leuna | 1959

neues deutschland, 10. juli 1959

das chemiedreieck rund um halle war 10 jahre nach gründung der DDR und bis zu ihrem ende 1989 der inbegriff von schornsteinen, großindustrie und umweltverwüstung. 1959, als sich die bürgermeister von leuna und wolfen trafen, um einen wettbewerb der beiden kleinen städte mit der großen industrie zu verabreden, blickte man noch stolz auf die schornsteine, und, wie in der karikatur links, guckten die schornsteine überheblich auf die rathäuser. worte wie “Der Boden ist fruchtbar dort, wo der Atem des Chemieprogramms weht”, wären zehn jahre später selbst für ein DDR-medium zynisch gewesen.

dass die fabriken marode waren, es von explosionen und bränden wimmelte, strafgefangene quecksilber vom boden kehren mussten, die fenster der wohnungen wöchentlich vom ruß befreit wurden und der straßenrand wegen der giftigen schäume auf den wiesen und bachläufen nicht mehr sichtbar war, wurde weiten teilen der DDR-öffentlichkeit erst in den 1980er jahren bewusst, nicht zuletzt durch fernseh- und zeitungsberichte im west-fernsehen. die stasi nahm die umweltbewegung der DDR unter die lupe, blieb aber ambivalent, weil sie selbst die giftbelastung in und um halle sah. versuche der SED-regierung, die umweltaktivistInnen in FDJ-bahnen zu leiten, schlugen fehl. die stasi im chemiedreieck ist das thema der folge 64 des → offiziellen podcast des stasi-unterlagen-archivs am 13. juli 2022.