wohlfühlhätscheln (foto von wikipedianer loliloli)
es gibt einige grundregeln im rundfunkjournalismus, zum beispiel die, den hörer nicht zu hätscheln. der hörer ist ein mensch auf augenhöhe, also behandelt ihn der moderator ordentlich, nicht anbiedernd. das gilt für die hörer, für die die rundfunkmacher ihr programm machen, ebenso wie für die hörer, die live in der sendung anrufen.
zu den hörer hätschelnden sendern gehören fast alle privaten, denn sie gieren aus rein ökonomischen interessen heraus darauf, den hörer für gewinnspiele, staumeldungen etc. zu ködern. bei den öffentlich-rechtlichen sendern wäre das nicht nötig, es passiert trotzdem in den “leichten wellen”. leichte wellen sind solche, deren ziel es ist, den hörer dezent zu unterhalten und nicht zu stören, weder mit wort, noch mit musik.
aber auch wellen mit eigentlich hohen wort- und inhaltsanteilen wie wdr 5 biedern sich dem hörer an und machen über lange strecken “wohlfühlprogramm”. die indizien für die anbiederung sind, dass der moderator die sendung mit einem satz wie “schön, dass Sie da sind”, “schön, dass Sie eingeschaltet haben” beginnt. das kann man auf verschiedene weisen sagen. eine weibliche stimme, die das sehr nah in ihr studiomikrofon haucht, ist besonders schlimm. es geht weiter mit einer an touristenanimationen in ägyptischen freizeitresorts erinnernde umwerbung des hörers, schon bevor er anruft: er möge doch jetzt bitte bitte anrufen. und wenn er dann anruft, der hörer, wird er, ganz gleich, was er sagt, hauptsache es ist einigermaßen nett, umgarnt und umsorgt.
gestern in der live-sendung wdr5 lebensart war das prototypisch der fall. es ging um die geschichte des festnetztelefons. eigentlich eine interessante geschichte (hatte bismarck ein telefon? wie hat hitler mit stalin telefoniert? war der mondscheintarif der deutschen post in den 1970er jahren eigentlich ein kommerzieller erfolg oder ein markendebakel?), aber die live in der sendung anrufenden hörer erzählten das, was die moderatorin schon in ihren zwei eingangsmoderationen ange”teasert” hat: nette geschichten, die jeder kennt. jeder hörer wurde von ihr eingepackt in ein “schön, dass Sie angerufen haben” und ein “tolle geschichte, vielen vielen dank!” entsprechend wohlfühlerisch riefen die nächsten hörer an, es war eine ganz unangenehm verhätschelte stunde.
das problem damit ist, dass es verschenkte (niemand erfährt etwas wirklich neues), peinliche (ein streichelzoo ist immer peinlich) sendezeit ist. ein nostalgisches thema wie dieses ist besonders gefährdet. der moderator muss die hörer streng führen, und dazu gehört es, von anfang an die wohlfühldecke peinlichst zu meiden. das bedeutet in der praxis, keine wohlfühlworte, und den hörer knapp halten; nicht, um ihm weh zu tun, sondern um meinungen zu sammeln. vielleicht hat der fünfte anrufer eine geschichte zu erzählen, die weder nostalgisch, noch stammtischhaft ist. journalistisches grundhandwerk von rundfunkmoderatoren.
es gibt im deutschen hörfunk zahlreiche beispiele, wo dieses anbiederungsbewusstsein vorhanden ist und die sendung mit ihrer frechheit oder trockenheit oder wahren empathie fesselt (1live, deutschlandfunk, domian). in wdr 5 ist es über große programmstrecken nicht vorhanden, und die gestrige ausgabe von “lebensArt” (wer kam denn auf das große A mitten wort?) mit dem titel “hörer im gespräch – telefongeschichten” war ein prototyp für diese erbärmlichkeit.