die radium girls | und ihre leuchtziffern (1930)

in der zeitschrift kosmos vom august 1930 steht bei “vermischtes” auf s. 294, dass das radioaktive element radium krank machen kann. der kurze artikel wirft ein licht darauf, wie harmlos man anfang der 1920er jahre noch mit radioaktivität umging, und wie das wissen sich ende der 1920er jahre verändert hat.

radium-ist-schädlichzeitschrift kosmos, august 1930: todesfälle durch radium im leuchtzifferfabriken

in einer firma, die leuchtziffern für uhren (damals vornehmlich taschenuhren und wecker) herstellte, bekam eine angestellte seltsame krankheitssymptome wie gaumenblutungen und starb wenig später. auch in der folgezeit wurden mehrere personen in der branche krank und verstarben. man fragte sich, warum, versuchte signifikanzen zu finden, exhumierte einige und fand übereinstimmungen: die knochen leuchteten im dunklen. langsam dämmerte es: die frauen hatten den pinsel, mit dem sie das radium auf die ziffernblätter malte, bei der arbeit laufend mit der zunge angespitzt. auch die zuerst genannte arbeiterin wurde viele jahre später ausgegraben, “und in der Tat zeigte es sich, daß alle untersuchten Leichenteile, so Knochen, Gehirn, Eingeweide usw. selbst noch nach so langer Zeit radioaktive Stoffe enthielten.”

radium gibt es in verschiedenen formen (isotopen). die gängigste, mit dem atomgewicht 226, hat eine (damals noch nicht messbare) halbwertszeit von 1600 jahren. das heißt, nach 1600 jahren leuchten die knochen nur noch halb so hell.

in den USA gab es leuchtziffernwerke in new jersey mit ähnlichen krankheitsbildern wie in dem deutschen beispiel. anfang der 1920er hat man in den USA radium als wundermittel gegen (!) krebs gegeben. das änderte sich mitte der 1920er, als ein zahnarzt den radium-kiefer vorstellte und der pathologe harrison martland eine streng wissenschaftliche studie dazu anfertigte:

Some Unrecognized Dangers in the Use and Handling of Radioactive Substances. In: Proceedings of the New York Pathological Society Band 25, 1925

die leuchtziffernmaler waren immer frauen, und sie bekamen später, als man bescheid wusste, den lovely → radium girls. so sahen sie aus:

USRadiumGirls-Argonnespäter “radium girls” genannte leuchtziffernmalerinnen in new jersey. ca. 1923. wiki commons

yoghurt ist gut für die gesundheit | 1906

nettes fundstück von 1906 in der mdizinisch-hygienischen umschau vom sommer 1906. damals festigten sich gerüchte aus dem balkan und orient, dass da ein getränk die leute richtig gesund hält. die ersten analysen, bevor joghurt dann tatsächlich die welt zu erobern begann, waren 1906 offenbar abgeschlossen. wenn man so will, war es das jahr der joghurt-wende. so schrieb ich es gerade in den artikel über → joghurt in die wikipedia.

1906 berichtete die Medizin-hygienische Umschau über die „auffällige Langlebigkeit“ der Joghurt-Konsumenten und analysierte das Getränk so:

„Die genaue wissenschaftliche Untersuchung des Yoghurt ergab, daß er das Produkt eines besonderen Gärungserregers eist, den man mit der Bezeichnung bulgarische Maya belegt hat. Er bringt die Milch nicht nur zum Gerinnen, sondern entwickelt im Gegensatz zur sauren Milchgärung unserer Landstriche sehr wenig Milchsäure, bewirkt dabei vielmehr eine Spaltung und Auflösung der Milchbestandteile, wie sie durch unseren Magensaft bei der Verdauung erzeugt wird. Der durch die bulgarische Maya aus der Milch erzeugte Yoghurt ist also eine Sauermilch besonderer Art, welche für die Verdauung vorbereitet ist, deshalb selbst vom schwächsten menschlichen Magen gut ertragen wird und in außerordentlich großen Mengen, ohne Beschwerden zu erzeugen, gegessen werden kann. Da ein Liter davon nur etwa 2 g Milchsäure enthält, während unsere einheimische Sauermilch deren 6 bis 8 g aufweist, reizen auch größere Mengen von ihr den Darm absolut nicht und wirken in keiner Weise abführend, wodurch sonst die vollständige Ausnutzung dieses Nahrungsmittels in Frage gestellt würde. Ohne die geringste Beschwerde sieht man Bulgaren und Türken 2 bis 3 Liter dieser gestockten Milch, die eine jede Haushaltung für sich bereitet, im Tage verzehren.“[10]