ver | komponiert

gestern nacht hab ich mich mal wieder verkomponiert. das passiert öfter. ich kenne das. ich merke die anzeichen frühzeitig — und komponiere trotzdem weiter. am ende kommt dann keine runde sache heraus, sondern eine baustelle, die ich nur schwer aufgeben kann.

diesmal fing ich mit einem vorgefertigten schlagzeug-loop an, der gut, aber etwas dürftig klang. ich spielte eine zweite schlagzeugspur ein, in mehreren varianten. damit waren zwei stunden vergangen. ungewöhnlich lang, nur für das schlagzeug.

elektrische rhythmusgitarre für die dritte spur

weil ich mich auf eine tonart festlegen wollte, nämlich d-moll, suchte ich nach einem instrument, das ich melodiös einsetzen konnte, das hell und etwas scharf klang. auch das dauerte und war mit einigen fehlgriffen verbunden. endlich fand ich eine mit arpeggio spielbare elektrogitarre. die kam mit einem raum, der perfekt klang.

um die kompositionsskizze (denn mehr war es nicht) abzurunden, brauchte ich einen bass. normalerweise finde ich einen passenden bass rasch in meinem VST-instrumentarium. diesmal dauerte es lang. ich spielte die spur mit einem 1/4-beat-gefühl ein, was mir zu langsam vorkam. also suchte ich einen zweiten bass, der die achtel bediente.

beim abhören der inzwischen fünf spuren merkte ich, wie stark ich mich verkomponiert hatte. die erste bass-einspielung war so klischeehaft, dass sie nicht zu gebrauchen war. es war ein melodiemuster, das vier takte lang funktionierte, dann das stück aber in tiefe ödnis schickte.

früher hätte ich das stück einfach gelöscht. inzwischen weiß ich aber, dass sich einen tag später ganz andere perspektiven auftun können. die gitarre ist herrlich, den bass schmeiße ich sicherlich weg. mal schau‘n.

steinbach | manitoba

panorama der ortsmitte von steinbach

2013 flog ich über toronto nach winnipeg, in die mitte kanadas. dann stieg ich in einen mietwagen, einen weißen VW beetle, und fuhr bei bestem wetter eine stunde nach süden. dort befindet sich eine kleinstadt, deren bewohner fast ausschließlich mennoniten sind. sie waren über mehrere generationen aus europa hierher geflüchtet. 2013 lockte die kanadische regierung die mennoniten mit einwanderungsprämien. denn die mennoniten gelten als fleißig, landwirtschaftsverbunden, friedliebend.

bei meinen zahlreichen interviews lernte ich progressive, aber auch sehr traditionelle mennoniten kennen, die moderne technik als teufelszeug ablehnten. und → frisch eingewanderte, die in russland als “deutsche” und nach ausreise nach bayern als “russenschweine” beschimpft wurden. in steinbach fanden sie frieden. fast alle sprachen mit mir deutsch.

steinbach ist einem straßendorf in der ukraine nachgebaut, von wo viele mennoniten flüchteten, unter anderem weil der sowjet-führer stalin die männer zum wehrdienst einziehen wollte. das ukrainische steinbach befand sich etwas westlich von mariopol und 700 km südlich von kiew. heute gehört das ehemals mennonitische siedlungsgebiet zur → oblast saporischschja. in der karte von 1914 unten ist steinbach rechts unten zu sehen.

mennonitsches siedlungsgebiet 1914 (heute ukraine)

im kanadischen steinbach gab es, als ich da war, mehr kirchen als straßenlaternen, und google maps kannte einige teile des orts noch nicht.

ich fand das einstündige feature von damals auf einer älteren festplatte und poste es hier. es war eine koproduktion des deutschlandfunks mit dem bayerischen rundfunk. einige zusatzinfos und längere interviewpassagen sind auf meiner etwas ältlichen webseite zu finden, nämlich → hier.

steinbach, manitoba. feature von 2013. DLF/BR

motion blurred | shadow

the google pixel 6 phone has a built-in motion mode. in this example you see a photo i took within a millisecond, while having a coffee outside of a café. the result is impressive. apart from the obvious blur of the street, the shadows are blurred as well. only the woman‘s and the pram’s shadow is in focus.

motion shot with smartphone