musik wie sand am meer. grafik: ms
aus einem facebook-dialog: zündfunkkollege ralf vermeldete
- Ich habe in 2015 vermutlich jeden Tag 3 Alben gehört. Das macht ca 1.000 Alben im Jahr bzw ca 10.000 Lieder. Gleich im NACHTMIX / Bayern 2 von 23h05 bis 24h spiele ich meine 15 Lieblinge aus ´15
ein anderer kollege, matt, kommentierte:
- Welche Nebenwirkungen treten bei diesem Musikkonsum auf?
ich erlaubte mir zu kommentieren:
- ich hab 2015 vermutlich jeden tag 3 stunden radio und neue bands auf Youtube gehört. das macht ca. 1.000 stunden im jahr bzw. ca 8.000 lieder und 200 stunden moderation/beiträge. nebenwirkung? 90% von dem, was heute auf “alben” herauskommt, kann man knicken. die musik spielt längst woanders.
ralf kommentierte zurück:
- Da hast du zu 50% recht. Diese Hälfte möchte ich nicht missen. Es gibt immer noch klasse Alben. Aber die Online-Only-Songs hab ich einfach mal nicht mit einberechnet, Max.
worauf ich dann ralf privat schrieb:
- so seit ende meiner BR-zeit höre ich bei musikbedarf nur noch internetradio. wenn ich mal den zündfunk online einschalte, oder auch ein etwas anspruchsvolleres musikmagazin auf 1live abends, krieg ich kaum mehrwert gegenüber dem, was ich z.b. via youtube und WFMU höre. wenn ein musikmoderator sagt “seit vier jahren endlich wieder ein album von…” oder “der hat schon damals da und da mitgespielt, und endlich kommt das neue album”, denke ich mir: hä? kommt mir vor wie auf einem sandstrand EIN sandkorn aufheben und sagen: super! deswegen knicke ich auch gern charts und bestenlisten. verstehst, was ich meine? es gibt nicht ZU viel musik in der welt, aber SO viel wie sand am meer. und das ist auch gut so. wenn man ein sandkorn in die muffathalle einlädt, bleibt es ein sandkorn. die tage, wo die promo-tanten LPs und CDs in unsere DJ-postfächer legten und alles einigermaßen übersichtlich war, sind, glaube ich, ewig lang vorbei. für mich seit mindestens 15 jahren.
was ich damit unterm strich und durchaus ernst meine (und schon lange meine): musikjournalismus ist beliebigkeitskommentierung. der berufszweig ist weitgehend tot. und zwar seit der digitalen erzeugung und verbreitung von musik.
in der filmindustrie ist es ähnlich, wenn auch anders: ein großer film kostet für einen laien zu viel geld. ein kurzfilm dagegen nicht. deswegen sind die besten kurzfilme (mit oder ohne plot, selbst koch- und unboxingvideos sind kurzfilme) heute inflationär, eben wie sand am meer, auf youtube zu sehen. und was die fotos und literatur angeht, können wir ein ähnliches lied singen. alles, was digitalisierbar ist, hat diese metamorphonse in die public domain der mediendemokratisierung vollzogen und gesamte genres und berufsstände verwandelt bzw. abgeschafft. in 10 jahren wird es niemanden mehr geben, der sich ernsthaft “musikjournalist” nennt, allenfalls dezent “musikscout nach zufall”. oder eben plattenwechsler für gute stimmung, abgekürzt DJ.