krimi | aus der 3 tage jungen new york times

vernaehteLippen_montagebeine gebrochen, mund zugenäht – trotzdem überführt er die täter.

also gut, da stirbt ein mann und hinterlässt frau und zwei kleine kinder. wenig später heiratet die witwe einen mann, das mädchen starb, und dann wurde der junge auch noch als vermisst gemeldet (lapidar, dafür nur einen nebensatz zu verwenden).

wir sind in amerika, genau genommen in der grafschaft morgan, missouri. also ermittelt nicht die polizei, sondern die nachbarschaft. sie findet es verdächtig, weil nach dem tod des manns der besitz an die kinder überschrieben wurde. also bildeten die nachbarn einen suchtrupp, um den jungen zu finden. sie fanden ihn im benachbarten wald, mit gebrochenen beinen und zugenähtem mund. er wurde gerettet, nannte seine mutter und seinen stiefvater als täter, erzählte auch, dass sie seiner schwester den schädel gebrochen hatten. die leiche wurde exhumiert, das pärchen war der taten überführt.

revoltingInhumanity_NYT_1851new york times vom 20. september 1851

so übernahm die erst drei (!) tage alte new york times einen artikel des “observer” aus boonville, ebenfalls missouri. übrigens, typisch für die zeit: tagesaktualität war ein hoher wert, konnte aber meist nicht geliefert werden. dieser artikel bezieht sich auf vorkommnisse “not long ago”.

das bild oben hat damit nichts zu tun, ich wollte nur mal gucken, ob ich schnell einen zugenähten mund herstellen konnte. ganz einfach: untere ebene ein foto einer vernähten wunde aus den creative commons von carsten niehaus, darüber das foto von einem jungen, ebenfalls aus creative commons (otto placik). ich musste die wunde nur um 90° drehen, denn sie stand vorher vertikal, und den jungen vergrößern. die überlagerung mit “ineinanderkopieren” brachte ohne weitere eingriffe das obige ergebnis. nebeneffekt: auch die haut des jungen nimmt kranke textur an. war für dieses verbrechen durchaus wünschenswert.

vernaehteLippen_setupzwei fotos aus wiki commons, zum ineinanderkopieren (siehe ganz oben)

“das reich der frau” | 1933

in der katholischen zeitschrift “deutscher hausschatz” (siehe dazu den eintrag → hier) gab es viele jahre die rubrik “Das Reich der Frau”. in der ausgabe vom august 1933 (59. jahrgang!) beschreibt helene seyfried (von der man nie mehr etwas gehört oder gelesen hat) die beziehung zu ehemann und kindern wie folgt. zunächst die kinder, überschrift “Das Minderwertigkeitsgefühl bei Kindern”:

„Man ist oft versucht zu glauben, der ‘Minderwertigkeitskomplex’ bei Erwachsenen werde nur vorgetäuscht, weil er gerade in Mode ist. […] Na, das sind so kleine menschliche Schwächen, die man nicht tragisch zu nehmen braucht. Ernster und tiefgreifender ist jene Minderwertigkeit, die man von anderen Menschen zum Vorwurf bekommt. Da ist zum Beispiel junges Menschenkind, das den besten Willen hätte, tüchtig zu sein, aber von einem in alten starren Anschauungen verknöcherten Vater oder einer ewig unzufriedenen Mutter ständig vorgehalten bekommt: ‘Du bist nichts und kannst nichts, aus dir wird nie etwas Gescheites werden, alles fängst du verkehrt und unpraktisch an!’ Es wäre viel gescheiter, die Eltern würden ihrem Kind beibringen, wie es eine Sache besser machen kann, statt ständig, seine Leistungen herabzusetzen. Dadurch wird ja des Kindes ganzes Selbstbewußtsein, sein ganzer Geltungstrieb, der im späteren Leben so notwendig wäre, unterdrückt6 und vernichtet. Und mit der Zeit glaubt das Kind ganz von selbst, daß es tatsächlich nichts ist und nichts kann und es niemals zu etwas bringen wird.“

es wäre kein katholisch-konservatives blatt, würde die autorin nicht hinterherschicken, dass eine gesunde mischung aus “kleinem lob” und “kleinem tadel” genau das richtige für das kind sei.

Neglected_child_L.W.-Hine_1917 vernachlässigtes kind (neglected child), 1917, oklahoma city. foto: l. w. hine

in sachen mann und ehe hat helene seyfried eine einzige message: er bringt in einem harten job das geld ins haus, also soll sie ihn nicht mit dingen aus ihrem alltag belästigen, sondern, so der tipp an die hausfrau:

„…lege deine Erholungsstunden so, daß sie mit denen deines Mannes zusammenfallen.“


ps.: das foto oben hat nichts mit der zeitschrift zu tun; ich fand es in den wiki commons. der fotograf, lewis hine, hat zahlreiche fotos gemacht, die soziale unterdrückung, ausbeutung und verwahrlosung zeigen.