die BBC | 1932

schon der buchrücken des B.B.C Year Books 1932 ist fein:

BBC-Year-Book-1932---Buchrücken

wenn man das buch aufblättert, sieht man diese doppelseite, die die erste etage des neuen funkhauses zeigt. alles dreht sich um musik, ganz links unten sogar um musikkomposition:

BBC-Year-Book-1932--InnenlebenB.B.C Year Book 1932, innere umschlagseite

ich habe es offenbar für 10 britische pfund gekauft, schätze in den späten 1980er jahren in london. der preis steht oben rechts. die year books sind schätze des wissens, der rundfunk- und technikgeschichte. schlagen wir nur mal die seite mit den europäischen statistiken auf. damals hat man balkendiagramme noch anders angeordnet, wie pfeifenorgeln, obwohl es logisch keinen sinn macht:

BBC-Year-Book-1932---Hörer-in-Europahörerzahlen pro tausend einwohnern, nach europäischen ländern. deutschland an fünfter stelle

der radio-händler | 1936

der radio-händler - august 1936titelblatt der ausgabe vom august 1936

typische recherche:

  • ich gucke die ebay-rubrik mit antiquarischen zeitschriften durch, gebe das stichwort “rundfunk” ein und finde unter anderem den “radio-händler”, diverse ausgaben von 1933–1938, von privat zu verkaufen.
  • um mir ein solches heft mal anzugucken, biete ich 2 €, werde sofort überboten, biete 3,52 €. paar tage später geht die auktion zu ende, in den letzten sekunden schaukelt sich der preis hoch zu 28 €. dasselbe spiel mit weiteren ausgaben.
  • ich frage eine nette kollegin im deutschen rundfunkarchiv, ob ihr eine zeitschrift dieses namens schon untergekommen ist, denn das DRA ist reich bestückt, auch mit rundfunkliteratur. die antwort: nein, haben wir leider nicht.
  • dann befrage ich mal die deutsche nationalbibliothek und die zeitschriftendatenbank. in der DNB werde ich nicht fündig, in der ZDB aber schon: Der Radio-Händler : Fachblatt für d. Handel mit Radioartikeln ; Rundschau über d. gesamte Radiotechnik. – Berlin   [1.]1923 – [4.]1926; 5.1927 – 15.1938. erhältlich in bibliotheken in münchen, berlin, leipzig und köln. in köln sogar an drei orten, unter anderem in der universitätsbibliothek. dort finden sich einige jahrgänge aus den 1930er jahren, also auch die, die bei ebay pro exemplar für über 20 € versteigert werden.
  • ich schwinge mich aufs rad, fahre zur kölner unibib und nehme mir die ersten beiden hefte des 1936er-stapels vor. zwei hefte, eine stunde staunen. das kann ja heiter werden…

der-radiohändler-1936

drei botschaften | wdr 3 feiert 50

wdr 3 feiert sich selbst. anlass im großen sendesaal des funkhauses am wallraffplatz war gestern in einer zweistündigen gala mit rundfunk-live-übertragung der 50. jahrestag des “dritten programms”.

WDR-3-feiert-50---20140329mit bigband und orgel (hier: bachs musikalisches opfer) feiert wdr 3 sein 50jähriges vollprogramm. foto: m.s.

nach einigen probeläufen in den 1950er jahren, im verbund mit dem ndr, baute der wdr ab 1964 sein drittes programm aus. dem offiziellen start des “vollprogramms” am 30. märz 1964 gingen wochen des reduzierten sendebetriebs voraus. wdr 3 trat an mit der mission, kultur in den unterhaltungsfunk zu bringen; das vorbild war das dritte programm der bbc (radio 3) mit “gehobener” – und das hieß damals vorwiegend “klassischer” –  musik. ins wdr 3-programm fügten sich die so genannten klangkörper (die wdr big band ist einer von vieren) ein, karlheinz stockhausen war auf der welle zuhause.

neben der musiklastigkeit spielten bereits zu beginn hörspiele und literarische sendungen eine zentrale rolle. das “anspruchsvolle wort” hatte in keiner wdr-hörfunkwelle sonst platz. es bildeten sich literatur-, nachrichten-, wissenschafts- und kommentarsendungen heraus, etwa am abend vorgestellt, gutenbergs welt, das kritische tagebuch. wdr 3 war eine hybridwelle mit einem hohen wortanteil sowie jazz und klassik (60% wort, 40% musik). im rahmen mehrerer programmschema-änderungen in den letzten jahren drehte sich das verhältnis um, leichtgängige klassiksendungen wie tonart entstanden, musikstrecken mit smooth-jazz, etwa in der sendung resonanzen, schlichen sich ein, in der morgen-kultursendung mosaik wurden die wortbeiträge kürzer und fanden nicht nach jedem, sondern nach jedem zweiten musiktitel statt.

die gestrige veranstaltung unterstrich den kurs: weg vom wort, hin zur musik. es war in den zwei stunden etwa eine halbe minute die rede vom wortprogramm. kultur wurde fast ausschließlich mit musik gleichgesetzt, und zum beispiel nicht mit hörspiel oder literatur.

eine zweite botschaft sprach aus dem jubiläumsfest: die gäste auf der bühne waren fast alle über bzw. weit über dem renteneintrittsalter (herrliches wort!)

WLAN-verschlüsselt-WDR-3während der veranstaltung sollte man offensiv twittern. ging aber nicht. kein netz, und alle router fest verschlüsselt.

die dritte botschaft sprach noch-hörfunkdirektor wolfgang schmitz zu beginn ins publikum: man möge die mobiltelefone stummschalten, aber nicht ausschalten; denn internet und twittern und facebooken sei ausdrücklich erwünscht. worauf einige ihre smartphones herausholten und den browser öffneten. der fand allerdings kein netz, denn (im screenshot oben rot umkringelt: edge mit null pegel) die mobilen funkmasten werden nicht in den sendesaal hineinverstärkt, man ist also in einem funkloch. hat wdr 3 also für ein schön starkes wlan gesorgt? ja! aber leider verschlüsselt.

die drei botschaften waren also:

  1. wir sind bei wdr 3 voll fürs soziale vernetzen, aber dass man dazu online sein muss, wussten wir nicht.
  2. wdr 3 ist ein kulturprogramm, und kultur bedeutet jetzt nur noch musik, nicht wort.
  3. und: bei wdr 3 sind wir 60-90jährigen unter uns.

hörer hätscheln | wdr 5 lebensart

cuddling

wohlfühlhätscheln (foto von wikipedianer loliloli)

es gibt einige grundregeln im rundfunkjournalismus, zum beispiel die, den hörer nicht zu hätscheln. der hörer ist ein mensch auf augenhöhe, also behandelt ihn der moderator ordentlich, nicht anbiedernd. das gilt für die hörer, für die die rundfunkmacher ihr programm machen, ebenso wie für die hörer, die live in der sendung anrufen.

zu den hörer hätschelnden sendern gehören fast alle privaten, denn sie gieren aus rein ökonomischen interessen heraus darauf, den hörer für gewinnspiele, staumeldungen etc. zu ködern. bei den öffentlich-rechtlichen sendern wäre das nicht nötig, es passiert trotzdem in den “leichten wellen”. leichte wellen sind solche, deren ziel es ist, den hörer dezent zu unterhalten und nicht zu stören, weder mit wort, noch mit musik.

aber auch wellen mit eigentlich hohen wort- und inhaltsanteilen wie wdr 5 biedern sich dem hörer an und machen über lange strecken “wohlfühlprogramm”. die indizien für die anbiederung sind, dass der moderator die sendung mit einem satz wie “schön, dass Sie da sind”, “schön, dass Sie eingeschaltet haben” beginnt. das kann man auf verschiedene weisen sagen. eine weibliche stimme, die das sehr nah in ihr studiomikrofon haucht, ist besonders schlimm. es geht weiter mit einer an touristenanimationen in ägyptischen freizeitresorts erinnernde umwerbung des hörers, schon bevor er anruft: er möge doch jetzt bitte bitte anrufen. und wenn er dann anruft, der hörer, wird er, ganz gleich, was er sagt, hauptsache es ist einigermaßen nett, umgarnt und umsorgt.

wdr5gestern in der live-sendung wdr5 lebensart war das prototypisch der fall. es ging um die geschichte des festnetztelefons. eigentlich eine interessante geschichte (hatte bismarck ein telefon? wie hat hitler mit stalin telefoniert? war der mondscheintarif der deutschen post in den 1970er jahren eigentlich ein kommerzieller erfolg oder ein markendebakel?), aber die live in der sendung anrufenden hörer erzählten das, was die moderatorin schon in ihren zwei eingangsmoderationen ange”teasert” hat: nette geschichten, die jeder kennt. jeder hörer wurde von ihr eingepackt in ein “schön, dass Sie angerufen haben” und ein “tolle geschichte, vielen vielen dank!” entsprechend wohlfühlerisch riefen die nächsten hörer an, es war eine ganz unangenehm verhätschelte stunde.

das problem damit ist, dass es verschenkte (niemand erfährt etwas wirklich neues), peinliche (ein streichelzoo ist immer peinlich) sendezeit ist. ein nostalgisches thema wie dieses ist besonders gefährdet. der moderator muss die hörer streng führen, und dazu gehört es, von anfang an die wohlfühldecke peinlichst zu meiden. das bedeutet in der praxis, keine wohlfühlworte, und den hörer knapp halten; nicht, um ihm weh zu tun, sondern um meinungen zu sammeln. vielleicht hat der fünfte anrufer eine geschichte zu erzählen, die weder nostalgisch, noch stammtischhaft ist. journalistisches grundhandwerk von rundfunkmoderatoren.

es gibt im deutschen hörfunk zahlreiche beispiele, wo dieses anbiederungsbewusstsein vorhanden ist und die sendung mit ihrer frechheit oder trockenheit oder wahren empathie fesselt (1live, deutschlandfunk, domian). in wdr 5 ist es über große programmstrecken nicht vorhanden, und die gestrige ausgabe von “lebensArt” (wer kam denn auf das große A mitten wort?) mit dem titel “hörer im gespräch – telefongeschichten” war ein prototyp für diese erbärmlichkeit.