesanstalt für straßenwesen BAST hat 2013 das müdigkeitsverhalten am steuer → untersucht. demnach gibt es rund 70 müdigkeitsmessverfahren, die nicht nur unterschiedlich messen, sondern auch unterschiedlich warnen. es gehören

“die Erfassung der Fahrperformanz durch Beobachtung von Lenkverhalten, Spurhaltung und Lidschlussverhalten, sowie das videobasierte Expertenrating und das EEG zu den validesten Müdigkeitsmessverfahren.”

problematisch ist der “pupillografische Schläfrigkeitstest” wegen zu unsicheren ergebnissen; offenbar machen unsere augenlider auch in nicht schläfrigem zustand seltsame und in schläfrigem zustand normale bewegungen. es wird in der studie den herstellern solcher warnsysteme deshalb dazu geraten, mindestens zwei messverfahren parallel laufen zu lassen, also zum beispiel lenkverhalten und lidschlagfrequenz. aus polizeilicher sicht es gibt noch keine analysetools, um unmittelbar nach einem unfall zu testen, ob der fahrer am steuer eingeschlafen war. viele geben als grund für ihre unaufmerksamkeit an, sie seien “mit den gedanken woanders” gewesen. die meisten fahrer mit müdigkeitsdetektoren ignorieren die warnungen und fahren weiter. vermutlich ist die dunkelziffer für durch müdigkeit am steuer ausgelöste unfälle hoch.

6 zylinder 7 ps | opelwerbung 1928

in den 1920er jahren schossen in europa und den USA mobilitätszeitschriften aus dem boden. zu meinen liebsten gehört der nur zwischen 1924 und 1928 erschienene “herrenfahrer”. diese ausgaben liegen alle im leipziger haus der deutschen nationalbibliothek. dort befinden sich auch exemplare des “auto magazins” aus derselben zeit, inzwischen digital kostenlos nachzublättern und gut erschlossen durch das seminar für medien- und kommunikationsforschung der universität erfurt und der sächsischen landesbibliothek/staats- und universitätsbibliothek dresden.

das-automagazin-1928zweite ausgabe des auto magazins, februar 1928

es genügt schon, eine seite aufzublättern, und man ist in einer anderen welt. das heft beginnt nämlich mit einer opel-werbung, und man sieht an ihr, wie viel ein gut ausgestattetes auto 1928 kostete, und dass es aus einem 6-zylinder-verbrennungsmotor nur 7 ps herausholte.

opel-7-PS---1928opel-werbung februar 1928: für 5000 reichsmark 6 zylinder und 7 ps

wenn man sich die werbung genauer ansieht, versteckt sich oben links ein winziges logo, nämlich das des werbegrafikers:

k-bit_grafikwer auch immer K BIT sein mochte.

ich fragte mich, wie viel geld waren 5000 reichsmark im jahr 1928? es gibt beim statistischen bundesamt basistabellen, die dann auf mehreren webseiten mehr oder weniger ansprechend aufbereitet werden, wie etwa hier bei was-war-wann.de. ein kilo brot kostete demnach 38 pfennige, der liter benzin 33 pfennige. die zeitschrift “auto magazin” kostete also etwa so viel wie drei liter benzin oder 2 1/2 kilo brot. das verhältnis dürfte heute ähnlich sein. wenn man sich die monatslöhne 1928 ansieht; sie lagen unter 100 reichsmark. man musste also 4 jahre seinen kompletten lohn in ein den autokauf stecken. heute bekäme man in vier jahren 50 x 2000 € zusammen, also 100.000 €.

warum der riesenmotor mit 6 zylindern nur 7 pferdestärken produzierte, ist auch eine interessante geschichte. ein ander mal.

autos und frauenbeine 1929

in den 1920er jahren war die frau zentrales thema der autowerbung. zwar fuhr der herrenfahrer, aber verkaufen ließen sich die kisten besser mit frauenbeinen. in diesem beispiel bewarb sich die zeitung “Auto-Magazin” selbst mit sexy aussehenden bildstrecken. der fotograf, e. engel, ist heute unbekannt. titel des fotos: “die panne”

die-panne-_-1929

das “Auto-Magazin” gehört zu den zeitschriften, die sich im u. a. von der deutschen forschungsgemeinschaft finanzierten digitalisierungsprojekt der sächsischen landesbibliothek in dresden. viele zeitschriften digitalisiert verfügbar unter www.illustrierte-presse.de