wellen | kraken

ich nenne sie mal wellenkraken, die öffentlich-rechtlichen sender, die mit dem aufkommen der privatradios in den 1980er jahren zu ihrem letzten UKW-wellenkauf aufbrachen. ziel der geldigen aktion war, frequenzterrain zu besetzen und es nicht den „privaten“ zu überlassen.

das ergebnis war, dass die seit den späten 1960er jahren typischerweise von 2 auf 3 wellen ausgebauten UKW-programme der einzelnen sender auf 5 bis 6 wellen kamen. die neuen frequenzen mussten dann irgend etwas ausstrahlen, anfangs fast ausschließlich wiederholungen von sendungen der „alten“ kanäle. also kostenneutrales programm. damals kamen honorarvertrags-varianten auf, die die wiederholung des beitrags einer freien autorin innerhalb von 24 stunden auf null setzten.

mit der zeit schlichen sich immer mehr originäre inhalte in die neuen kanäle, sodass zum beispiel WDR 5 vom wiederholungskanal zum vollen kultur- und wort-kanal wurde. das war enorm teuer, ging aber lange gut, weil man genug geld hatte.

jetzt, da man nicht mehr genug geld hat (und das liegt am wenigsten an den nicht mehr gestiegenen rundfunkgebühren), rächt sich das. die wellen wurden schon anfang der 2000er jahre zart ausgedünnt, was immer hieß: weniger wort, mehr musik. denn musik ist billig. kostet nur die GEMA-pauschale.

valerie weber, die mit dem erfolg des kommerziellen ausbaus von antenne bayern (einem privatsender) im rücken in den WDR einstieg, spart als hörfunkdirektorin nun weiter an dem, was einmal programm hieß. kultursendungen werden bis aufs knochenmark ausgedünnt. keine freien autorInnen können mehr davon leben — einfach weil es kein budget mehr für ihre 300 €-beiträge gibt.

dass das seit jahren erosiv vor sich geht, ohne dass die das programm tragenden freien kollegInnen hätten mitsprechen können, ja meist nicht oder zu spät informiert wurden, zeugt von erbärmlicher moral der entscheider mit ihren soliden monatseinnahmen. es ist einfach nicht korrekt, ohne diskussion, von oben herab ein morgendliches musikmagazin mit ca. 12 beiträgen so zu kürzen, dass nur noch ca. 3 beiträge übrig bleiben. auf die woche gerechnet fallen allein für diese eine sendung 60 beiträge weg; das sind 18.000 € einsparungen — und damit der GAU für alle freien autorInnen, die eine zeitlang gut davon leben konnten, eine familie gegründet und eine wohnung finanziert haben — und jetzt ihre monatsraten nicht mehr zahlen können.

etwas weniger gewerkschalftlich betrachtet rächt sich der wellenkauf von vor 30 bis 40 jahren. in zeiten des streamings braucht heute niemand mehr WDR 1-6, Bayern 1-5, Deutschlandfunk 1-3. wenn man die ca. 60 öffentlich-rechtlichen rundfunkwellen in deutschland quer hört, klingen die meisten verwechselbar gleich. nur der Deutschlandfunk sticht heraus, weil da praktisch immer wortprogramm gesendet wird. diese redundanz übersehen zu haben, ist ein kardinalfehler aller intendanten der letzten 20 jahre. es gibt anlässlich spotify, internetradio und podcasts keinen grund, an klassik- und popwellen festzuhalten.

übrigens, und in diesem kontext sehr wichtig, spricht der rundfunkauftrag von „bildung“ und nur am rande von „unterhaltung“. unterhaltung liefern auch radio köln und charivari.

vor 15 jahren sagte mir eine redakteurin bei der deutschen presseagentur, sie könne keinem mehr raten, berufsfotograf zu werden. heute kann ich keinem mehr raten, rundfunkjournalist zu werden. die jahre waren lange ziemlich fett. jetzt sind sie mager und dörren demnächst komplett aus.