die erde spricht | wdr 5 dramolett

graf-de-dion-im-dampfwagen-nach-dem-rennen-1894-in-rouengraf de dion mit seinem heizer im “de dion” dampfwagen – erster in rouen

wir (die redaktion und ich) litten diesmal unter der dünnen, tagesaktuellen nachrichtenlage. die kriege israel/gaza und ostukraine wollten wir nicht aufgreifen; die themen waren überall in anderen medien zu hören. das dramolett soll sich aber, wie die ganze sendung wdr 5/politikum, möglichst stark an den politischen ereignissen des sendetags orientieren. also, was tun?

wir überlegten zusammen, und tamara, meine redakteurin. meinte, das thema “krieg gegen die erde” werde im moment stark diskutiert, nicht zuletzt wegen eines mit “öko-apartheit” titulierten essays der umweltaktivistin vandana shiva. frau shiva schreibt in ihrem ökologisch korrekten aufsatz immer wieder von einer erde, gegen die die menschen krieg führten. als würden sie nicht krieg gegen sich selbst führen! ich baute daraus den text für ein minihörspiel, das bei einem autowettbewerb 1894 startet und dann über die verwendeten fossilen brennstoffe (das dampfauto verbrannte kohle, die eigentlichen sieger des wettbewerbs verbrannten benzin) bei der erde landet.

damit war die aktualität doppelt hergestellt. gestern vor 120 jahren fand das weltweit erste autorennen, zwischen paris und rouen; eigentlich noch kein autorennen im späteren sinn, eher eine zuverlässigkeitsfahrt. der → englische wikipediaartikel dazu ist gut.

elaPaul_HüseyinCirpici_Hörspielaufnahme_2014ela paul (mit erdball) und hüseyn cirpici (als erde, im wasser)

der dreiminüter lief heute, und meine schauspieler waren – wie schon in einem → früheren stückela paul und hüseyin cirpici. im foto oben sind die beiden bei der arbeit an dem stück zu sehen: hüseyin spielt neben der männlichen hauptrolle, dem naiven, umweltbewussten hans, auch die erde. dazu hält er die unterlippe im wasser. im hintergrund hält ela den ball, der einige geräusche der erde unterstreicht. ela spricht die nüchtern-klute weibliche hauptrolle der leni.

hier das stück zum nachhören. die heute gesendete version ist etwa eine minute kürzer.


dramolett “die erde spricht” vom 23. juli 2014

#wen es interessiert – einige details aus der produktion:

für perfekte aufnahmen aller stimmen sorgte die wdr-technikern astrid großmann. sie hatte uns neben den monomikrofonen für die reinen sprachaufnahmen ein stereomikrofon im studio 15  eingerichtet und saß am pult.

so klingt hüseyn cirpici, wenn er mit dem mund in der wasserschüssel die erde spricht. erster versuch:


outtake: die erde spricht (mundgeräusche)

ich nahm, wie immer, die aufnahmen mit in mein büro/studio schnitt und mischte. als nach einigen stunden alles praktisch fertig war, dachte ich: da wäre jetzt zur abrundung eine musik ganz gut. ich habe die musik für eine story meistens im ohr, so auch in diesem fall. warf also cubase an, legte eine spur mit einem stark synthetischen, flächigen sound an (er kam von native instruments’ massive). diese spur hört sich so an:


flächige musik

als ich die musik unter hans’ besorgte monologe legte, funktionierte das bestens. es gab aber einige stellen besonderer dramatik, und für die legte ich eine weitere musikspur an, diesmal mit streichern. sie treten in der schlussmischung stark in den hintergrund, führen aber subtil die melodie. in diesem fall spielte ich im stil richard wagners eine kadenz in f-moll, die sich in halbstönen (von dis über d nach cis) nach unten bewegt. diese streicher klingen solo so:


streicher in f-moll

meine lieblingsstelle in der produktion enthält diese musik. sie klingt ohne musik so:


hans solo; er sorgt sich um die erde.

und so hört sie sich in der schlussmischung an. ich habe den akkordwechsel auf den halbsatz “wenn sie tief aus dem boden ihre kohle sprengen” gelegt; da wird es einem ganz anders vor rührung:


hans sorgt sich um die erde. dramatische musikmischung

musik findet sich an mehreren stellen, auch noch eine etwas dynamischere musik; außerdem vogelzwitschern, um die außenatmosphäre, in der sich das autorennen abspielt, zu unterstreichen. diese atmo ist kaum zu hören, aber sie erdet die schauspieler quasi im “draußen”; denn in der puren studioaufnahme klingen sie so, dass sie überall sein könnten.

ach so: von einem 120 jahre vergangenen auto-happening gibt es natürlich keine tonaufnahmen. deswegen entschied ich mich im studio, dass wir zu dritt (ela, hüseyin und ich) am stereomikrofon die autos, die motoren, die hupen, den wasserdampf mit mundgeräuschen spielen. wir hockten uns dazu auf den boden. es hört sich völlig unprofessionell an, funktoniert aber im kontext der gesamtmischung bestens. hier ein outtake von dieser session:


dramolett outtake: autosounds à la 1884 (mundgeräusche)

turbo – kleine schnecke, großer traum (film)

turbo_dreamworks

der neue film von dreamworks (englischer titel: TURBO, deutscher titel: kleine schnecke, großer traum) hebt sich angenehm von den letzten pixar/disney-produktionen wie planes ab. von der großen erzähllinie des kleinen manns (hier: der gartenschnecke), der großes will, und wenn er nur genug will, wird er es schon schaffen, weicht auch dreamworks nicht ab. die gesamthandlung kann man also vergessen. klar wird die mit turbo-gas geladene schnecke das autorennen gewinnen, klar wird sie am schluss wieder eine normale gartenschnecke, klar hat sie dann die echten freunde gefunden. wie in unzähligen filmen aus hollywood gibt es auch hier die parallelhandlung eines vermeintlich großen helden, der sich als großmaul herausstellt und am ende scheitert (der rennfahrer, der stark an ferrari-piloten erinnert). und den schwachen, ängstlichen, der innerhalb des abenteuers reift (in diesem fall der bruder der turbo-schnecke).

die binnenhandlungen sind aber teilweise sehr komisch. meine lieblingsszene kommt am schluss, als der taco-koch seinem bruder einen sprechenden gasherd schenkt.

dreamworks_turbo_autobahnbrückeschnecke turbo kurz vor dem initialerlebnis, auf der autobahnbrücke. (c) dreamworks/oma public relations

animationstechnisch ist der film rundum gelungen. die ästhetisch beeindruckendste szene für mich zeigt das bild oben: turbo auf der autobahnbrücke. hier stimmen tiefe, licht, bewegung, ton hervorragend.

die menschen funktionieren ebenfalls (keine selbstverständlichkeit in filmen, die sich auf tiere kaprizieren), die schnecken sind mit subsurface scattering gerendert (siehe bild oben: die schnecke wirkt an den rändern fast durchscheinend, ein technisch anspruchsvoller effekt, zuerst in pixars großem krabbeln bei den blättern sichtbar, 1998) und so animiert, dass das fehlen der arme nicht groß auffällt (die schnecken klatschen mit den augen). die große visuelle problematik bei so kleinen objekten wie schnecken, wenn sie mit großen objekten wie autos und menschen interagieren, ist, diese dimensionen so zusammenzubringen, dass beide welten in sich stimmig sind und miteinander funktionieren. da sind die szenen auf der rennstrecke bespielhaft, weil dreamworks’ regisseur david soren mit seiner crew tatsächlich rennstrecken besucht und makrofotografien vom asphalt aufgenommen haben. der asphalt ist im film – wie in der wirklichkeit – nicht glatt, sondern zeigt – für die schnecke wichtig – längsrillen. siehe das foto unten.

dreamworks_turbo_rennstreckeasphaltstudien lagen szenen wie dieser zugrunde. (c) dreamworks/oma public relations

was – technisch – nicht ausgereift ist, sind die realen bewegungen von schnecken. sie wirken zu früh im film sehr menschlich, was insbesondere durch die starken augenbewegungen erreicht wird. in wenigen szenen rutschen die schnecken mit ihren schweren häusern flächen hinunter, dann wankt das schneckenhaus, es gibt dabei diese schiebende bewegung. um die handlung voranzutreiben, hat sich soren offenbar dafür entschieden, auf die high-tech-ausgestatteten schnecken mit ihren seil- und sprungtechniken zu setzen; man vergisst dabei, dass es schnecken sein sollen.

die synchronfassung ist gut und stimmig. und der 3D-effekt wurde hier nicht über die maßen ausgespielt, sondern hält sich dezent zurück. bei diesem film ist wegen der groß/klein-diskrepanz 3D wertvoll.