der bedrohte | freiherr

killGravenreuth

günter freiherr von gravenreuth war eine schillernde figur. ich lernte ihn kennen, als ich mitte der 1980er jahre nach einem anwalt für mein frisch gestartetes computermagazin → “bit, byte, gebissen” suchte, der sich mit dem urheberrecht von software auskannte – damals ein juristisch völlig neues feld. gravenreuth gab mir gern ein interview und kam auch in den jahren danach noch ein-, zweimal in meinen sendungen vor.

eigentlich als “günter dörr” geboren gab er sich ein freiherrliches outfit mit feinen stoffen, krawatte und einer repräsentierbaren wohnung. seine kanzlei befand sich mitten in münchen. gravenreuth ging aus eigenem antrieb (und teilweise finanziert von einer damals sehr hektischen software-industrie) gegen junge leute vor, die computerprogramme raubkopierten und vertrieben. seine methoden erinnerten an detektivarbeit mit nicht ganz sauberen methoden.

nicht nur bei den frühen computerspielern, sondern auch in anderen bereichen der softwareszene hatte er einen sehr schlechten ruf, weil er zum beispiel in computerzeitschriften fallen in form von fingierten kleinanzeigen aufgab oder in computerläden jugendliche beim kopieren von disketten abfing und dann bis nach hause begleitete. in den 1990er jahren war er der deutsche abmahnanwalt. seine karriere, falls er je eine hatte, ging steil bergab, weil er sich kapriolen leistete, wie zum beispiel die beschlagnahmung der domain der taz, also von www.taz.de. die taz hatte ihm, völlig aufgeschreckt, abmahngebühren überwiesen, gravenreuth behauptete, wie in vielen anderen fällen, nie etwas bekommen zu haben. als man das geld (und andere angeblich nie erhaltene gelder) dann bei der durchsuchung seiner kanzlei fand, kam er wegen betrugs selbst vor gericht. sein desaströses handeln hörte damit nicht auf, es kann sein, dass ihm finanziell das wasser bis zum hals stand. jedenfalls machte sich gravenreuth erneut es betrugs schuldig und wurde zu über einem jahr freiheitsstrafe ohne bewährung verurteilt. er trat die haft nicht an, sondern erschoss sich vorher.

hier ein brief von gravenreuths kanzlei an mich, späte 1980er jahre. screenshots waren damals noch nicht möglich, also hatte er mit einer kleinbildkamera drei “screenshots” seines bildschirms aufgenommen. sie zeigen ein aus dem untergrund kommendes computerspiel, in dem der spieler gravenreuth umbringen soll. er, bzw. sein partner, → bernhard syndikus (auch eine schillernde figur), fanden das gar nicht komisch.

gravenreuthBedroht

gravenreuths schreiben an den zündfunk, mit “screenshots”

hier ein → fernsehmitschnitt von 1988, als gravenreuth sehr typisch jovial auftrat.