“das reich der frau” | 1933

in der katholischen zeitschrift “deutscher hausschatz” (siehe dazu den eintrag → hier) gab es viele jahre die rubrik “Das Reich der Frau”. in der ausgabe vom august 1933 (59. jahrgang!) beschreibt helene seyfried (von der man nie mehr etwas gehört oder gelesen hat) die beziehung zu ehemann und kindern wie folgt. zunächst die kinder, überschrift “Das Minderwertigkeitsgefühl bei Kindern”:

„Man ist oft versucht zu glauben, der ‘Minderwertigkeitskomplex’ bei Erwachsenen werde nur vorgetäuscht, weil er gerade in Mode ist. […] Na, das sind so kleine menschliche Schwächen, die man nicht tragisch zu nehmen braucht. Ernster und tiefgreifender ist jene Minderwertigkeit, die man von anderen Menschen zum Vorwurf bekommt. Da ist zum Beispiel junges Menschenkind, das den besten Willen hätte, tüchtig zu sein, aber von einem in alten starren Anschauungen verknöcherten Vater oder einer ewig unzufriedenen Mutter ständig vorgehalten bekommt: ‘Du bist nichts und kannst nichts, aus dir wird nie etwas Gescheites werden, alles fängst du verkehrt und unpraktisch an!’ Es wäre viel gescheiter, die Eltern würden ihrem Kind beibringen, wie es eine Sache besser machen kann, statt ständig, seine Leistungen herabzusetzen. Dadurch wird ja des Kindes ganzes Selbstbewußtsein, sein ganzer Geltungstrieb, der im späteren Leben so notwendig wäre, unterdrückt6 und vernichtet. Und mit der Zeit glaubt das Kind ganz von selbst, daß es tatsächlich nichts ist und nichts kann und es niemals zu etwas bringen wird.“

es wäre kein katholisch-konservatives blatt, würde die autorin nicht hinterherschicken, dass eine gesunde mischung aus “kleinem lob” und “kleinem tadel” genau das richtige für das kind sei.

Neglected_child_L.W.-Hine_1917 vernachlässigtes kind (neglected child), 1917, oklahoma city. foto: l. w. hine

in sachen mann und ehe hat helene seyfried eine einzige message: er bringt in einem harten job das geld ins haus, also soll sie ihn nicht mit dingen aus ihrem alltag belästigen, sondern, so der tipp an die hausfrau:

„…lege deine Erholungsstunden so, daß sie mit denen deines Mannes zusammenfallen.“


ps.: das foto oben hat nichts mit der zeitschrift zu tun; ich fand es in den wiki commons. der fotograf, lewis hine, hat zahlreiche fotos gemacht, die soziale unterdrückung, ausbeutung und verwahrlosung zeigen.