nazi | hinrichtungsstreit

wer heute afd wählt, wählt den rechten “vogelschiss“-flügel mit. das nur als nebenbemerkung.

als die nazis den 2. weltkrieg starteten, forderten sie noch mehr stromlinienförmigkeit als zuvor. die kommunisten, sozialdemokraten, homosexuellen und millionen von juden hatten sie schon umgebracht. jetzt ging’s ans detail. in köln wurde 1941 ein 18jähriger hingerichtet, weil er notorisch klaute. der psychiater bescheinigte ihm “leichten schwachsinn” und “moralische unreife”. er riet zur todesstrafe, weil der dieb nicht mehr “als nützliches glied” in die gesellschaft eingeführt werden könne. die tötung von behinderten war durch die euthanasieaktion längst gang und gäbe. drei jahre später brachte der jurist edmund mezger einen gesetzesentwurf ein, der dazu diente, alles auszumerzen, was “gemeinschaftsfremd” war. damit meinte er “versager”, “arbeitsscheue”, “liederliche”. mezger machte nach dem krieg übrigens karriere, als sei nichts gewesen. sein gesetz wurde nie verabschiedet, aber die NS-juristen handelten so, als sei es gesetz geworden.

plötzensee – hinrichtungen durch strangulieren. foto: alter fritz, wiki commons

ab 1941 platzten die gefängnisse aus den nähten, und auch die todeszellen waren überfüllt. der abtransport in konzentrationslager wäre umständlich gewesen und hätte die zuständigkeiten der SS durcheinandergebracht. also bekamen die staatsanwälte das go für “blitzvollstreckungen”: zwischen verkündung des urteils und der hinrichtung verging oft nur eine stunde. darüber klagte das hinrichtungspersonal, weil es die ganze nacht durch arbeiten musste (hinrichtungen sollten möglichst bei dunkelheit geschehen); und es klagten die geistlichen, deren seelische hilfstellung (und bei katholiken beichte und letzte ölung) mindestens eine stunde dauerte, die die todgeweihten jetzt lieber für die formulierung eines testaments und von briefen an die engsten freunde und verwandten nutzten.

im januar 1941 kritisierte das reichssicherheitshauptamt (mit heydrich als leiter) die jesus-kreuze in den zellen. warum? “das letzte mit bewusstsein aufgenommene bild für den verurteilten stellt das kruzifix dar, das einen märtyertod versinnbildlicht.” das wollten die nazis absolut nicht, denn deliquenten wurden “vernichtet” und nicht feierlich zum schafott geführt. speziell im massenhinrichtungsort plötzensee war das kreuz ein thema, weil dort im akkord gearbeitet wurde. hitler hatte schon früher versucht, die kreuze aus den ämtern zu entfernen, was auf so viel widerstand bei den kirchen und in der christlichen bevölkerung stieß, dass er davon absah – und nun vorläufig (bis der krieg vorbei und gewonnen wäre) auch nichts gegen die kruzifixe in den todeszellen unternahm.

für die christen hießen die todeszellen armensünderzellen. der münchner gefängnispfarrer karl kinle sprach noch auf dem sterbebett von seiner totalen erschöpfung druch die jahrelange arbeit, unter zeitdruck, in den armensünderzellen.

fränkisches | essen

selbst in den besseren, wenn auch nicht spitzen-restaurants von unterfranken*, ist die küche im letzten jahrhundert stehengeblieben. in sauce versenktes, zu lang gegartes fleisch, dazu knödel und zu süßes „blaukraut“. angeblich frische maischolle, die aber tiefgefroren war. tafelspitz, überschwemmt von viel zu süßer meerrettichsauce. die fleischmengen dürften den besucher aus der fremde erfreuen, aber gaumenfreuden bescheren sie nicht. gute küche besteht aus einer, ja, geschmacksexplosion. nicht durch zu viel, sondern durch wenig und passend. schon mal von marcis oder koriander gehört?

deswegen hier ein kontrast: die corona-bedingte take-away-speise eines österreichers in köln**: extrem fein. wiener (!) schnitzel, warmer kartoffel-gurkensalat, preiselbeeren, zitrone. so sieht fränkisches mainstream-essen aus dem pseudo hochwertigen niveau eben nicht aus.

davon können die franken lernen

*zwei beispiele für das mittelmaß: martinsklause ziegelanger, neumanns haßfurt.

** scherz-restaurant köln

motocyclette | 1901

1901 gab es in der automobilistik einen megatrend: das fahrrad bekam einen hilfsantrieb. viele waren skeptisch, ob das sinn machte. es war die zeit, als man die ersten autos in kleinserie baute, mit vier rädern. aber ein motor in einem zweirad? auf der automobilausstellung in paris stellten mehrere unternehmen „motocyclettes“ vor, hier eins mit wassergekühltem verbrennungsmotor, 50 km/h höchstgeschwindigkeit, 32 kg schwer:

fahrräder | 1896

ein herrliches fundstück über die boomenden fahrräder auf den straßen. gefunden im grazer tagblatt vom 28. april 1896. training des blitzschnellen absteigens ist angesagt. und plötzlich ist eine “maschine” (eben das fahrrad) auf der straße, das schneller ist als alle anderen verkehrsteilnehmer, bis auf die eisenbahn. die essenz dieses artikels steht jetzt auch in der → wikipedia. bitte zum vergrößern aufs bild klicken!

unfehlbar zu fall

(un)ausgewogene | inhaltsangaben

wenn wikipedia-artikel von kontroversen themen oder personen handeln, drängt es manche wikipedia-autorInnen, die artikel in eine bestimmte richtung zu drücken. in der regel passiert das über kleine änderungen (edits), die oft nicht auffallen, dann aber in der summe den artikel tatsächlich ummünzen.

ein beispiel für eine den inhalt nicht, den gesamteindruck aber schon verdrehende änderung:

mich machte kürzlich eine freundin auf den artikel über das journalistenbüro → correctiv aufmerksam. der sieht, wie unzählige artikel, sehr zerfleddert aus. wenig fließtext, stattdessen listen mit projekten und auszeichnungen. den ausführlichsten textteil (länger als alles vorherige zusammen) nimmt die kritik ein, hier “kontroversen” genannt. das ist bei einem projekt, das mehr als 20 teilweise durchaus renommierte preise bekam, etwas merkwürdig. aber eben auch typisch, weil correctiv kontroversen auslöst.

links adidas, rechts correctiv

mich hat bei meinem kurzen besuch die inhaltsangabe gestört, die nahelegte, dass correctiv vor allem kritisch zu betrachten sei. auch bei zahllosen anderen artikeln gibt es kritik-abschnitte, die aber im inhaltsverzeichnis in der regel nicht alles andere überwiegen, wie zum beispiel bei → adidas. deswegen mein versuch, bei correctiv dies zu koRRigieren.

walter | praedel

dieser mann wuchs in sehr einfachen und so brutalen verhältnissen auf, dass nicht einmal die schreibweise seines nachnamens klar war. prädl, predel und einige andere versionen kursierten. in seiner geburtsurkunde und dem hinrichtungsbescheid heißt er walter praedel. so habe ich auch den → wikipedia-artikel über ihn genannt, als ich ihn vor einigen jahren anlegte. wie kam ich auf ihn? über eine halbwöchige audio-session im stasi-unterlagen-archiv. ich hatte einen rechercheantrag gestellt, um mich über weitere tonmitschnitte von DDR-strafprozessen zu informieren. elli barczatis und otto fleischer waren die angeklagten in zwei von mir schon früher publizierten prozessen.

an walter praedel ist einiges besonders – und anders. denn er ist weder ein spion, noch in irgend einer form prominent gewesen. fleischer war professor für bergbau, barczatis die chefsekretärin von otto grotewohl. praedel hatte nicht einmal eine eindeutige berufsbezeichnung. von ofenbauer bis landarbeiter war die rede. er hatte aus frust über die verhältnisse in seinem DDR-umfeld eine scheune mit heu angezündet.

der strafprozess gegen ihn im dezember 1961 dauerte genau einen tag. einen monat später wurde er mit dem fallbeil (die DDR vermied das wort guillotine) hingerichtet.

der prozess ist komplett als audiomitschnitt erhalten. wir werden ihn im archivradio des SWR in voller länger präsentieren und schon im vorfeld im podcast des stasi-unterlagen-archivs über ihn diskutieren.