bauhaus dessau | vergangenheitsbewältigung

bauhaus_Dessau_logo2014 restauriertes bauhaus-zentralgebäude. foto: m.s.

die bauhaus-idee begann kurz nach dem ersten weltkrieg in weimar, startete dann in den 1920er jahren in dessau durch und endete abrupt ebenda 1932. → bauhaus in dessau.

wie kam es überhaupt dazu, dass in einer kleinen industriestadt eine dermaßen progressive kunstakademie entstand? welches flair des aufbruchs musste da geherrscht haben, dass, wie uns jetzt bei einer führung durchs frisch renovierte hauptgebäude klar gemacht wurde, mehrere städte – auch frankfurt am main – den bauhaus-gründer walter gropius umwarben, die geplante hochschule doch bei ihnen einzurichten. die wahl fiel auf dessau, und das makabre daran ist, dass dessau wegen der noch jungen flugzeugindstrie am ort für die bauhaus-gründer attraktiv war. bauhaus/form/material/werkstoff/metallverarbeitung. im werk des hugo junkers ließen sie ihre möbel schmieden. genau wegen dieser damals noch friedlichen industrie wurde dessau gegen ende des zweiten weltkriegs fast vollständig zerstört. dessau war für die alliierten zurecht synonym mit der rüstungsindustrie und dem luftkrieg der deutschen. hier konstruierten die nachfolger hugo junkers jagdflugzeuge und bomber in großserien.

hugo junkers’ biografie trifft sich mit der des bauhaus anfang der 1930er jahre, noch bevor hitler 1933 an die macht kam: sein werk ging pleite; er selbst bekam wegen seiner distanz zu den nazis stadtverbot. und was das bauhaus anging: die größte fraktion im rathaus dessaus, die NSDAP, schaffte die bauhaus-akademie mit der begründung ab, sie sei eine jüdisch-marxistische veranstaltung (die DDR später lehnte das bauhaus ab, weil es zu bürgerlich war). ein halbes jahr vor hitlers machtergreifung, also 1932, war schluss mit bauhaus, das bauhaus-kernpersonal aus den so genannten meisterhäusern ausgezogen.

meisterhausFeiningermeisterhaus 2. hier wohnte lyonel feininger. foto: hans weingarz, 2004. wiki commons

interessant, was baulich danach mit den über die stadt verteilten gebäuden geschah. die elite der neuen junkers-werke liebte die meisterhäuser, die die nazis eigentlich abreißen wollten, und zogen mit ihren familien ein. das hauptgebäude der akademie sollte ebenfalls abgerissen werden, diente der NSDAP dann aber für schulungen. der bauhaus-schriftzug wurde selbstverständlich entfernt, zahlreiche wände eingezogen, das stets defekte flachdach durch dachschrägen ersetzt. bei den meisterhäusern flogen die großen fenster raus und wurden durch kleinere ersetzt. zu DDR-zeiten wurden die fenster nochmal kleiner. erst nach der wende ging man die restaurierung ernsthaft an, massiv unterstützt durch die gelder der unesco, die das ganze areal zum kulturerbe erklärte.

ein jetzt anlässlich der fertigstellung erschienenes buch (“dessau – moderne zerstört”) weist darauf hin, dass man nicht vorgehabt habe, den mythos bauhaus durch eine naturgetreue restauration neu aufleben zu lassen. im gegenteil: es fehlen die innenausstattungen und viele ursprünglich existierende wände und türen. der besucher wird auf eine rohform zurückgeworfen, die es so gar nicht gab.

wie problematisch der mythos ist, sieht man schon daran, dass zwar die bauhaus-urväter emigrierten oder stillhielten, ein nicht unwesentlicher teil der im bauhaus ausgebildeten architekten aber unter den nazis karriere machte: fritz ertl etwa errichtete nach bauhaus-kriterien das vernichtungslager auschwitz.

“Rationell Schubladendämpfer zieht zu stark zu”

ein noch so kompliziert aufzubauender ikeaschrank lässt den schrauber im nachgang gnädig und respektvoll zurückblicken: nicht ikea hat was falsch gemacht, sondern der kunde hat nicht genau hingelesen. nie liest er genau hin, und ikea hat dann im kollektiven markengedächtnis immer recht, ohne rechthaberisch zu sein.

was bei ikea nicht zu unterschätzen ist, ist die didaktik, die hinter jedem zusammenbau steckt. selbst völlig unbegabte (was ist das eigentlich?) menschen lernen zusammenhänge über dübel und schraubentypen. während des zusammenbaus entsteht schritt für schritt immer mehr transparenz, wie alles zusammenpasst, das möbelstück erschließt sich dynamisch mitsamt seinem innenleben. und während der schraubende (klingt besser als “der schrauber”) sich durch die anleitung schraubt und alles transparent wird, jedes scharnier verständlich, wird das objekt fertig. und kaum steht es dann da, mit schief oder weniger schief hängenden türen, ist der vorgang vergessen. den glücklichen heimwerker am nächsten tag zu fragen, wie gleich wieder diese wand mit jener wand verbunden ist, führt zu stirnrunzeln: hab ich total vergessen. und das ist gut so.

rationell-schubladendampfer__0095765_PE234586_S4inzwischen gibt es aber neue generationen an ikeamöbeln, die nicht mehr transparent sind. man schraubt black boxes zusammen. nur so ist zu erklären, dass ein hilfe suchender kunde in einem selbsthilfeforum schreibt:

Rationell Schubladendämpfer zieht zu stark zu

Hallo und guten Abend.

Ich bin dabei meine neue Faktum Küche mit Applad-Fronten aufzubauen und habe jetzt bei einem Schrank mit Schublade ein Problem.

Der Unterschrank […] hat eine Tür und darüber eine Schublade (Rationell) mit Dämpfer. Genau bei diesem Dämpfer liegt das Problem. Die Schublade wird zu ruckartig zugezogen. Nicht leicht und sanft […], sondern mit einem kräftigen Ruck “knallt” die Schublade zu, nachdem sie erst gedämpft wurde. Was habe ich falsch gemacht? Woran kann es liegen? Hat irgendjemand eine Idee????

der “Dämpfer”, von dem er schreibt, ist ein an eine insulinspritze oder eine kleine rakete erinnendes objekt, das man tief in die schubladenschiene einsetzt. das laden einer schusswaffe ist ein ähnlicher prozess. der kunde versteht bei der komplexität dieser schiene nicht annähernd, wie die rakete arbeitet, welcher teil was tut, warum hier plastik, dort metall, warum dort drei, hier zwei nuten, spitzen, ecken und federn sind? also setzt er der bedienungsanleitung zufolge die rakete ein, es macht klick, wie’s da steht, und dann zieht dieser rationell schubladendämpfer zu stark! (es hätte zweimal klick machen müssen.) wie baut man ihn wieder aus? dazu muss man wissen, wie man bei diesem system erst die schublade ausbaut. es geht nämlich nicht einfach so, dass man sie herauszieht und dann schräg nach oben herausführt. die antwort an einen weiteren hilfesuchenden in einem anderen forum:

Also bei der neuen Version stellst du dich vor die Schublade, ziehst sie komplett raus. Wirklich bis zum Anschlag. Dann packst du links und rechts unter die Schublade. Dort kannst du so kleine graue, ich nenne sie mal “Nippel” ;) fühlen. Die ziehst du ein stück zu dir ran. Dann merkt man, dass die schublade wieder ein stück reingeht. So… dann kommt der kraftakt. Kräftig nach oben und gleichzeit nach hinten ziehen mit einem ruck. Dann geht sie raus. Ich fande die älteren versionen viel besser aber naja… muss man nicht verstehen

interessant daran sind vier aspekte:

  1. wegen der komplexität und fehlenden transparenz der produkte entstehen geheimwissenschaften.
  2. dinge, die früher reversibel waren, drohen nun, bei rückgängigmachung kaputt zu gehen.
  3. ikea tut in seinen bauanleitungen so, als sei alles wie früher; dabei müsste man in der anleitung zumindest erklären, ob und wie man die sachen wieder auseinanderbekommt, ohne kollateralschäden.
  4. und viertens: kommuniziert ikea diese probleme in form einer FAQ-seite zu jedem produkt? nein die frustrierten kunden werden in ein “ikea hej”-chatforum verwiesen, wo man sich, um schreiben und antworten zu können, registrieren muss. deswegen ziehen die meisten kunden mit ikeaproblemen – wie der erste mit den zu stark zu ziehenden schubladendämpfern – in irgendein weit von ikea entferntes selbsthilfeforum ab.

die genannte schublade an sich ist übrigens bemerkenswert (ich kenne sie):

  • sie wird in einer für ikeaverhältnisse ausgesprochen dicken verpackung geliefert, weil die bauteile in ihrer komplexität eben schon fertig konstruiert und entspreched dick sind. dabei gehört die dünne verpackung zum ikea-basiskonzept—das argument, warum man zum transport keinen lkw braucht.
  • das nutzvolumen der schublade ist wegen der aufwändigen schienenmechanik deutlich kleiner als bei dem vorgänger. das wird nicht kommuniziert.
  • sie ist viel schwerer. das wird nicht kommuniziert.
  • ihre blende – also etwas, was früher mit vier schrauben befestigt war – ist mit einem völlig unklaren, futuristisch-retromäßig anmutenden adapter an der schublade befestigt und lässt sich nur mit großem aufwand (geheimwissenschaft) zerstörungsfrei entfernen. davor wird nicht gewarnt.
  • und, siehe oben, die schublade geht nur mit gewalt aus der schiene heraus.

die schwedische firma hat diesen schritt in die komplexität, die der kunde nicht mehr beherrscht und deren basisobjekte er nicht von hand zusammenschraubt, sicher bewusst unternommen. der nächste schritt ist das fertige schrankmodul. dann hat sich das konzept des leichten transports und des “schraubst du noch, oder lebst du schon” überholt, und ikea ist wie alle anderen.