besuch im kommunikationsmuseumsdepot

südlich von offenbach ist ein kleines städtchen namens heusenstamm. dort befindet sich das depot, also das archiv des museums für kommunikation frankfurt/m. ich war jetzt zum zweiten mal da und bin gern dort. diesmal wies mich die dortige expertin für die geschichte der nachrichtentechnik lioba nägele auf ein paar bücher hin, die ich ausleihen konnte und jetzt anfange zu erschließen. eins davon fand ich selbst in der bibliothek, es war offenbar gerade aus einem sammlerkonvolut hereingebracht worden, das Rundfunk Jahrbuch 1933.

RundfunkJahrbuch_1933

das buch ist aus mehreren gründen spannend, unter anderem deswegen, weil es 1932 geschrieben und vermutlich ende 1932/anfang 1933 veröffentlicht wurde, als die nazis noch nicht vollständig an der macht waren. das buch ist stellenweise hochpolitisch, was ich jetzt in den wikipediaartikel über den damaligen, tiefbraunen reichsinnnenminister schrieb. hier einige der für die wikipedia entstandenen texte:

Artikel: Geschichte des Hörfunks in Deutschland

Die Vorläufer des Rundfunks in Deutschland waren der „Presserundfunk“ und der „Wirtschaftsrundspruch“, betrieben von der Eildienst G.m.b.H, mit einer überschaubaren Menge gut zahlender professioneller Empfänger, die vom Sender in Königs Wusterhausen über das ganze Reichsgebiet hinweg mit Nachrichten versorgt wurden. Der Wirtschaftsrundspruch startete 1922 mit 762 Empfangsstellen an 255 Orten (Abonnenten) und war ein Erfolg: Zwei Jahre später gab es 1181 Empfangsstellen an 513 Orten. Die Reichspost experimentierte von 1920 bis 1922 mit einem „Rundfunkempfangsnetz“. 1922 gab es 76 dafür geeignete Empfangsanlagen.

 

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Schon die letzte Reichsregierung der Weimarer Republik bereitete eine staatsnahe Rundfunkdoktrin vor. Reichsinnenminister Wilhelm von Gayl verkündete im Juni 1932 in der Rundfunksendung „Stunde der Reichsregierung“ diese Forderung an die Rundfunktreibenden:
„Die Reichsregierung legt Wert drauf, ihre Absichten und Handlungen dem deutschen Volke durch Benutzung der neuzeitlichen Einrichtung des Rundfunks unmittelbar mitzuteilen. Wir fühlen uns verpflichtet, uns auch an die Millionen deutscher Menschen zu wenden, die den Rundfunk in allen Teilen unseres Vaterlandes hören. Wir werden hinfort durch den Rundfunk unmittelbar zum deutschen Volke sprechen, damit es weiß, woran es ist, und weil es ein Recht hat, uns zu hören!“

 

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Artikel: Westdeutscher Rundfunk, Vorläufer ab 1924

 

Zwischen Oktober 1923 und September 1924 war das deutsche Reichsgebiet fast vollständig mit einem Netz an Rundfunksendern überzogen. In den nach dem Ersten Weltkrieg von alliierten Truppen besetzten Gebieten von Rhein und Ruhr wurde der Bau deutschsprachiger Sender untersagt. Deswegen richtete man im nicht besetzten Münster etwas verspätet den ersten Sender fürs Ruhrgebiet ein. Dazu begann man am 17. Juli 1924 mit den ersten Versuchen mit einem Lorenz-Sender, gründete am 15. September die „Westdeutsche Funkstunde AG“ (WEFAG), die am 10. Oktober ihren offiziellen Betrieb aufnahm und Hörfunksendungen unter der Kennung „Münster I“ ausstrahlte. Die Wellenlänge von 410 m ermöglichte eine unerwartet hohe Reichweite. Die Funkstunde leitete Hermann Krome, anfangs mit einem Vier-Mann-Orchester und einigen Schallplatten. Bei Sendebeginn hatte der Vorläufer des WDR 6114 angemeldete Hörer, einen Monat später bereits 9099. Als im Sommer 1925 die Besetzung des Ruhrgebiets endete, erwarben Tausende dort lebender „Schwarzhörer“ Rundfunklizenzen; die Menge der offiziellen Radiohörer stieg 1925 von 13.950 auf 83.400, also etwa auf das Achtfache. Am 21. Juli 1925 fand am Dortmund-Ems-Kanal bei Münster vermutlich die erste Sportübertragung im deutschen Rundfunk statt, bei der der Reporter nicht im Sender, sondern am Mikrofon vor Ort stand. Das Rundfunk Jahrbuch 1933 beschreibt es als die

 

„…erstmaligen Versuche, das Mikrophon aus dem engen Senderaum herauszuholen und mitten in das Leben zu stellen, […] um nach einem sorgfältig vorher aufgestellten Plan den Betrieb eines Ruderrennens zum Erstaunen der Hörer weiterzugeben. Heute können wir uns die damalige Begeisterung über das außerordentliche Neue kaum noch vorstellen, und nur die wenigsten der damaligen Hörer werden sich im Augenblick bewußt geworden sein, daß dies der Ausgangspunkt des heute so wichtigen Zeitfunks geworden ist.“
Der Erfolg zwang die Westdeutsche Funk-Stunde AG zu einer Ausdehnung nach Westen und zur Eröffnung zweier „Nebensender“ am 18. und 19. September 1925 in Dortmund und Elberfeld (heute zu Wuppertal). Ende 1926 zog die WEFAG nach Köln um und hieß fortan „Westdeutsche Rundfunk AG“ (WERAG). Das neu erbaute Funkhaus befand sich in der Dagobertstraße 38 und war über die Fernsprechnummern 5536 und 5537 zu erreichen.

 

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Artikel: Rundfunkgebühr, Frühgeschichte

 

Rundfunkgenehmigung 1932
Am Ende der Weimarer Republik bestand die Rundfunkgenehmigung aus einem sehr feinen Geflecht von „Hörerrechten und -pflichten“. Das von der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft herausgegebene Rundfunk Jahrbuch 1933 vergleicht die Gebühr von damals 2 Mark monatlich mit dem Waffen- oder Jagdschein, bei dem man das Recht erwirbt, etwas tun dürfen, keinesfalls aber ein Vertragsverhältnis über ein zu lieferndes Produkt eingeht. Der Eigenbau von Rundfunkgeräten bedurfte keiner Genehmigung, jede Antenne aber kostete ihre Jahresgebühr. Körperbehinderte und „wohlfahrtsunterstützte“ (also arbeitslose und verarmte) Menschen bekamen die Gebühr erlassen. Unternehmen und größere Hausgemeinschaften mit Untermietern, Hotels etc. bekamen Rabatte. Untersagt war das Verkabeln einer lizenzierten Anlage mit einer nicht lizenzierten in einem anderen Raum. Der zahlende Rundfunkhörer durfte sein Gerät bewegen und seine Antennen frei aufstellen, zum Beispiel auf am Dach, und vor Gericht bekamen in der Regel die protestierenden Hausbesitzer nicht Recht. Wer seine Rundfunkempfangsanlage mit auf Reisen nahm, um sie etwa am Urlaubsort zu betreiben, musste sein Genehmigungsschreiben mit sich führen, um es gegebenenfalls vorzulegen.

 

1932 stand es dem Hörer frei, was die Nationalsozialisten wenig später unter Todesstrafe stellten, auch ausländische Sender und Versuchssender zu empfangen. Wenn er jedoch beim Wählen der Frequenz auf nicht für die Allgemeinheit bestimmte Funknachrichtendienste des Hochsee-, Presse-, Sport- und Wirtschaftsfunks stieß, durften diese „weder niedergeschrieben, noch anderen mitgeteilt, noch gewerbsmäßig verwertet werden.“ Diese kommerziellen Übertragungen für spezielle Abonnenten waren technikhistorisch Vorläufer des öffentlichen Rundfunks, medienhistorisch Vorläufer der Nachrichtenagenturen und wurden später durch Telex abgelöst.

 

Wer wochenlang kein Radio hörte, musste trotzdem zahlen; beim Außerbetriebnehmen der Anlage konnte monatlich gekündigt werden, jeweils bis zum 16. des Monats bei seinem Postamt. Auch über die Lautstärke der Rundfunkwiedergabe wird in den Bestimmungen zur Rundfunkgenehmigung thematisiert. Bei offenem Fenster war geringe Lautstärke angeraten. Urteile wegen Ruhestörung durch „Lautsprecherlärm“ waren 1932 keine Seltenheit. Wer sich nachhaltige gestört fühlt, konnte auf Unterlassung klagen, wobei die Unterlassung sich auf die Lautstärke oder die Betriebsdauer bezog.

 

Für Störungen des Rundfunkempfangs übernahm die Reichspost keine Gewährleistung und verwies auf die Rundfunkgesellschaften, die verpflichtet seien, einen ordentlichen Betrieb zu sichern. Wenn allerdings eine neue Störquelle in der Nachbarschaft auftauchte, etwa durch „Polwechsler, Maschinen, Selbstanschlußämter“, konnte man die „Funkhilfe“ anrufen, und Ingenieure der Post kümmerten sich um das Problem. Umgekehrt musste der Gebührenzahler sicher stellen, dass seine (noch nicht durchgehend standardisierten) Anlage nicht andere störte, etwa den Betrieb von Fernsprechanlagen.