feine | kolonialherren

1876_1877_1878_1879_Famine_Genocide_in_India_Madras_under_British_colonial_rule_2

verhungernde indische familie, um 1876. foto: willoughby wallace hooper

die briten pumpten viele millionen pfund sterling in ihre indische kolonie. statt dem offiziell verkündeten wohlstand brachte die kolonialherrschaft den indern, wie oben im bild, verderben. einige historiker sprechen von einem genozid, weil die briten die hungersnöte, wie die von 1876–79 mit ihrer wirtschafts- und ausbeutungspolitik ausgelöst hatten. auf dem foto sind auf den ersten blick fünf menschen zu sehen, aber es sind mehr. der fotograf, willoughby wallace hooper, mitglied des 7. kavallerieregiments der briten in britisch-indien, hat sie aus unbekannten gründen so stilistisch fein drapiert. angeblich entstand die aufnahme in einem auffanglager.

hier ein kurzer zusammenschnitt ähnlicher fotos von ihm auf → youtube.

die recherche nach hooper brachte einiges an literatur zum vorschein, jedoch keine artikel in der wikipedia, auch nicht der englischen. die deutsche hat seit heute einen: → ww hooper

cooper_executionhoopers hoch umstrittenes foto einer hinrichtung 1886

1886 fertigte hooper ein foto an, bei dem er eine exekution von burmesischen aufständischen dokumentieren wollte. das von der britschen öffentlichkeit als inhuman wahrgenommene bild führte sogar zu einer parlamentarischen anfrage im britischen unterhaus, mit dem ziel, den fotografen, der auch einen hohen militärischen rang inne hatte, zu entlassen. das geschah nicht. hooper dementierte den vorwurf, den offizier, der die erschießung leitete, angewiesen zu haben, beim kommando “ready!” “present!” “fire!” eine pause vor “fire!” einzulegen, damit er den objektivdeckel entfernen konnte. er dementierte auch, die gefangenen hätten ihn mit seiner kamera gesehen. hooper argumentierte, sie seien bereits mit augenbinden an die mauer gestellt worden, hätten ihn also gar nicht sehen können.

verrückte karten | afrika auf dem kopf

nikolaj-cyon---website-intronikolaj cyon’s webseiten-intro mit seiner afrikakarte

nikolaj georgii-hemming cyon ist grafiker und hat nach längerer recherche ein feines projekt abgeschlossen, wovon ich heute via twitter erfuhr. er stellte die → landkarte von afrika auf den kopf. genau genommen ging er der prämisse nach, was wohl gewesen wäre, wenn nicht mitte 19. jh. die herren der welt, vor allem zentraleuropas, damals beschlossen hätten, afrika gehört ihnen. cyon kam ins grübeln, als er die vielen gerade grenzlinien in afrikas landkarte von heute sah, verglich sie mit früher und noch früher und noch früher; er legte dann ethnische und stammesmäßige areale an, um zu sehen, wie die landkarte ausgesehen hätte, ohne “westlichen” imperialismus, aber mit einer art grenzen. um zu verdeutlichen, dass afrika dann der nabel der welt hätte sein können, drehte nikolaj cyon die karte um. das dekor, das er am schluss dazu tat, rundet diese besonderheit ab.

sehr gut eingeordnet findet sich das ganze beim erklärten kartenliebhaber → frank jacobs.

putzige kinderarbeit | ägyptisches kolonialidyll 1906

kosmos 1906 -mein stiefelputzer“das ist mein stiefelputzer”. aus: kosmos 1/1906, s. 25

in kosmos “wandern und reisen, handweiser für naturfreunde” von 1906 las ich einen artikel über das schöne leben in ägypten. der autor, dr. m. wilh. meyer, preist das stressfreie leben in kairo und auf dem land. er geht so weit, den gestressten zentraleuropäern mit ihren “nervenanfällen” nahezulegen, hier auszuspannen.

soweit würde das ins hier und heute passen, urlaub in marsa alam usw.

bemerkenswert ist aber, wie der autor den artikel schreibt, welche sicht er einnimmt, welche worte er wählt, wenn er zum beispiel über die einheimischen kinder spricht: bengel, bürschchen, kerlchen. er verklärt die kinderarbeit (“es sind kleine, flinke kerlchen von sechs bis acht jahren”, die ihm die stiefel putzen) als freizeitspaß: “zum leben brauchen sie [das geld] nicht. verhungern kann hier überhaupt kein mensch. sie können sich den ganzen tag unter eine schöne palme legen. […] ein paar datteln fallen ihnen von selbst fast in den mund.” warum sie dann schuhe putzen? um sich später, ab 14 jahren, den “höchsten genuß” zu leisten, nämlich eine frau oder einen harem. meyer verklärt dies so, dass er an der liebe in deutschland kein gutes haar lässt:

“sind diese verhältnisse nicht tausendmal gesünder als die unsrigen, wo unsere jungen männer das, was man heute noch die liebe nennen wagt, in der ekelhaftesten weise auf der straße kennen lernen und in die ehe wie in eine altersversorgungsanstalt gehen?”

die sicht auf ägypten ist, so freundlich sie ist, die von oben herab. bei der beschreibung eines handgreiflichen streits zweier araber wirkt es putzig auf ihn, wie der polizist sie ohne ein wort zu sagen, voneinander trennt. wie ein slapstick. die meisten dinge, die man ihm “anzudrehen” versucht, sind nutzlos für ihn, und entsprechend wertet er sie auch. eine brillenschlange, die nicht zubeißen kann, auf dem spieß gebratene spatzen usw. auch über den tierschutz macht sich meyer gedanken. in neapel, schreibt er, sie die “gräßlichste tierschinderei an der tagesordnung”, während die ägyptische regierung sich um hunde “in besonders liebevoller weise bekümmert”, indem sie ab und an fleischstücke auslegt, “mit strychnin gewürzt. nachher werden die hunde aufgelesen und zum – heizen von maschinen in den abwässerungsanlagen benützt.”

ja, wer ist nun dieser dr. m. wilh. meyer, der sich in klammern “urania-meyer” nennt? vor allem war meyer (1853–1910) ein astronom, kein unbedeutender. urania-meyer war seine firma. und → das ist der wikipedia-artikel über max wilhelm meyer (nicht von mir; von mir ist nur das textbeispiel).