gebührliche | rundfunkgebühr

aus meinem → eintrag im SWR 2 dokublog:

in mehreren publikationen heute geht es um geldverschwendung, content- und existenzvernichtung in öffentlich-rechtlichen sendern. der deutschlandfunk profitiert.

von einem privatwirtschaftlich geführten verlag wie cicero erwartet man einen kritischen blick auf die öffentlich-rechtlichen, gebührenfinanzierten programme. in der → aktuellen ausgabe geht kollege christoph schwennicke mit bekannten argumenten mit der ARD ins gericht: millionen an gottschalk gezahlt und ohne eine einzige sendung sogar nochmal hinterhergeschmissen – und damit versenkt, dreistellige millionen für veranstaltung eines nachweislich korrupten vereins vorab bezahlt, nämlich die FIFA.

die argumente kann man auch als autor der anderen seite, eben der öffentlich-rechtlichen sender gut nachvollziehen; denn da stimmt etwas ganz grundsätzlich nicht, wenn auf der anderen seite unzählige rundfunk- und fernsehkollegen arbeitslos werden, nur weil zum beispiel der WDR eben mal 250.000 € jährlich einsparen muss. (warum eigentlich?) bereits dreistellige einsparvorgaben können ganzen redaktionen das genick brechen.

sympathisch, und auch ganz in meinem sinne, ist dieser satz aus schwennickes kurzkommentar:

“Ich bin großer Anhänger des öffentlich-rechtlichen Systems. Es bietet das beste Fernsehen der Republik. […] Und ohne Deutschlandfunk kann ich mir einen Morgen so wenig vorstellen wie ohne Kaffee.”

der zweite artikel, der das quasi innerbetrieblich verdichtet, macht heute in mehreren medien die runde. hier wäre ein exemplar davon: uwe mantels → blick auf den massiven abbau des wissenschaftsjournalismus im WDR fernsehen und hörfunk. dabei geht es, im vergleich zu den millionen an die busenfreunde gottschalk und jauch, um peanuts, aber eben um existenz- und content-vernichtung. man muss sendungen wie das nicht gerade von eitelkeiten freie “quarks & co.” oder das ultralite gebürstete wissenschaftsmagazin “leonardo” (WDR 5) nicht mögen, aber es sind die einzigen generischen WDR-sendeplätze für populärwissenschaft.

die einsparungen im WDR betreffen übrigens mindestens so stark die im kulturbereich tätigen journalisten und redakteure. die haben aber offenbar keine lobby und sammeln keine unterschriften für → briefe an den intendanten. (wobei tom buhros antwort auch keinem weiterhilft.)

von all dem profitiert der deutschlandfunk. und was die → wissenschaft angeht, profitiert er sowieso. womit ich wieder da wäre, wo ich oben begann. (ich höre nicht den DLF am morgen, aber ich trinke auch keinen kaffee am morgen; ich höre das öffentlich-rechtlich finanzierte → today in der BBC radio 4 am morgen und trinke tee. hier sei ein emotikon erlaubt ;-)

BBC-biografie | abrechnung mit der thatcher-ära

vor drei tagen erschien jean seatons buch über turbulente jahre für die BBC:

pinktoesAndTraitorsPinkoes and Traitors: The BBC and the nation, 1974-1987

jean seaton ist medienhistorikerin an der universität von westminster und offizielle historikerin der BBC. ihr buch behandelt angriffe auf die meinungsfreiheit im britischen öffentlich-rechtlichen rundfunk zur zeit der (neo)konservativen thatcher-regierung. thatcher hat damals mit mehreren strategien die BBC erfolgreich politisch umgekrempelt. was sie versuchte, aber nicht schaffte, war, die BBC zu privatisieren.

thatcher, so das buch, nahm die BBC schon lange vor ihrer regierungszeit aufs korn. ihr war zuwider, dass der sender bestimmte kunst und künstler förderte. das roch für sie nach kommunismus. kunst, so thatcher, entstehe im freien spiel der kräfte des markts, also des kapitals.

1969 setzte sie hoffnung in den neuen BBC-chairman charles curran und lud ihn zu einer der konservativen partei willfährigen rede ein. curran enttäuschte sie, indem er sich gegen neue einmischungsvorhaben wehrte:

“Good broadcasting is a practice not a prescription. In my view, traditions are more important in this respect than written documents, and I think that in this the BBC reflects the general character of British constitutional life. We depend more on the atmosphere in which we live than on the rules which come.”

ich las nur teile aus dem bemerkenswerten buch, aber mir kommt die heute im guardian erschienene kritik von seumas milne einleuchtend vor. seumas ist der sohn des ehemaligen BBC-chefs alasdair mime, den thatcher mit miesen methoden im januar 1987 rausschmiss.

die abrechnung mit den politischen einflussnahmen damals ist seumas milne zu schwach. er stellt die these auf, mit der BBC ginge es seit diesen attacken der 1970er- und 80er jahre politisch nicht bergauf, sondern bergab. nur so sei es zu erklären, dass politik und öffentlichkeit heute locker über die BBC hinweggingen. selbst als die BBC 2004 kritisch über den von bush und blair geführten irak-krieg berichtete, kam es zu keinem  rücktritt irgendeines politikers. stattdessen, so milnes, mussten die zwei chefs der BBC ihren stuhl räumen:

“That is what happened in 2004, after a report by a tame judge into the death of the weapons expert David Kelly and BBC reporting of government deceit over the Iraq war led not to the fall of ministers or officials – but the resignation of the chairman and director general of the BBC.”

werner herzog | hört auf zu jammern!

werner herzog → mögen wir. hier ein zweiminuten-clip aus der BBC-sendung hardtalk:

wernerHerzogBBChardTalkwerner herzog in “hardtalk“, morgen

hier spricht er von einem gefälschten dokument, das ihm beim filmen von fitzcarraldo zum juwel wurde, vor allem aber redet er all denen ins gewissen, die sich für tolle filmemacher halten, aber meinen, die filmindustrie sei blind und dumm. es sei zeit, diese ausreden zu lassen, sagt herzog, und, mehr oder weniger wörtlich: krempel die ärmel hoch, werde ein halbes jahr türsteher in einem sexclub oder arbeite in einem heim für geistig behinderte menschen, dann hast du im nu 20.000 dollar zusammengespart und kannst mit dem geld einen film in kinolänge machen!

und vor allem: lest und lest und lest und … (er hört gar nicht mehr auf, zu sagen: lest!)

liebe jungen leser dieses blogs: fitzcarraldo von 1982 ist ein so merkwürdiger film, eine ausnahmeerscheinung, ähnlich wie apocalypse now (1979). also, bei gelegenheit mal angucken!


nachtrag: hab mir die ganze sendung angesehen. von hard talk konnte nicht die rede sein, denn herzog dominiert alle interviews, also auch dieses. es war also eher eine ansprache, sicher wäre es ein guter TED talk gewesen.

im zentrum stand der vorwurf, herzog schere sich bei seinen extremen filmdrehs (bei fitzcarraldo wurde tatsächlich ein schiff über einen berg befördert!) nicht um kollateralschäden. es gab in der tat viele unfälle, etwa bei fitzcarraldo ein schlangenbiss, der nur deswegen nicht tödlich endete, weil der arbeiter sich mit seiner kettensäge den unterschenkel absägte – und damit die stelle, wo der biss stattgefunden hatte. bei einen späteren film zertrümmerte die schwere kamera dem kameramann eine hand, weil herzog gefordert hatte, näher ranzugehen. herzog verteidigte sich, indem er sagte, filme seien so komplexe unternehmungen, da könne so etwas immer vorkommen, und er spreche mit allen die risiken durch. im fall des kameramanns hatte er vorher gefragt, ob er das riskieren möchte.

herzog meinte auf die frage nach hollywood, dass er die besseren drehbücher schriebe als hollywood und dass er laufend von hollywood-schauspielgrößen gefragt werde, ob sie nicht bei seinem nächsten film mitspielen könnten. er distanziert sich auch räumlich von hollywood. er lebt zwar in los angeles, aber eben weit weg von hollywood. warum eigentlich LA? weil er dort seine frau fand und glücklich verheiratet ist und außerdem: weil LA für ihn das wahre zentrum der welt sei, the real thing.

werner herzog hat eine eigene filmschule und erzählte, dass eine der aufnahmebedingungen die lektüre vieler bücher sei. bevor man überhaupt daran denken kann, sich bei ihm für einen studienplatz zu bewerben, müsse man diese liste, die quer durch die literaturgeschichte geht, verinnerlicht haben.

punk 1958 | rumble von den ray men

rumble_cadenceRecords1958

in der BBC sah ich die doku “the joy of the guitar riff” und darin eine hommage auf “rumble” von link wray & his (w)ray men. das instrumental war 1958 bahnbrechend, weil rotzig, böse, laut, monoton, mit verzerrten gitarren und einem halb-shawnee-indianer als leader of ceremony, eben link wray. ich kannte den song vorher nur aus filmen und konnte ihn, weil er so modern war, nicht einordnen.

mein alter kollege carl-ludwig reichert mailte mir nach lesen dieses eintrags:

ich hab ihn mal kennen gelernt und gefragt, warum er den leder-rocker gibt. die antwort
war: weil es zu bestimmten zeiten wichtig ist, wieder zu den anfängen zurück zu kommen.
jede neue generation braucht das.

 

rumble ist rein instrumental und wurde trotzdem, wahrscheinlich weil er so rotzig und der titel so aufrüherisch war, von einigen US-radiosendern verboten. stieg aber in den US-charts auf platz 16 hoch und machte die prä-punks schlagartig weltberühmt.

jetzt gibt es dazu diesen wikipedia-artikel: rumble, das instrumental.

linkWray_1958link wray, ca. 1958. foto: unbekannt. via → library of congress

die BBC | 1932

schon der buchrücken des B.B.C Year Books 1932 ist fein:

BBC-Year-Book-1932---Buchrücken

wenn man das buch aufblättert, sieht man diese doppelseite, die die erste etage des neuen funkhauses zeigt. alles dreht sich um musik, ganz links unten sogar um musikkomposition:

BBC-Year-Book-1932--InnenlebenB.B.C Year Book 1932, innere umschlagseite

ich habe es offenbar für 10 britische pfund gekauft, schätze in den späten 1980er jahren in london. der preis steht oben rechts. die year books sind schätze des wissens, der rundfunk- und technikgeschichte. schlagen wir nur mal die seite mit den europäischen statistiken auf. damals hat man balkendiagramme noch anders angeordnet, wie pfeifenorgeln, obwohl es logisch keinen sinn macht:

BBC-Year-Book-1932---Hörer-in-Europahörerzahlen pro tausend einwohnern, nach europäischen ländern. deutschland an fünfter stelle

rundfunkgeschichte | bbc hand book 1929

gestern einige wikipediaeinträge mithilfe des bbc hand books 1929 geschrieben. das hand book ist ein wunderbarer reader für frühe, aber nicht ganz frühe rundfunktechnik und -ästhetik.

bbc hand-book 1929

Fernsehgottesdienste gehen auf Rundfunkübertragungen von Gottesdiensten zurück. Mit diesen hatte die BBC bereits wenige Jahre nach dem Start des Rundfunks 1923 reichlich Erfahrung. Das BBC Hand Book von 1929 widmet den „Broadcasts from Cathedrals“ (Übertragungen aus großen Kirchen) ein eigenes Kapitel, wo unter anderem die Mikrofonierung beschrieben wird:

„Die Hörer der Sendungen aus der Kathedrale von Canterbury haben sicher die vielen Schwierigkeiten kaum wahrgenommen, die wir mit ungünstigem Resonanzhall seit der ersten Übertragung hatten. Heute ist die Balance zwischen Orgel und Chor praktisch perfekt, aber es steckte dahinter erhebliches Experimentieren. Normalerweise sind vier Mikrofone im Einsatz. Eine feste Verkabelung besteht nur zur Kanzel; die anderen richten sich nach den jeweilig aktuellen Gegebenheiten.“

1923 startete der Rundfunk. Die Rundfunkanstalten trennten schon wenig später den Kontrollraum vom Aufnahmeraum ab. Zuvor standen Schauspieler und Techniker in einem Raum um das Mikrofon herum. 1929 spricht die BBC in ihrem Hand Book erstmals von „‚Mixing‘ Studios“ und erklärt den noch in Anführungszeichen gesetzten Begriff so: In längeren Rundfunkproduktionen wie zum Beispiel Hörspielen, die damals live aufgeführt wurden, gab es zwei Typen von Klangquellen – die Sprechstimmen und die Geräusche. Ursprünglich waren beide in einem Raum untergebracht, aber die Hörer beschwerten sich, bei lauten Effektgeräuschen der Erzählung nicht mehr folgen zu können. Als Konsequenz lagerte der Londoner Sender die „Noise Effects“ (Gewitter durch große Metallfolien, Pferdegalopp durch Stein auf Stein usw.) in einen gesonderten Raum aus; die Effektemacher hörten über Kopfhörer mit, was im Sprecherraum geschah.

„Die Klänge beider Studios wurden über Leitungen an ein zentrales Schaltpult übermittelt, das der leitende Produzent bediente. Dieser war dadurch in der Lage, die beiden Tonquellen in den exakt benötigten Mengen zu ‚mischen‘.“

Das Konzept war so erfolgreich, dass der Sender große Produktionen Ende der 1920er Jahre mit mehr als drei Studios fuhr. In einem saß ein Orchester, in einem anderen eine Band; auch die Schauspieler wurden in Gruppen getrennt, um verschiedene Akustiken herzustellen. Das Mischpult hieß damals noch „Switchboard“, also Schaltpult.

Als um 1930 das Schneiden von Schallplatten Standardtechnik zum Konservieren von Klängen in guter Qualität war, schossen Plattenfirmen und damit zusammenhängend Musikstudios aus dem Boden

1923 startete der Rundfunk. Bühnenschauspieler und Kabarettisten, die nun im Radio auftraten, fanden das Mikrofon irritierend. Zu einem Mikrofon, statt zu einem Publikum zu sprechen, war gewöhnungsbedürftig; außerdem waren Mikrofone in den späten 1920er Jahren bereits so empfindlich, dass man nicht mehr in sie hineinschreien musste. Das BBC Hand Book von 1929 widmet dem Mikrofon ein eigenes Kapitel mit der Überschrift „My Friend Mike“ (Mike als englische Kurzform für Mikrofon):

„Ich kenne Mike schon lange. Erstmals bin ich ihm 1922 begegnet. Er hatte damals noch keinen Thron, sondern hing so herum. Ich glaube, er ist sehr empfindlich, denn man wickelt ihn in Baumwolltücher. Ich mag Mike, weil er immer so gut von mir spricht und nie krank ist und mich Menschen vorstellt, die ich ohne ihn nie kennengelernt hätte.“

jimmy savile polizeibefragung 2009

vor einem halben jahr in die wikipedia gesetzt:

 

…Auf Nachfrage der Boulevardzeitung The Sun zu einem der fraglichen Tatorte, dem Kinderheim „Haut de la Garenne“ in Jersey, hatte Savile zunächst erklärt, niemals dort gewesen zu sein. Erst nach Vorlage eines Fotos, das ihn dort zeigte, räumte er das Gegenteil ein.

Der Moderator ging bei Vorwürfen meist sofort in Opposition, wie hier bei einer Vernehmung durch zwei weibliche Kriminalbeamte. Er drohte ihnen in Zusammenhang mit ihren Ermittlungen 2008:

„Wenn [das] nicht aufhört, wird meine Strategie anfangen zu arbeiten. Ich habe einen LLD, das ist ein Doktor der Jurisprudenz, kein Ehrentitel, sondern ein richtiger. Der schafft mir Freunde … Ich habe mein juristisches Team angewiesen, bald zur Tat zu schreiten. Und wenn wir das tun, werden Sie, meine Damen, auch beim Old Bailey [dem obersten Strafgericht] landen, weil wir Sie dann als Zeugen vorladen lassen. Aber keiner will anscheinend wirklich, dass es so weit kommt.“
Jimmy_Savile_2006
anlässlich einer aktuellen polizeiprotokollveröffentlichung jetzt in die wikipedia gesetzt:

 

Weil der Druck der Vorwürfe nicht nachließ, war Saviles Ton in einer einige Monate später, am 1. Oktober 2009, erfolgten polizeilichen Vernehmung gemäßigter. Auch hier bestritt er alle Vorwürfe vehement und stereotyp mit dem Ausruf: „Out of the question. Not true, none of it.“ (Kein Thema. Stimmt nicht, nichts davon stimmt.):

„Ich habe 42 Jahre die Show Top of the Pops gemacht, auch die allererste, auch die allerletzte. Ich habe 36 Jahre [BBC] Radio One gemacht, und wenn du Top of the Pops und Radio One machst, dann machst du eines nicht: Frauen belästigen. Sie belästigen dich, soviel ist klar. Du musst sie gar nicht anfassen, denn es wimmelt ja von Mädchen um dich herum und überhaupt. Also, so etwas ist aus der Luft gegriffen und völlig falsch. Punkt.“