zynische selbst | versorgung

das leid, das du anderen antust…*

Am dritten Tag sprach nicht Jesus zu seinen Jüngern …, sondern [und ab hier weitgehend wörtlich übersetzt] fing die verschärfte Verhörphase an. Das Subjekt hatte den letzten Abend in einer großen Box verbracht. Gemäß der aktuellen Verhörstrategie war der Schlaf des Subjekts wie in den Tagen zuvor mehrmals unterbrochen worden. Um 10 Uhr 42 kamen die Wachen sowie 10 Psychologen (Verhörexperten) und holten das Subjekt aus der Kiste. Vorher war besprochen worden, wie man mit der Wunde am Handgelenk des Subjekts umgehen solle, denn das Verhör durfte dadurch nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Handfesseln wurden gegen neue ausgetauscht. Die Verhörexperten würden schließlich immer wieder mit der Wunde in Kontakt kommen.

Das Subjekt wurde an die Spezialwand geführt, und man brachte ein aufgerolltes Handtuch an seinem Hals an. Als das Subjekt auf die Frage, was es an Informationen verberge, sagte, keine, bekam es einen erniedrigenden Schlag ins Gesicht. Als es weiterhin verneinte, Informationen über Aktionen gegen die USA zu haben, wurde es mit Wucht gegen die Wand gestoßen.

Die Verhörenden hatten kein Interesse daran, mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten des Befragten in Kontakt zu kommen und forderten ihn deswegen auf, sich selbst um seine Wunden zu kümmern. Sie überreichten ihm 6 Mullbinden und forderten ihn auf, sich zu beeilen und nicht den Verhörvorgang hinauszuzögern, der in wenigen Minuten weiter ginge. Unmittelbar danach stießen sie ihn wieder gegen die Wand, weil er die Frage nach Informationen wieder verneinte. Daraufhin kam er wieder in die Kiste.

Um 11 Uhr 30 wurde das Subjekt aus der Box geholt und ihm ein Sack über den Kopf gestülpt. Man führte es zur Verhörwand und ließ es da in der Anwesenheit der Wachmänner bis 12 Uhr 9 stehen, um sein Orientierungsvermögen zu stören. Die Sicherheitsleute brachten das Subjekt anschließend in die Kiste zurück, nahmen den Sack ab und wiesen es an, den Eimer zur Kenntnis zu nehmen. Es sollte hier seine Blase entleeren.

Um 12 Uhr 46 brachten die Verhörexperten das Wasserbrett in die Zelle. Die Kiste wurde geöffnet, das Subjekt bekam den Sack über den Kopf. Auf dem Wasserbrett, wo sich das Subjekt widerstandslos hinlegte, wurde ihm der Kopf wieder befreit. Es fing an zu weinen, wiederholte, nichts zu wissen, und stotterte “Helft mir”.

Zwischen 12 Uhr 50 und 13 Uhr 15 wurde die Wasserbrett-Technik zahlreiche Male angewandt. Um 13 Uhr 17 kam das Subjekt zurück in die Kiste, um 13 Uhr 21 wieder heraus musste und in sitzender Position auf dem Wasserbrett Platz nehmen. Es wirkte niedergeschlagen, vorgebeugt und weinte offenbar echte Tränen. Es sagte, es habe nach dem Gebet beschlossen, nun die Wahrheit sagen, um sich selbst und seine Brüder zu retten. Um 13 Uhr 26 kam es in die Kiste zurück.

Um 16 Uhr 29 betrat das Team die Zelle und öffnete die Box. Weil das Subjekt keine Auskunft gab, wurde es wieder zum Wasserbrett geführt. Wieder weinte es und bekundete, alles gesagt zu haben. Man wies das Subjekt darauf hin, dass es mehr Informationen liefern müsse, um den Fluss des Wassers zu stoppen.


psychologische | folterlobbyarbeit

sidleyAustinInterrogationReporteins der größten rechtsanwaltsbüros der USA, → sidley austin, hat einen → unabhängigen report veröffentlicht, der sich mit der einfachen frage beschäftigt:

  • wie kamen CIA und US-regierung dazu, für ihr “black site”-folterprogramm im nachgang des 11. september 2001 psychologen heranzuziehen, die das über jahre hinweg absegneten und bei den folterungen dabei waren?

der report kommt zu dem ergebnis, dass manche psychologen vor ort sich durchaus nicht wohl damit fühlten, das waterboarding oder das nackt mit sack auf dem kopf herumstehenlassen von gefangenen als ethisch verantwortungsvolle verhörtechnik anzusehen. aber als sie anfingen, die aktionen kritisch zu sehen, schritten psychologen von außen ein und pfiffen sie zurück. diese personen stammten, und das ist der jetzt aufkommende skandal, aus dem vorstand des dachverbands der psychologen, der american psychological society. die psychologen arbeiteten, ohne den kollegen vor ort zu trauen, der regierung zu und deckten die CIA. heute in der → new york times nachzulesen.

die zusammenarbeit von medizinern mit regierungen und geheimdiensten, um folter zu decken und sogar noch infamere foltertechniken zu ersinnen, hat eine lange tradition. was dieser report bewirken wird, sind vermutlich kleine umbauten in der APS, mehr aber nicht.

[aus den → black sites wurde später das guantanamo bay-gefängnis; auch da waren psychologen anwesend. zu den brutalen zwangsernährungssessions gibt es videos, die ende des monats für die öffentlichkeit freigegeben werden. passt dem pentagon natürlich nicht, aber der freedom of information act will es so. siehe dazu → the intercept von heute.]

20 sek. waterboarding | war zu viel

jamesMitchell_FoxNewsjames mitchell, waterboarding-profi, bei fox news

fox news ist der stramm rechte fernsehkanal, dem der senats-report über CIA-folter nicht nur nicht schmeckt, sondern der von den für die folter verantwortlichen gern genutzt wird, um das blatt zu wenden: nicht mehr die CIA ist böse, sondern die, die die CIA mit diesen vorwürfen kompromittieren. beispielhaft dafür war das willfährige interview bei → fox news “insider” am 15. dezember. mitchell beschreibt seine angst, denn er fühlt sich plötzlich zum sündenbock gemacht. er beschreibt seinen patriotismus, denn er hat alles nur gemacht, weil er amerika schützen wollte. er diskreditiert den folter-report mit dem argument, man hätte ihn nicht befragt. und er gibt sich als milder folterer, der manche rahmenbedingungen zu drastisch fand, zum beispiel die des justizministeriums zum waterboarding.

bei diesen vorgaben steht nämlich drin, dass man den gefangenen jeweils 20 sekunden lang wasser auf das tuch über seinem kopf schütten darf. dann atmet der gequälte einmal durch, dann folgen die nächsten 20 sekunden. das geht dann maximal 20 minuten so weiter.

mitchell, von haus aus psychologe, der über solche techniken “geforscht” hat und sie vor ort in den geheimverstecken der CIA so oft anwendete, dass er sich laut interview nicht mehr an einzelheiten erinnert, brüstet sich nun in der sendung, die vorschriften gelockert zu haben: bei 20 sekunden-intervallen ersticke der patient, sagte mitchell, weswegen er zu 10 sekunden-intervallen übergegangen sei. in einer session wimmelte es also von 10 sekunden wasser, durchatmen, 10 sekunden wasser, plus, wie er nach reichlicher überlegung für praktisch gefunden hat, zweimal 20 sekunden und einmal 40 sekunden!

nur bei scheich mohammed, den mitchell als böse und arrogant bezeichnet, nützte das alles nichts. er gehöre, so mitchell, zu den gefangenen, die das talent hätten, beim waterboarding das wasser über die nase aufzunehmen und direkt über den mund auszuspucken.

zu mitchell und seinem 80 millionen dollar-vertrag siehe auch → das hier bei mir.

CIA folterreport | zurück ins mittelalter

mahjidKahlndas ist majid kahn mit vollbart. als er in den USA studierte, trug er brille und einen gepflegten bart. beim besuch von verwandten in pakistan wurde er von der CIA festgenommen und landete schließlich nach diversen zwischenstationen im guantanamo-gefängnis, wo er sich bis zum heutigen tag befindet.

an majid kahn lässt sich gut festmachen, wie sich physische und psychische folter mischen. das ist neben einigen hundert weiteren seiten mit widerlichkeiten im → heute veröffentlichten folterreport nachzulesen. die CIA hat den mann auf die übliche weise geschlagen, in körperlich unnatürlichen positionen gefesselt und liegen gelassen usw. dazu kam die übliche psychische folter des schlafentzugs und des nackt vor den vernehmenden CIA-schergen stehens. was der report u. a. erstmals offenlegt, ist alles, was mit “rectal feeding” zusammenhängt. viele gefangene wurden opfer dieser prozedur, die sich in den zitaten der CIA-angestellten nach einer lust an vergewaltigung anhört (“lass ihn tief runterbeugen, dann schieb das ding hinten rein, musst keinen druck ausüben, die schwerkraft tut den rest”). hier eine passage aus dem report:

rectalFeeding_CIAmajid kahn war in den hungerstreik getreten, worauf man ihn zwangsernährte, durch “nasogastritische” und “intravenöse” methoden. majid kahn muss so darunter gelitten haben, dass er sich die flüssigkeiten freiwillig selbst über die künstlichen wege zuführte. “ohne groß reden zu müssen” führten die vernehmer dann die zwangsernährung durch den po ein. zwei flaschen des nahrungskonzentrats ensure am vormittag. mittags brachte man dem gefangenen (übrigens einem US-staatsbürger) ein tablett mit dem lunch: hummus (kichererbsenpaste), nudeln mit sauce, nüsse und rosinen. statt es ihm zum essen zu geben, pürierte man alles zu einem brei und führte ihm das ganze rektal ein. der report beschreibt an mehreren stellen, dass diese methode der zwangsernährung nicht indiziert war, sondern der CIA dazu dienen sollte, totale kontrolle über den gefangenen zu bekommen.

majid kahn versuchte sich mehrfach umzubringen, durch aufschlitzen der pulsadern, sich in den ellenbogen zu beißen, eine vene auf der fußoberseite zu öffnen und anderes mehr.

dass der US-senat den report jetzt herausbrachte, hat ganz simple gründe: nach den letzten abgeordetenwahlen wird der senat mehrheitlich republikanisch besetzt sein, und die republikaner versuchten von anfang an, eine aufklärung der CIA-foltervorwürfe zu verhindern.

noch ein beispiel. hassan ghul wurde von der CIA 2004 im irak festgenommen. er hatte verbindungen zu bin laden und “sang like a tweetie bird”. trotzdem brachte man ihn in ein “black site” – also geheimes gefängnis/versteck, rasierte dort seinen kopf kahl, fesselte und hängte ihn in “stress positions” auf (typischerweise die füße an die decke), entzog ihm drei tage lang den schlaf.

das resultat war, dass er dabei “keine brauchbaren bedrohungsinformationen lieferte”. hassan ghul aber ging es schlecht. er bekam, laut internem bericht, “milde lähmungen”, halluzinierte, entwickelte spasmen und herzrhythmusstörungen.

die CIA hatte mehrere, ebenfalls hier dokumentierte meetings, um das problem zu diskutieren: wenn die systematischen menschenrechtsverstöße herauskämen, müsse man beweise vorlegen, dass die folter amerika geschützt hätte, unter anderem beim aufspüren bin ladens. durch diesen report bricht auch dieser fromme wunsch wie ein kartenhaus zusammen.

die mittelalterlichen folterprozesse, nicht nur gegen hexen, gingen ähnlich “geordnet” zu. bevor man die daumenschrauben weiter zuzog, wurden das gericht und natürlich die geistlichkeit angerufen, ob das jetzt angesagt sei. im fall dieser schauderhaften CIA-reports sind g. w. bush, tenet, cheney und rumsfeld direkt dafür verantwortlich. die menschenrechtsorganisation ACLU kommentiert heute in der new york times, dass es utopisch sei, dass eine US-administration eine andere vor gericht bringe. deswegen wäre es ein armseliger, aber immerhin ein sieg der gerechtigkeit und menschlichkeit, wenn die obama-regierung die täter von damals “begnadigen” würde. das wäre nämlich ein eingeständnis ihrer schuld aus aktueller sicht.

medizinisch psychologische foltertipps nach 9/11

Ethics-abandoned-Cover

gerade erschienen, ein report von vorwiegend ärzten und ex-militärs der USA, über den druck des verteidigungsministeriums und der CIA auf ärzte und psychologen, wie man gefangene “sanft” folter kann. columbia university, volltext über die webseite unten als pdf herunterladbar. buchtitel: Ethics Abandoned: Medical Professionalism and Detainee Abuse in the War on Terror. die von den militärärzten freigegebenen “harschen gefangenenbefragungs”-techniken wurden von der bush-administration 2002 in auftrag gegeben, von rumsfeld in kraft gesetzt, und sie gelten weitgehend noch heute.

webseite der IMAPNY:

http://imapny.org/medicine_as_a_profession/interrogationtorture-and-dual-loyalty

der komplette bericht als pdf:

http://imapny.org/File%20Library/Documents/IMAP-EthicsTextFinal2.pdf