merzenich | brot

merzenich-zentrale köln niehl

ich habe kürzlich ein sehr lecker aussehendes dinkelbaguette bei der größten kölner bäckerkette gekauft, nämlich bei merzenich. der traditionsbetrieb, ursprünglich aus der eifel, hebt sich von den niedrigpreis-bäckereien positiv ab. die so genannten handgemachten brötchen schmecken besser als der in anderen bäckereiketten übliiche schnitt, und sie schmecken auch am nächsten tag. ich bin das seit langem von biobrötchen gewohnt, aber für konventionelle großbäckereien ist das schon gut. die belegten brötchen sind auch lecker. nichts davon ist bio. merzenich hat 800 mitarbeiter, davon die meisten im vertrieb und verkauf. etwa 100 arbeiten in der zentrale, wo auch alle teige entstehen.

das dinkelbaguette war ein reinfall. das brot sah mit seinen vielen körnern auf der kruste so interessant aus – und schmeckte so fad (und gar nicht nach dinkel), dass wir uns die ingredienzien ansahen. sie fanden sich auf der homepage. bei der gelegenheit warfen wir auch einen blick auf andere brote dieses bäckereibetriebs, etwa auf das ur-roggen. neben roggenmehl finden sich da:

weizenmehl, weizenkleber, mehlbehandlungsmittel, margarine, ascorbinsäure, enzyme, beta-carotin, kondensmilch, zucker, rapsöl, sonnenblumenlecithin und mehr.

nachdem ich selber seit einigen jahren brot backe, weiß ich, dass ein “ur-roggen”-brot genau vier dinge braucht: roggenmehl, hefe oder sauerteig, wasser, salz. was bitte hat margarine in einem roggenbrot zu suchen? zucker? warum weizenkleber in einem ur-roggen? kondensmilch?

ich schrieb der bäckerei eine email mit genau diesen fragen. und bekam eine antwort, die zu einem treffen mit den chefs in der zentrale führte. peter otten (von beruf her bäcker) und nicole magiera und ich sprachen eine gute halbe stunde über brotbacken. das dinkelbaguette müsse man überdenken. und was das ur-roggen angehe: kondensmilch und margarine seien geschmacksträger und würden seit über hundert jahren in brot verbacken. man backe bei merzenich brote nach geschmack und verträglichkeit. immer fiel auch das wort “geschmeidig”.

die beiden gaben mir eins ihrer lieblingsbrote mit, ein frisch gebackenes mischbrot mit walnuss.

brot mit kondensmilch

dieses ”berner walnussbrot“ zierte meinen frühstücksteller am nächsten morgen. es sah im anschnitt erstaunlich einladend aus, nämlich mit einer feinen porung und vor allem einer tief nach innen wandernden kruste. diese wird laut otten (und das kann ich nachvollziehen) durch einen langen backprozess erreicht. meine privaten brote backen ziemlich genau eine stunde, die von merzenich doppelt so lang.

walnussbrot im anschnitt. foto: ms

das brot war aber leider eine geschmackliche kathastrophe. es schmeckte nach nüssen und sonst nichts. früher hätte man gesagt: pappe. die meisten kunden, die dieses brot lieben, kaufen es laut den CEOs geschnitten, und zwar nur ein paar scheiben. die sehen im laden immer sehr ansprechend aus. und frisch verspeist schmecken sie bestimmt auch lecker. aber beim brot kommt die wahrheit einen tag später. (meine selbstgebackenen sauerteigbrote schmecken auch nach 10 tagen noch prima, die roggensauerteigbrote sogar von tag zu tag immer besser. genau so kenne ich es aus franken, wo der sauerteig-roggen quasi zur muttermilch gehört.)

der grund für dieses fiasko, was auf praktisch alle industriebrote zutrifft, ist die schnelle teigführung. man hat angesichts der großen produktionsdichte keine zeit, dem teig viel zeit zu lassen, ihn mit der hand zu falten und weiter ”gehen” zu lassen. es gibt in der traditionellen backkunst den begriff der teigruhe. weil dafür keine zeit ist, setzt man enzyme und backtriebmittel ein. und um den faden geschmack aufzupeppen, kommen eben kondensmilch, malz und in diesem fall nüsse hinzu. die ”handgemachten” merzenich brötchen sind dafür ein beispiel. sie stechen positiv heraus.

warum aber schmecken die merzenich-brote backfrisch so lecker? lutz geißler, geologe und mit dem blötzblog zum außergewöhnlichen brotback-instruktor geworden, öffnete mir die augen hierzu: er meinte einmal, frische kruste schmecke immer.

nach 10 tagen noch lecker: mein weizensauerteigvollkornbrot

zurück zu merzenich im norden von köln: nach dem sehr offenen, sympathischen gespräch stieg ich mit meiner drohne in die höhe. nicht, um die bäckerei aufzunehmen, sondern das niehler ei. jetzt in den wikimedia commons, also frei verfügbar. (bitte zum richtigen betrachten den 360°-link anklicken!)

bäckerei merzenich von oben. foto: ms