russisch-türkische | kriege

RomeynDeHooghe-SchlachtBeiChocim-1673die schlacht bei chocim 1673 (hier siegt polen)

1672, also vor knapp 350 jahren, wurde der keim für elf (!) russisch-türkische kriege gelegt, die erst mit dem ersten weltkrieg endeten, weil der quasi alles an brutalität und größenwahn in den schatten stellte. der 1672–1676er-krieg fand zwischen den osmanen (türken) und den polen statt. polen verlor. unmittelbar im anschluss griffen die osmanen ein gebiet an, das der russische zar für sich beanspruchte. was könnte das wohl für ein gebiet gewesen sein?: die ukraine.

der vorletzte der elf kriege war der krim-krieg 1853–1856, bei dem die türken die krim verloren,

da schließt sich ein kreis zu heute, eigentlich schließen sich mehrere kreise. alle russisch-türkischen kriege waren religions-geprägt. die türken und russen lieferten sich viele schlachten in einer gegend, die beide gar nichts angeht, nämlich dem mittleren balkan. jugoslawien war eine russisch (sowjetische) fehlkonstruktion, woraus der letzte balkankrieg resultierte, wo sich christen und muslime massakrierten.

die zentraleuropäer sahen bei den vielen kriegen relativ entspannt zu. das deutsche reich gab es so noch nicht, also waren die zentralmächte die drei schön zentralistisch von königen und kaisern regierten länder frankreich, england, österreich. alle drei waren allerdings auf eines scharf (und gaben sich dann immer sehr großzügig, als gastgeber der friedenskonferenzen, zum beispiel in wien): wenn der, ironisch-verächtlich kranker mann am bosporus genannte türke endlich stirbt, dürfen wir zentralmächte den russen nicht das ganze kaputte reich dort überlassen. rohstoffe! zugang zu flüssen und meeren!

soweit ein mini-parcours durch paar jahrhunderte weltgeschichte. beide großreiche, das türkische und das russische, hatten durch diese endlosen raubzüge soviele traumata erlebt, dass sie ganz klein wurden. aus diesem minderwertigkeitskomplex ist ein klein wenig zu erklären, wie sich putin und erdogan heute aufführen. was das aktuelle ISIS-säbelrasseln angeht, spielt das aber nur eine untergeordnete rolle.


*chocim heißt heute chotyn und liegt im westen der ukraine. man muss sich mal angucken, wie “beliebt” diese kleine stadt (zurzeit 11.000 einwohner) war.

  • 1769 nahmen die russen sie ein,
  • 1788 die österreicher,
  • 1806 wieder die russen,
  • 1918 ein halbes jahr lang die österreicher,
  • danach schlug man chotyn zu rumänien,
  • 1940 fielen wieder russen ein,
  • ein jahr später war es rumänisch,
  • ab 1945 dann sowjetisch,
  • und seit 1991 gehört chotyn zur ukraine.

 

“heiliger” krieg und kalifat | 1916

dieser text liest sich top aktuell, ist aber 100 jahre alt. erster weltkrieg, schlachtfeld nordafrika und naher osten. fundamentalistische muslims bekämpfen die britischen truppen. man beachte die wortwahl des “religious rambler”, der den langen artikel in der freitagabend-ausgabe des harrisburg telegraph am 4. februar 1916 verfasst hat:

holy-moslem-war---harrisburg-telegraph---4.-februar-1916der harrisburg telegraph vom 4. februar 1916

“Aus dem östlichen Kriegsschauplatz erreichen uns Nachrichten, die der Durchschnittsleser nicht verstehen kann. Aber sie öffnen das Tor zu einem der romantischsten Aspekte des Kriegs. Zwei schillernde Kräfte von Fanatikern, ausgestattet mit modernen Waffen, versuchen, die Erlebnisse des Propheten Mohammed in der Frühzeit des Islam zu wiederholen. Die Welt erlebt die versuchte Rückkehr zu jenen primitiven Lebensumständen, die der Prophet und seine Anhänger einrichteten, als Horden von Arabern unter seiner Führung große Teile der damals bekannten Welt einnahmen.

Wenn die Depeschen wahr sind, enthüllen sie schwerwiegende Zustände. Diese Muslime verachten die heute üblichen Überlegungen wie man einen Krieg führt. Sie schließen keine Verträge ab und lachen über den Tod. Sie kämpfen für das Paradies. Wie auch immer es ausgeht, sie gewinnen. Wenn sie die Christen töten, verdienen sie sich das Paradies; wenn sie beim Kampf gegen die Christen von den Christen getötet werden, gibt es dieselbe Belohnung. Wenn die Wahhabiten und die Sanusya tatsächlich den Aufuf des Kalifen zu einem “heiligen” Krieg befolgen, ist die Lage ernster als wir sie in diesem kurzen Artikel beschreiben können.”

[aus dem englischen übersetzt]

gehen wir sechs jahre weiter, so finden wir in der londoner TIMES einen bemerkenswerten artikel des asien- und islamkenners arthur moore, der versucht, die “freundlichen besuche” britischer truppen in asien aus der sicht des muslim zu sehen:

asian_mussulman---the-times-1922

die TIMES vom 10. juli 1922

“Versetzen wir uns einmal in die Lage irgend eines Zentralasiatischen Muselmanns und sehen uns an, wie er [uns Briten] sieht. Ich habe mit vielen gesprochen und werde nichts überzeichnen. Nach dem Waffenstillstand schickten wir Unmengen an Truppen in den Kaukasus, der weitgehend Muselmännisch ist. Weit übers Kaspische Meer hinweg hatten wir sogar Truppen im berühmten Merw [Turkmenistan]. Die sorgten anfangs für Stabilität, und wir gaben bekannt, wir seien gekommen, um die Bolschewisten fern zu halten. Aber als die Bolschewistische Bedrohung begann, sich zu materialisieren, waren wir es, die verschwanden. Warum waren wir dann überhaupt dorthin gekommen? Der Islam hat seine eigene Antwort. Wir gingen dahin, um die Ölfelder von Baku unter unsere Kontrolle zu bringen – aber wir waren nicht bereit, um sie zu kämpfen.”

anti-islamistischer franzose | 1829

russischeKampftechnikGegenTürken_1828russische gegen türkische kavellerie, 1828. unbekannter zeichner. wiki commons

in einem artikel vom oktober 1829 beschreibt ein korrespondent der TIMES in paris ein gespräch mit einem “intelligenten franzosen”. im grunde besteht der ganze artikel, wie man das heute nicht mehr tun würde, aus einem einzigen zitat. wir stehen historisch gerade vor der eroberung konstantinopels durch die russen (siehe wikipedia, russisch-türkischer krieg), und der franzose wirft den briten vor, sich zu sehr an die türkei und den islam (statt an die russen) heranzuschmeißen, aus rein wirtschaftlichen interessen. der franzose, so der franzose, leiste sich den sprichwörtlichen snobismus, das geld beiseite zu lassen und an größere zusammenhänge zu denken.

mit den größeren zusammenhängen meint er nur eins: dem “barbarischen mohamedanismus” das wohlerzogene christentum entgegen zu setzen. auch die hindus sind für ihn keine akzeptable religion, weil sie die muslims auf der nase herumtanzen lassen. hier ein ausschnitt aus dem artikel, hervorgehoben die stelle, wo er dem islam pauschal unterstellt, die doktrin zu vertreten: “glaube [an mohammed], oder stirb!”

die times vom 14. oktober 1829, S. 3


siehe auch: anti-britische muslims, → hier bei mir.

anti-britische muslims | 1923

in diesem artikel der TIMES vom 23. november 1923 wird ein buch über den islam rezensiert: islam at the cross roads, von → de lacy o’leary. der artikel beginnt (wie vermutlich auch das buch) mit einer darstellung völliger harmonie unter den muslimen des gesamten arabischen raums. während sich die christen gegenseitig auf scheiterhaufen verbrannten oder königlich köpften (sage ich jetzt mal), blieben die muslime aller nationen und hautfarbe wie eine harmonische Familie demokratisch zusammen und akzeptierten selbst ihre despoten, weil nur allah sie zu solchen hätte machen können, sicher mit einem höheren ziel.

jetzt, so der artikel, so das buch, ist das schlagartig anders geworden. so verbrüdern sich araber mit christen gegen die türkischen unterdrücker. die türken, so der text, übersetzen den koran aus dem “heiligen arabisch in das ziemlich primitive türkisch”. die ägypter verachten die muslime in indien (und pakistan), weil sie sich den briten unterwerfen, und auch die afghanischen islamanhänger sind wegen der weltpolitik (sowjetunion, großbritannien) gespalten. vor allem aber, so der kern des buchs, nimmt die anti-britische gesinnung vieler muslime stark zu. der autor, ein orientalist, kritisiert eine hochschule für recht in lyon, die arabern, ägyptern und türken beibringen, kritischer gegenüber den briten zu sein als sie es aus rein religiösen gründen eh schon wären. es gibt dem buch zufolge nur noch einen gemeinsamen nenner, unter dem ein fiktives gebilde wie eine “moslim nation” existiere, nämlich als feind alles britischen.

theTimes_Islam_1923the times, 23. november 1923


The Times (London, England), Friday, Nov 23, 1923; pg. 9; Issue 43506.