beer kneipe und church music

hatte heute einen disput mit einem ehrenwerten anderen wikipedianer, der es nicht zuließ, in den artikel über die kneipe den ausdruck “pennkneipe” bzw. “pennerkneipe” zu setzen. beides waren umgangssprachliche begriffe, vermutlich nur in den 1920er jahren und nur in berlin etabliert. pennkneipen waren gaststätten in der nähe von obdachlosenasylen und hießen so, weil die obdachlosen, eben die penner, nach im asyl verbrachter nacht, als das asyl schloss, in die nächstgelegene kneipe gingen und dort den tag verbrachten. das argument, weshalb die pennkneipe gleich wieder aus dem kneipenartikel verschwand, war im prinzip die fehlende wissenschaftliche literatur über den begriff. da muss ich meinem mitwikipedianer recht geben. meine primärquellen waren zwar mehrere, aber auf die schnelle kann ich weder belegen, wie weit verbreitet der begriff zeitlich und räumlich war. eigentlich in plastisches beispiel durchaus fruchtbarer wikipediaarbeit.

zwei nebenfrüchtchen will ich bei der gelegenheit zeigen. zunächst ein artikel in der londoner T’iMES, wo sich eine leserin über bestimmte melodien aufregt, die im gottesdienst gesungen werden. sie vergleicht diese mit rauen deutschen studentenlliedern, wie sie in “kneipen” gesungen werden.

TheTimes_1926_Kneipedie times vom 13. oktober 1926: keine trinklieder im gottesdienst!

eine völlig unrepräsentative suche in der new york times nach dem wort “kneipe” im selben zeitraum zaubert einen langen, feuilletonistisch geschriebenen artikel über einen tag amerikanischer journalisten mit hochrangigen deutschen politikern in heidelberg hervor. dabei tritt zutage, dass reichsaußenminister gustav stresemann sich bei seinen amerikanischen gästen dafür entschuldigte, nichts für jazz übrig zu haben, es sei für ihn nur lärm, und lärm könne keine musik sein. zur versöhnung mit sich und der welt führte stresemann die delegation dann abends in eine von ihm ausgewählte heidelberger “beer kneipe”.

in dem artikel wird dr. stresemann nicht untreffend als “diktator der pazifistschen außenpolitik des [deutschen] reichs” bezeichnet; auch wenn kurz zuvor die rede davon ist, dass er ein freund der mensuren ist, also der von studentenverbindungen praktizierten gesichtsverstümmelungen. später geht’s übrigens mit den amerianischen journalisten nach schwetzingen zur spargelernte.

NYT_1928_Kneipedie new york times vom 13. mai 1928: stresemanns heidelberger “beer kneipe”.