rainald becker | stolpern zum chef

rainald becker, best of-kommentare, wie sie gerade durch die sozialen netze schwirren

der → designierte ARD-chefredakteur rainald becker (vormals WDR und SDR) wird von diesem vorgestern auf youtube geposteten zusammenschnitt seiner kommentare seit 2010 bloß gestellt. 2010 kommentierte er, deutschland solle sich ein vorbild an der NSA nehmen und seine bürger ähnlich konstruktiv überwachen.

  • “vorratsdatenspeicherung und ab und zu ein fingerabdruck – das ist kein teufelszeug. wer das nicht will, kann sich ja zuhause hinterm ofen verkriechen”.

2012:

  • “es kann nicht sein, dass deutschland zum schwächsten glied der sicherheitskette wird. […] die anlasslose datenspeicherung für 6 monate ist hilfreich (im kampf gegen den terror)”

2013:

  • “es gilt, das datenmonster NSA zu zähmen.”

2015:

  • “die vorratsdatenspeicherung kann kommen. deutschland wird ein stück sicherer. verhindern kann die vorratsdatenspeicherung anschläge (wie auf charlie hebdo) nicht.”

an die ofen-metapher von 2010 anschließend, polemisiert becker 2015: wer sich über die datensammlerei des staates aufrege, solle sich doch an die eigene nase fassen, weil er täglich über soziale netzwerke und beim online-einkauf und online-spielen freiwillig spuren hinterlasse. dieses argument ist so kurzschlüssig wie die alte formel der rechtskonservativen: “wer nichts zu verbergen hat, braucht auch nichts zu fürchten”. was all die leute, die mit diesem hauruck-kommentar daherkommen, nicht verstanden haben, ist zweierlei:

1) grundgesetz artikel 2: Recht auf Privatsphäre

2) im speziellen: Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Datenschutz), Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. der datenschutz entstand gegen viel widerstand aus konservativem lager in der bundesrepublik in den 1980er jahren und präzisiert das, was artikel 2 GG sagt, nämlich mir ein recht auf privatheit zusteht, auch wenn ich nichts zu verbergen habe.

wer das nicht kapiert und sich mit hemdsärmligen stammtischparolen darüber hinwegsetzt, sollte in einem öffentlich-rechtlichen medium kommentarverbot bekommen. es reicht schon, wenn er über sendungsinhalte entscheidet.

mit seinem nachsatz zum 2015er kommentar, mit dem der video-zusammenschnitt endet, wird becker übrigens völlig unterirdisch: er sagt, wer seine daten gern und locker an amazon, ebay und google abgibt, soll sie doch erst recht dem lieben staat abgeben. das ist ungefähr so, als würde ich charlotte in meinem bioladen etwas übers studium meiner tochter erzählen und meiner krankenversicherung etwas über den zustand meiner zähne, und weil ich das tue, kann ich doch gleich meinen PC für den bundestrojaner öffnen.

noch ist becker nicht zum fernsehchef der ARD gewählt. es gibt alternativen, etwa den für seine begnadeten moderationen und kommentare nicht weniger berühmten → sigmund gottlieb. aarrgh.

gebührliche | rundfunkgebühr

aus meinem → eintrag im SWR 2 dokublog:

in mehreren publikationen heute geht es um geldverschwendung, content- und existenzvernichtung in öffentlich-rechtlichen sendern. der deutschlandfunk profitiert.

von einem privatwirtschaftlich geführten verlag wie cicero erwartet man einen kritischen blick auf die öffentlich-rechtlichen, gebührenfinanzierten programme. in der → aktuellen ausgabe geht kollege christoph schwennicke mit bekannten argumenten mit der ARD ins gericht: millionen an gottschalk gezahlt und ohne eine einzige sendung sogar nochmal hinterhergeschmissen – und damit versenkt, dreistellige millionen für veranstaltung eines nachweislich korrupten vereins vorab bezahlt, nämlich die FIFA.

die argumente kann man auch als autor der anderen seite, eben der öffentlich-rechtlichen sender gut nachvollziehen; denn da stimmt etwas ganz grundsätzlich nicht, wenn auf der anderen seite unzählige rundfunk- und fernsehkollegen arbeitslos werden, nur weil zum beispiel der WDR eben mal 250.000 € jährlich einsparen muss. (warum eigentlich?) bereits dreistellige einsparvorgaben können ganzen redaktionen das genick brechen.

sympathisch, und auch ganz in meinem sinne, ist dieser satz aus schwennickes kurzkommentar:

“Ich bin großer Anhänger des öffentlich-rechtlichen Systems. Es bietet das beste Fernsehen der Republik. […] Und ohne Deutschlandfunk kann ich mir einen Morgen so wenig vorstellen wie ohne Kaffee.”

der zweite artikel, der das quasi innerbetrieblich verdichtet, macht heute in mehreren medien die runde. hier wäre ein exemplar davon: uwe mantels → blick auf den massiven abbau des wissenschaftsjournalismus im WDR fernsehen und hörfunk. dabei geht es, im vergleich zu den millionen an die busenfreunde gottschalk und jauch, um peanuts, aber eben um existenz- und content-vernichtung. man muss sendungen wie das nicht gerade von eitelkeiten freie “quarks & co.” oder das ultralite gebürstete wissenschaftsmagazin “leonardo” (WDR 5) nicht mögen, aber es sind die einzigen generischen WDR-sendeplätze für populärwissenschaft.

die einsparungen im WDR betreffen übrigens mindestens so stark die im kulturbereich tätigen journalisten und redakteure. die haben aber offenbar keine lobby und sammeln keine unterschriften für → briefe an den intendanten. (wobei tom buhros antwort auch keinem weiterhilft.)

von all dem profitiert der deutschlandfunk. und was die → wissenschaft angeht, profitiert er sowieso. womit ich wieder da wäre, wo ich oben begann. (ich höre nicht den DLF am morgen, aber ich trinke auch keinen kaffee am morgen; ich höre das öffentlich-rechtlich finanzierte → today in der BBC radio 4 am morgen und trinke tee. hier sei ein emotikon erlaubt ;-)