ich las heute eine ausgabe der im passauer verlag friedrich pustet erschienenen katholischen monatszeitschrift deutscher hausschatz ← übrigens ein link zu einer nicht-wikipediaseite, auch wenn sie so aussieht! zufälligerweise war es die ausgabe vom januar 1933, also druckfertig gemacht im dezember 1932, als der faschismus im deutschen reich einen erfolg nach dem anderen feierte, aber noch nicht abzusehen war, dass hitler ende januar 1933 reichskanzler werden würde. journalismus in den wenigen monaten vor der machtergreifung ist immer spannend zu betrachten.
an diesem urkatholischen heft wird deutlich, wie die redaktion hart an die grenze zwischen tradition und rassismus herangeht. auch einige frühere ausgaben, die ich las, sind sehr “germanisch” volkstümelnd, aber dieser artikel zeigt, wie die zeitschrift der rassenpolitik der nazis direkt in die hände spielt. mein vater (* 1926) las diese sätze von mir und schreibt dazu:
Hat mich nicht erstaunt. Der Pfarrer von Mies (wo ich im Internat war) war bei der SA. Stand mit erhobenem Arm, dem “deutschen Gruß”, vor dem Altar in der Kirche.
Die katholische Lehre war in meiner Kindheit auf alle Fälle antisemitisch. Diese Texte in der Zeitschrift passen also genau ins Bild.
der deutsche hausschatz heft 4/1932 rückt die kinderportraits der “braunen erna” in den vordergrund, einer 1883 geborenen, damals also 49jährigen fotografin in den mittelpunkt: erna lendvai-dircksen. ein fotografisch mittelmäßiges bild erscheint sogar im hochglanzdruck: “kinderbildnis”; es zeigt ein mädchen im profil, wie es einen apfel hält. ausgerechnet der apfel ist unscharf.
eine fotostrecke in der heftmitte präsentiert 9 weitere fotografien aus lendvai-dircksens buch “unsere deutschen kinder”. untypisch für die zeit ist der ernste blick der kinder – das ist eigentlich eine haltung der portraitfotografie des späten 19. jahrhunderts; viele fotografen zeigten um 1930 bereits neutralere posen.
umrankt wird die bildstrecke von einem text von paul seelhoff, der auf die tradierte christliche familienhierarchie (strenger vater, liebende mutter) setzt und nicht mit dem wort “deutsch” spart: “Hütet unsere deutschen Kinder!” heißt der artikel, und an keiner stelle wird klar, warum wir ausgerechnet um “das deutsche Kind” besorgt und als papa “ein rechter Vater eines deutschen Kindes” sein sollen.
vielleicht dewegen: “Glückselig das deutsche Kind, dessen Schritte so von einem rechten Vater geleitet werden!” denn, so der autor, die deutsche mutter kann, obwohl sie deutsch ist, oft “ihr Kind nicht verstehen”. dabei seien es gerade wir “Deutsche [die] über diese Dinge zutiefst nachzudenken vermögen”. woher der autor diese problematik zieht, ist unbekannt. seine haus- und hofpsychologie bringt ihn jedenfalls soweit, den mann als kind seiner mutter zu sehen; die ehefrau sei nichts weiter für ihn als eine fortsetzung dieser mutterbeziehung.
in dem artikel wird von den “Qualen der Gegenwart” geschrieben, die die (natürlich stehts arischen abgebildeten kinder) in ihrer naivität nicht wahrnehmen, weil sie eben unschuldige kinder sind.
es folgten bekanntlich unmittelbar nach erscheinen des hefts 12 “glorreiche” jahre für die vermeintlich “hohe rasse”, flankiert von der ausrottung all dessen, was nicht so aussah wie in erna lendvai-dircksens portraits. die fotografin hat übrigens nach dem zweiten weltkrieg noch eifrig im volkstümlichen rasse”kundlichen” stil weiterpubliziert. nach einem ersten verbot ihrer bücher in der sowjetischen besatzungszone fand sogar die DDR die fotos von ihr wert, neu herauszugeben.
die fotos unten bitte mit vorsicht genießen, nicht weiterverbreiten. die zeitschrift “deutscher hausschatz” gibt es seit langem nicht mehr, und auch nicht die verlage, in denen lendvai-dircksens rassenbücher erschienen sind. also konnte ich niemanden nach den bildrechten fragen. wenn’s probleme gibt, ganz unten stehen meine kontaktdaten.
“hütet unsere deutschen kinder!” von paul seelhoff, mit fotos von erna lendvai-dircksen, in “deutscher hausschatz” januar 1933