telefónica | zahlt wikipedia

marken und geld. enzyklopädischer horror.

es gibt in der wikipedia, diesem meisterwerk an enzyklopädie, geschrieben von vorwiegend ehrenamtlichen, hoch motivierten autorInnen, probleme. eines davon ist das sogenannte paid editing, das schreiben von artikeln gegen bezahlung. ich halte das für schädlich, schäbig, unlauter, auch wenn es vor knapp 10 jahren wikipedia-intern diskutiert und unter auflagen erlaubt wurde. die beiden hauptargumente damals:

pro: wenn ein autor von einer firma oder einer privatperson beauftragt wird, kommen evt. quellen und informationen in die wikipedia, an die man sonst nur schwer heran käme. eine mär, denn ein konzern wie siemens hat natürlich interesse daran, firmenbilanzen aus dem archiv zu holen, um das tolle wachstum nachzuweisen.

contra: bezahltes schreiben verletzt den grundsatz, dass autorInnen sich möglichst mit ihren privaten meinungen und interessen zurückhalten sollen. geht bei bezahltem schreiben natürlich nicht.

das bild oben ist ein, ja, bilderbuchbeispiel für bezahltes schreiben. es geht um den artikel über den telefonkonzern → telefónica, in der letzten zeit weitgehend geschrieben von einem → hamburger wikipedianer, der dafür geld bekommt – und das auch offen zugibt. abgebildet ist nur ein kleiner teil des umfangreichen artikels.

hervorgehoben habe ich in blau die zahlen; es sind schöne zahlen, die zeigen, wieviele anteile der konzern an anderen hat, wie viele milliarden er für mobilfunkfrequenzen bezahlen kann, den börsengang usw.

in rot sind die firmen- und markennamen markiert. mit dem gelben henkel die mit “telefónica” im namen.

bezahltes schreiben führt zu einem flyer für aktionäre.

statistik:

  • bei den 37 sätzen dieser beiden abschnitte finden wir 17 durchweg lobende finanzdaten, also durchschnittlich in jedem zweiten satz einmal.
  • 40 mal werden firmen und marken erwähnt, also pro satz mehr als einmal.
  • 9 mal kommt telefónica vor, also in jedem vierten satz.

jetzt kann man argumentieren: es geht nunmal um eine firmengeschichte, in der kapital, “merger” und aktien eine zentrale rolle spielen. schon, aber braucht das in dieser detailliertheit eine enzyklopädie? nimmt man nur ein paar der üppig angegebenen quellen (handelsblatt etc.), bekommt man diese zahlen, marken und infos so detailreich man möchte.

menschen kommen in dem abschnitt zur geschichte des unternehmens nicht vor. es ist zwar von töchtern und müttern die rede, aber nur im kontext von tochterfirmen und mutterkonzernen. schon der erste satz, das unternehmen gehe aus dem 1995 gegründeten mobilfunkunternehmen VIAG hervor, zeigt die richtung: es gibt keine menschlichen player, niemand hat die strippen gezogen, die zu telefónica führten. es sind reine wirtschafts- und geld-infos für anleger.

ich bin der meinung, dass ein so von kommerz strotzender wikipedia-artikel auf ein minimum reduziert gehört. das stößt selbstverständlich auf widerstand der telefónica und ihres bezahlten schreibers.


es ist grundsätzlich ungut, einen wikipedia-artikel mit einem anderen zu vergleichen, um zu sagen: schau mal, da ist es so, warum kann es dann dort nicht auch so sein?! trotzdem ist es im oben genannten zusammenhang gut, ab und an in andere firmengeschichts-artikel reinzugucken, etwa in die von → siemens. da stehen personen und patente im mittelpunkt, bevor markenbildung und anteilseigner hinzukommen. auch der wikipedia-artikel über die → deutsche telekom beginnt mit gesetzen, regulierung, menschen, machtkämpfen. bei telefónica dagegen haben wir es mit einem artikel über die geschichte eines unternehmens in der wikipedia zu tun, der nur von geld, übernahmen und börsengängen handelt. offenbar steckt hinter telefónica wirklich keine menschliche und patentrechtliche leistung. oder unser hamburger bezahl-autor hat es verschlafen.