schweigespirale und schere im kopf. grafik: m.s.
elisabeth noelle-neumann war die große frau der umfragen – und eine theoretikerin. auf sie geht der begriff der → schweigespirale zurück. in die schweigespirale gerieten die wähler des bundestags 1972 angeblich dadurch, dass die medienberichterstattung einen sieg der SPD propagierte. dadurch passierte folgendes: die wähler antworteten auf die frage, was sie wählen werden: etwa 50/50 SPD/CDU.CSU. auf die frage, wer die wahl gewinnen würde, verschwiegen viele ihre parteipräferenz und sagten immer häufiger, je näher der wahltag rückte, die SPD siegt. mit anderen worten: wer im biergarten antizipiert, dass seine meinung nicht willkommen ist, wird schweigen. [noelle-neumanns theorie ist umstritten, weil die statistik nicht ganz sauber war; aber die theorie gibt einem gefühl recht und hat sie deshalb lange überlebt.]
ich kam auf das thema durch eine → aktuelle statistik der amerikanischen demoskopie-firma pew research, die die offenheit untersuchte, mit der menschen ihre politischen ansicht zum edward snowden themenkomplex äußerten. die spezielle frage war die, ob sie es in sozialen netzen (facebook, twitter) wie im normalen zwischenmenschlichen bereich (zu hause, im café) tun? sie tun es nicht. 86 % der über 1000 befragten sagten aus, im freundeskreis würden sie über das überwachungsprogramm und snowden sprechen, aber nur 42 % täten es auch in sozialen netzen. das hat nur am rande mit der meinungsspirale zu tun und ist eher eine schere. jedenfalls, so schreibt pew research, hätten sich manche fans und betreiber sozialer netze erhofft, dass sich die menschen da sicherer fühlen als sie es tun. und natürlich hängt diese verschlossenheit wiederum mit dem thema der frage zusammen, eben der potenziellen überwachung, wie edward snowden sie aufgedeckt hat.