gelöschte | „hexe“

anfang dezember 2021 las ich in einer archivzeitschrift von einem 12jährigen mädchen, das im jahr 1604 von seiner dorfgemeinde in franken als hexe diffamiert wurde. erstaunlich an dem von der historikerin anne christina may gut recherchierten fall ist, dass sich das mädchen selbst anzeigte, vom gericht gehört und ins dorf zurückgeschickt wurde, mit der begründung, sie sei keine hexe. im dorf wollte man sie nicht mehr haben. ihre eltern unterschrieben einen brief an den bischof, mit der bitte, die tochter in die irrenanstalt einzuweisen. der bischof widersprach auch hier und ließ die junge frau unter besonderen schutz stellen.

ich schrieb einen kurzen wikipedia-artikel mit einem kondensat der informationen aus dem archivheft. die quelle, die ich in den einzelnachweisen aufführte, war eben der archiv-text von anne christina may.

für mich höchst erstaunlich: jemand löschte den artikel zwei stunden später komplett. im wikipedia-jargon heißt das schnelllöschung. nur administatoren können artikel so schnell verschwinden lassen. wie alle administratoren (ich schätze deren arbeit!) war auch dieser ein ehrenamtlicher wikipedia-autor. er meinte, der fall der hexe sei nicht wikipedia-relevant.

ich bat ihn, den artikel wieder herzustellen und einen ordentlichen löschantrag zu stellen, der dann in der regel eine woche läuft und von allen interessierten diskutiert  wird. nach der woche wird der artikel dann nachhaltig gelöscht — oder er bleibt eben. der adminstrator folgte meinem wunsch.

dann setzte eine löschdiskussion ein, die heftig war und sich sechs wochen hinzog. während der ersten woche kamen u. a. einwände, der fall sei von der faktenlage her zu dünn, es fehlten „gute“ sekundärquellen, die 12jährige sei keine person der zeitgeschichte usw. die gegenseite suchte fleißig nach quellen, und es fanden sich mehr als eine, vor allem nachdem jemand herausfand, dass margaretha hedwig in der literatur auch als margret hedwig auftaucht. die kollegInnen fügten das in den artikel ein, sodass dieser während der löschdiskussion auf über das doppelte seiner ursprünglichen größe anwuchs. das wäre er auch ohne die löschdiskussion, aber es hätte vielleicht einige jahre gedauert, weitere quellen zu finden.

auch das archiv in wertheim, wo die historikerin arbeitet und den fall in den originalunterlagen gefunden hatte, arbeitete mit und stellte mir (respektive der wikipedia) einige scans zur verfügung, etwa das dokument, in dem margaretha hedwig dem gericht ihren pakt mit dem teufel schildert, und das schreiben der gemeinde, das mädchen nicht mehr im dorf haben zu wollen.

trotzdem kommentierten manche in der löschdiskussion noch immer, der fall sei eine „historische Nichtigkeit“; (m)eine (?) „journalistische Herangehensweise“ sei „genau der Gegenteil von enzyklopädischer Arbeit“. der „nur zweispaltige“ beitrag in einer archivzeitschrift gelte nicht als quelle. ein anderer empfahl, den artikel zu löschen und diese episode der hexenprozesse in den artikel über hexenverfolgung einzubauen.

mit all diesen einwänden blieb der artikel in der löschdiskussion weit über die üblichen 8 tage hin unentschieden. fünf wochen später, am 12. januar, räumte ein anderer administrator die wikipedia-seite mit mehreren inzwischen entschiedenen löschdiskussionen auf, darunter auch den inzwischen mehrere A4-seiten umfassenden abschnitt über die kleine „hexe“. er hakte den artikel über margaretha hedwig mit „bleibt“ ab.

weil ein artikel (meist zum glück) nie so bleibt, wie er ist, tut sich auch nach ende des löschantrags einiges. ein offenbar kirchennaher, unter pseudonym schreibender autor kürzte einen ganzen abschnitt ein, in dem ich versuchte, das geschehen in der fränkischen provinz in einen größeren kontext (aberglauben, beginnende aufklärung, reformation) einzuordnen. mal schau‘n.

weizen | hefe

weizenbrot auf hefebasis

meine roggenbrote backe ich immer mit sauerteig. eines meiner meist genutzte mehle ist der champagnerroggen aus dem münsterland, den ich mir von ketex.de grob mahlen lasse. beim weizen ist das anders: ich habe jahrelang mit einem weizensauerteig gearbeitet, aber er hat uns geschmacklich nicht befriedigt. seit ich beim weizen den sauerteig weglasse und ihn mit hefe backe, kommt ein ordentliches brot heraus, wie das oben im bild, gestern abend, noch heiß.

dazu, falls es jemanden interessiert, die vorgehensweise.

600 g weizenmehl, bio. meines kommt zurzeit von der fattoria la vialla und ist mit etwa 1050 mittelgrob gemahlen.

minimale frischhefemenge, gefühlt 1/4 gestrichener teelöffel, in lauwarmem wasser aufgelöst.

hefewasser in den teig, dazu weiteres warmes wasser, insgesamt etwa 400 ml.

salz. ungefähr einen gestrichenen esslöffel. ich gebe gern beim weizen korianderkörner und einen schuss olivenöl hinzu.

alles verkneten. ich mache es mit der maschine, ungefähr eine viertelstunde. der teig sollte sich von der schüssel leicht lösen lassen.

dann decke ich die schüssel zu und lasse den teig einen tag lang so stehen. warum so lang? weil die geringe hefemenge zeit braucht, sich zu entwickeln. man kann die länge auch strecken (kühlschrank) oder verkürzen (warme umgebungstemperatur). grundsätzlich gilt: ein brot schmeckt besser und ist verträglicher, wenn es zeit bekommt.

nach einem tag knete ich den teig mit der hand in der schüssel durch; eigentlich ist es mehr ein drücken und quetschen als ein kneten. dann raus auf die arbeitsplatte (bei mir ein ketex-bäckertuch), mit wenig mehl strecken, aber ohne den teig zu zerreißen, falten, drücken, dann wieder strecken — bis er (der teig) keinen bock mehr hat und am liebsten rund bleibt und in ruhe gelassen wird.

so kippe ich ihn kopfüber (die glatte seite vom kneten nach unten) ins gärkörbchen. auch das kommt bei mir von ketex und war in diesem fall ein runder peddigrohr-korb, leicht eingemehlt.

jetzt kommt der teig im gärkörbchen in eine 30°-wärme, am besten schön schwül. entweder alles in eine plastiktüte einpacken und aufs fensterbrett stellen, wo drunter der heizukörper wärmt. oder — so mache ich es — offen in den backofen; 30° mit dampf.

nach ein, zwei stunden ist der teig auf die doppelte größe angewachsen. ich nehme ihn dann raus aus dem lauwarmen ofen, decke ihn zu, stelle einen bräter mit gusseisendeckel in den ofen und heize auf 280°C hoch (umluft 250° müsste auch passen).

dann sollte alles ziemlich schnell gehen: bräter raus, öffnen, teig aus dem gärkörbchen in den bräter kippen, mit einer scharfen klinge oben einschneiden (daher das fischmuster im bild oben), ab in den heißen ofen. den vorgang nennt man „einschießen“.

ich lasse den teig zugedeckt bei 280° arbeiten, nehme nach einer knappen halben stunde den deckel ab („ausschwaden“, weil der im bräter entstandene wasserdampf raus muss), regle die temperatur auf 200° herunter. so lasse ich das brot nochmal eine halbe stunde bräunen. optional auch insgesamt 1 1/2 stunden, wobei die letzte halbe stunde bei 160° nur noch die kruste tiefer in den teig eindringen lässt.

fertig.

omicron | spike

keep in mind: in atomic dimensions colours don’t make sense. we can only derive structures from electron microscopy and try to visualize them. the first image shows the five protein units of the SARS-CoV-2 omicron spike in distinct colours. the second rendering is less abstract, but, of course, not realistic either. all images can be licensed via picturealliance/dpa.

7T9K protein structure
cloud rendering from the other side.

the following rendering shows all atoms of the delta variant spike (left) and of the omicron variant.

delta (left) and omicron spikes