strafe für | note 4 von 5

note4

ich hatte kürzlich eine support-anfrage an eine firma, die unter anderem migrationssoftware herstellt. die software (acronis migrate easy) funktionierte nicht, und zwar, wie sich erst beim support-dialog herausstellte, weil sie nicht mit windows 8 und 10 kompatibel ist. eine fehlermeldung gab es nicht; das programm ließ sich problemlos installieren und starten, tat aber einfach nichts.

wie fast immer, wenn eine support-anfrage zu ende ist, kommt vom hersteller eine mail, ob man die zusammenarbeit mit dem berater (einem menschen) okay fand. ich beantworte diese umfragen nicht gern, vor allem weil ich nicht weiß, wie ein einziger negativer punkt auf den mitarbeiter des call-centers oder der support-abteilung zurückfällt; außerdem sind die meisten dieser umfragen zu langwierig. bei dieser hier brach ich gleich nach der ersten seite ab. grund: ich klickte in der zufriedenheitsskala 4 von 5 an, also zufrieden, aber eben nicht sehr zufrieden.* dann tat sich gleich eine mords liste auf, die mir quasi ankreidete, dass ich keine fünf punkte geben wollte. wörtlich:

“…lassen Sie uns bitte wissen, was am meisten zu Ihrer Unzufriedenheit beigetragen hat.”

dreist, denn vier punkte wäre note 1,7 im abi. und punkt 4 sagt ja laut umfrageblatt “zufrieden”. warum sollte ich also unzufrieden gewesen sein?

das thema ist verwandt mit den bewertungsschemata bei ebay, airbnb und anderen. wenn man nicht die volle punktzahl gibt, wird das vom gegenüber als totaler frust oder hass ausgelegt. was das in der tiefe der online-gesellschaft bewirkt, ist eine entwertung der beurteilungswährung.

ein kollege, der in new york lebt und mit dem privat-taxi-dienst UBER erfahrung hat, schreibt dazu: “Uber-Fahrer kriegen Probleme, wenn sie durchschnittlich weniger als 4,6 Sterne bekommen.” außerdem weist er mich auf → diesen zeitungsartikel hin, wo es um genau diese problematik geht.

⚒ noch eine nebenbemerkung: dieser feedback-check beginnt nicht mit der zeile

  • “Umfrage zu Ihrer Support-Anfrage”

sondern mit:

  • “Umfrage zur Interaktion mit dem Acronis Support”

was bitte ist das für ein satz: interaktion mit dem support? ich hatte einen meinungsaustausch mit einem menschen, keine interaktion mit einem ding.

 


* warum nur vier von fünf punkten? weil ich fand, der mitarbeiter hätte mir nicht nur sagen können, woran’s lag (“falsches betriebssystem”), sondern auch: sorry, das letzte betriebsssystem, wofür diese als brandneu annocierte software funktioniert, ist windows vista – und damit drei generationen alt. der mitarbeiter fasste sich aber nicht an die eigene nase, sondern ließ mich mit dieser wenig hilfreichen, aber sicher korrekten info im regen stehen. außerdem bot er keine alternative an, obwohl es womöglich solche gibt. ich las später bei einem anderen, teureren datenmigrationsprodukt von acronis nach, ob das denn für neuere windows-versionen verfügbar ist. dort fehlten jegliche betriebssystemangaben. ich sage also: finger weg von dieser früher mal zuverlässigen backup- und migrations-software!

schweigespirale | elisabeth noelle-neumann

schweigespiraleschweigespirale und schere im kopf. grafik: m.s.

elisabeth noelle-neumann war die große frau der umfragen – und eine theoretikerin. auf sie geht der begriff der → schweigespirale zurück. in die schweigespirale gerieten die wähler des bundestags 1972 angeblich dadurch, dass die medienberichterstattung einen sieg der SPD propagierte. dadurch passierte folgendes: die wähler antworteten auf die frage, was sie wählen werden: etwa 50/50 SPD/CDU.CSU. auf die frage, wer die wahl gewinnen würde, verschwiegen viele ihre parteipräferenz und sagten immer häufiger, je näher der wahltag rückte, die SPD siegt. mit anderen worten: wer im biergarten antizipiert, dass seine meinung nicht willkommen ist, wird schweigen. [noelle-neumanns theorie ist umstritten, weil die statistik nicht ganz sauber war; aber die theorie gibt einem gefühl recht und hat sie deshalb lange überlebt.]

ich kam auf das thema durch eine → aktuelle statistik der amerikanischen demoskopie-firma pew research, die die offenheit untersuchte, mit der menschen ihre politischen ansicht zum edward snowden themenkomplex äußerten. die spezielle frage war die, ob sie es in sozialen netzen (facebook, twitter) wie im normalen zwischenmenschlichen bereich (zu hause, im café) tun? sie tun es nicht. 86 % der über 1000 befragten sagten aus, im freundeskreis würden sie über das überwachungsprogramm und snowden sprechen, aber nur 42 % täten es auch in sozialen netzen. das hat nur am rande mit der meinungsspirale zu tun und ist eher eine schere. jedenfalls, so schreibt pew research, hätten sich manche fans und betreiber sozialer netze erhofft, dass sich die menschen da sicherer fühlen als sie es tun. und natürlich hängt diese verschlossenheit wiederum mit dem thema der frage zusammen, eben der potenziellen überwachung, wie edward snowden sie aufgedeckt hat.