die sendung, die sich im untertitel “wissenschaft und mehr” nennt, ist meistens (und seit vielen jahren) → die sendung mit der maus auf erwachsenenniveau, also quasi die sendung mit der großen maus. ähnlich wie die kleine maus ist auch die große leonardo-maus durchaus erfinderisch, wie man an den vielen reportagen hört, etwa bei menschen, die am wegesrand spatenarbeiten oder in der kölner flora schwitzen. denn wie die kleinen kinder an ein thema herangeführt werden müssen (so ein gängiger mythos), wollen auch die großen hörer herangeführt werden (so ein gängiger mythos), und dann beginnt eben der beitrag über den giftigen bärwurz oder wie er heißt mit einer illustren landschaftsarchitektur-“atmo”, und der beitrag über die krank machende großstadt mit – yep, großstadtlärm!
würde ich in einer journalistenschule lehren, dann ließe ich meine studierende im ersten semester lauter solche beiträge bauen, etwa zum regenwald (in dem es regnet) oder zu orang utans (die orang utan-laute von sich geben) oder zur raumfahrt oder zum schnellen internet. die studierenden (die alle keinen job in der presse mehr bekommen, weil hier kaum jemand mehr etwas verdient) müssten sich zu allem geräusche einfallen lassen – die ich dann am semesterende alle wieder streiche, weil sie so trivial sind und den hörer für dumm verkaufen. was für ein geräusch beim schnellen internet? digitales piepsen! (im fernsehen kann man sich die router-von-hinten-mit-blinkenden-LEDs-aufnahmen dazu denken.) welches geräusch bei raumfahrt? sphärischer synthesizerklang.
in der sendung mit der kleinen maus fragt → armin maiwald (der angeblich gern sein bundesverdienstkreuz als anstecknadel mit sich herumträgt): wie kommen eigentlich die streifen in die zahnpasta? und genauso fragt sich leonardo, die sendung mit der großen maus, woher eigentlich der knall beim sektkorken kommt? meine betonung liegt auf “eigentlich”, denn wer “eigentlich” sagt, hat nicht wirklich etwas zu sagen, außer: übrigens; übrigens ist uns auch noch das eingefallen; einen aktuellen anlass gibt es nicht, einen grund, uns das hier und jetzt zu vermitteln, auch nicht. als gäbe es nichts tatsächlich relavantes für hier und heute.
webseite von WDR 5 leonardo vom 20. juli 2015, unterseite “neue partei alfa”
das oben beschriebene ist üblich und vermutlich konzept dieser sendung,* wäre mir aber keine silbe wert gewesen, wenn leonardo nicht mit der rechtsnationalen partei des herrn lucke, vormals AfD, aufgemacht hätte. das kann (siehe den teasertext auf der WDR5-seite) als sympathie-bekundung verstanden werden. die ironie, die möglicherweise dahinter steckt, funktioniert nicht. was soll ironisch daran sein, einen alphatier-affen mit einem eher schmächtigen parteiaustreter gleichzusetzen? allein das namedropping im teasertext, in der anmoderation und im live-gespräch besagt: wir räumen diesem mann, seiner partei und seinem gedankengut sendeplatz ein. und nicht wenig. um die 6 minuten.
ich kann mir lebhaft die redaktionssitzung am vergangenen freitag vorstellen: viele kollegen und manche der eh schon wenigen freien mitarbeiter, die man aus kostengründen noch beschäftigen kann, sind im urlaub! was um himmels willen senden wir denn aktuelles am montag?
da kam die (selbst für die tagesschau) bedeutungslose ausgründung der “Alfa”-partei aus der AfD gerade recht. denn man konnte bei der gelegenheit “wissenschaftlich” nachfragen, was es in der tierwelt eigentlich für alfas gibt? keine. aber alphas, mit ph!
das ist ungefähr so, als würde asylantenhasser horst seehofer aus der CSU austreten und eine “CS” gründen. dann könnte die sendung für die große maus, wenn eh sommerloch und themenarmut herrschen, bei der gelegenheit bisschen für die neue CS-partei werben, indem die redaktion eine fachjournalistin einlädt, die locker über → CS-Gas schwadroniert, vielleicht mit wissenschaftlich klugen sätzen wie
- “Nach Angaben des United States Army Center for Health Promotion- and Preventive Medicine emittiert CS sehr giftige Dämpfe, wenn es bis zur Zersetzung erhitzt wird.”
[ratet mal, woher dieser satz kommt?]
also, unterm strich: eine vermutlich politisch “ausgewogene” redaktion hat rechtsblind dem rechtspopulismus unkritisch sendezeit gewidmet. sehr ungünstig in einem sommer, wo viele asylanten aus kriegsgebieten druck von biederen deutschen bekommen.
ansonsten war die sendung ohne musik im podcast → gut durchhörbar. wie immer: weniger wissenschaft als “… und mehr”. leichte kost für menschen, die nichts anbrennen lassen wollen – und hoffentlich nichts anzünden.
*… die übrigens im sog der WDR-einsparungsmaßnahmsdiskussionen im nachtschatten von “yogis” quarks und co. liegt: alle autoren und manche redakteure der wissenschaftsredaktionen beklagen die finanziellen einschnitte ihres programms durch die neue WDR-führung, meinen damit aber nicht den hörfunk, sondern das fernsehen.