mit wachsplatte im | DRA

hinter wachs (von ca. 1925). foto: muriel favre

der nächste große archivradio-stream bahnt sich an: die kompletten original-o-töne aus dem reichstag der weimarer republik. wir nennen das “reichstagsdebatten vor hitlers machtergreifung”. läuft ab märz im → SWR2 archivradio. muriel favre musste ich dazu überreden, das foto zu machen, denn ihr schien meine schwere spiegelreflexkamera verdächtig. muriel ist wissenschaftliche dokumentarin am → deutschen rundfunkarchiv und leitet den ca. 24-stündigen stream mit einem einstündigen interview ein. sie kennt die genesis der bänder, die vorher folien und noch vorher eben solche wachsplatten waren und über das haus des rundfunks in berlin ca. 1942 in ein → salzlager in grasleben kamen, 1945 von den britischen befreiern an die BBC übergeben wurden – und nach weiteren stationen im DRA landeten, wo ich sie fand. na ja, nicht fand; für mich und das archivradio entdeckte. historiker dürfen sich jetzt schon mal die hände reiben, denn so klar und eindringlich wie in diesen debatten ist der niedergang der weimarer demokratie nirgends zu hören gewesen.

queen in ausgabe | 4

vier ausgaben hat es gedauert, bis erstmals in der londoner times das wort “queen” vorkam – wenn auch nur in form ihres palasts. es gab damals den king → george III und seine frau, die queen, die zeitweise im buckinham palast lebte, → sophie charlotte von meklenburg. die beiden wurden quasi verheiratet, ohne sich zu kennen. die ehe aber funktionierte offenbar gut. die beiden waren sogar im heutigen sinn modern, weil sie ihre kinder selbst erzogen und weniger im prunk als vielmehr zurückgezogen im südwest-londoner park kew gardens lebten. beide wikipedia-artikel sind lesenswert.

hier die seite 2 der times vom mittwoch, den 5. januar 1785:

 

linkskritik an US | vietnamkrieg

die library of congress beherbergt unzählige zeitungsausschnitte, die die CIA gesammelt hat. in → diesem dokument haben CIA-mitarbeiter im juli 1966, zur hoch-zeit des vietnam-kriegs, zwei ausschnitte aus der US- und der deutschen presse nebeneinandergeklebt. sie handeln beide von kriegsverbrechen, der amerikanische vor allem von kriegsverbrechen der vietkongs gegen amerikanische kriegsgefangene, der deutsche in klar anti-amerikanischer diktion vom kriegverbrechen vietnam-krieg. welche deutsche zeitung das abdruckte (es liest sich wie DDR-presse, ist es aber vermutlich nicht), ist nicht bekannt.

in den zwei ausschnitten aus diesem dokument ist folgendes zu lesen. links wird als pervers und gegen jegliche menschenrechte verstoßend dargestellt, dass die vietkongs amerikanische kriegsgefangene nicht kriegsgefangene, sondern piraten nennen, sie zur schau stellen, ihnen komische klamotten überziehen und sie foltern. der irrsinn der politik weist hier direkt auf das gefangenenlager guantanamo 40 jahre später: hier wurden vermeintliche krieger in namenlose staatenlose terroristen eingestuft und ohne gerichtsprozess endlos festgehalten, gedemütigt, gefoltert.

im rechten, dem deutschen textteil, ist zu lesen, wie die bundesregierung mit den amerikanern zusammenarbeiten, um deutsche männer zu US-kampfpiloten auszubilden. einer davon, der auch in dem artikel erwähnt wird, war → dieter dengler (aus dem schwarzwald) war ein in laos und vietnam berüchtigter kampfpilot, der abgeschossen, gefoltert wurde und dem dann die flucht gelang.

am waidmarkt wird | geschürft

2009 ließ der KvB?/Bilfinger?-pfusch das historische archiv der stadt köln einstürzen. seit sommer 2017 ließ der neue eigentümer des nachbargebäudes das gebäude abreißen. beim versuch, das fundament zu begradigen (und vielleicht eine tiefgarage anzulegen), fielen den baggerführern offenbar gemäuer auf, die ihnen nicht ganz geheuer waren. seit heute haben archeologen übernommen.

fotos: ms/dpa

hitler schlank und | kräftig

1922 war adolf hitler ein kleines licht, aber mit immerhin schon einer ansehnlichen gefolgschaft. die kunde von dem schlanken, aber kräftig gebauten 34jährigen reichte bereits so früh bis in die deutschsprachigen gegenden der USA, wie hier in die neu-ulm post in minnesota. es war der erste eintrag über hitler in der überlieferten US-presse.

new-ulm post, 24. november 1922

unreifes österreich | 1865

auf der suche nach frühen erwähnungen von “tax reform” in amerikanischen parlamentsdokumenten stieß ich auf einen band von 1865, veröffentlicht 1866, in dem der österreichische diplomat und erzkatholizist graf  von thun zitiert wird: eine steuerreform in österreich sei undenkbar, denn es gingen reihenweise haushalte bankrott, so käme man nie zu einem ausgeglichenen staatshaushalt.

leo graf thun, lithographie von josef kriehuber, 1850

kommen wir zu einem in etwa gleichaltrigen amerikaner, der österreich als diplomat zumindest entfernt kannte. holland lag ihm näher: john lothrop motley:

 

john lothrop motley, foto von mathew b. brady, 1860

österreich war 1865/66 ein einer finanzkrise und einer politischen zwickmühle, die sich im deutschen krieg zu seinen ungunsten auflöste. es ging um die frage, ob österreich oder preußen das sagen hat. die preußen provozierten mit dem antrag, österreich möge sich eine parlamentarische verfassung geben, und marschierten in holstein ein, was damals von österreich regiert wurde. nach der verlorenen schlacht bei königgrätz 1866 stellte sich das wirtschaftlich schon vorher fast bankrotte land neu auf und wandte sich ungarn als partner zu. im norden entstand langsam das deutsche reich, im südosten die österreichisch-ungarische monarchie.

Szene aus der kriegsentscheidenden Schlacht bei Königgrätz (Gemälde von Georg Bleibtreu)

die schlacht bei königgrätz 1866, gemalt von georg bleibtreu

worauf ich aber eigentlich hinaus wollte, ist die diplomatische korrespondenz des US-präsidenten vom juni 1865. hier fiel erstmals in den amerikanischen aufzeichnungen das wort “tax reform”, und zwar im zusammenhang mit einer österreichischen steuerreform, die das land wirtschaftlich hätte retten sollen, aber nicht können, weil die menschen so arm waren, dass sie höhere steuern eh hätten nicht zahlen können.

dieser teil des buchs ist der diplomatischen korrespondenz gewidmet, also der sicht amerikas auf den rest der welt. eine seite zuvor beschreibt der US-diplomat und erklärte anti-katholik john lothrop motley, dass demokratische strukuturen in österreich “nicht möglich, kaum vorstellbar oder wünschenswert” seien. aber auch so wie es jetzt sei, könne man von österreich keine große wirtschaftliche bedeutung erwarten, denn klassenunterschiede verhinderten dies. die mehrheit der österreicher arbeite 12 stunden täglich und verdiene nur 1/10tel dessen, was ihre amerikanischen arbeiter nach hause brächten.

etwas weiter oben bringt der damals 51jährige historiker österreich in verbindung mit den niederlanden – letztere eines seiner lieblingsthemen: ein protestantisches land auf erfolgskurs. wörtlich übersetzt:

“Zweifels ohne hat Österreich riesige, geradezu unerschöpfliche Ressourcen. Aber das ist kaum mehr als eine leere Phrase. Die Ressourcen von Mexiko sind enorm, soe wie auch die der Türkei, während die nationalen Ressourcen Hollands praktisch null sind. Trotzdem ist Holland immer wieder einer der reichsten und produktivsten Staaten der Welt.”


dokumentenquelle:
Message of the President of the United States, and accompanying documents, to the two Houses of Congress, at the commencement of the first session of the Thirty-ninth Congress. Part III.

phonograph und | euphonia

the times, 21. januar 1888, s. 5

in diesem artikel von vor 130 jahren beschreibt die times eine neue erfindung des thomas alva edison, seinen neuen phonographen. der alte war für edison nur eine schnapsidee gewesen, lässt der artikel anklingen, jetzt wird es ernst. sein erster phonograph wurde genau 10 jahre zuvor vorgestellt und basierte auf rotierenden zylinderfolien, währen die neue maschine wachszylinder nutzte, von denen noch viele in archiven wie dem DRA erhalten sind. auch im WDR fand ich vor 10 jahren an der sprichwörtlich tiefsten stelle des ton-archivs edisonwalzen für den phonograph II herumliegen. es stand damals die frage im raum, ob man die walzen ans DRA zum digitalisieren schicken sollte. sie waren weitgehend unbeschriftet.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f0/Euphonia.London.Journal.1870.png

fabers euphonia

in dem artikel der times wird konkurrenz genannt, allen voran ein “faber”. der war gar nicht leicht zu recherchieren, denn in den wikipedien fehlen artikel über ihn. es handelt sich um den in freiburg geborenen joseph faber, der am polytechnikum in wien mathematik studierte und 1840 die sprechmaschine → euphonia vorstellte. das heimorgelgroße gerät mit 16 tasten und blasebalg war ein flop. auch in den USA kam er damit nicht an. ein hinweis, dass die zeit noch nicht reif war. faber nahm sich 1850 das leben, nachdem er angeblich seine euphonia zerstört hatte.

in den wikipedia-artikel über den→ phonographen habe ich jetzt faber reingeschrieben. um einen eigenen artikel über ihn zu starten, brauche ich noch mehr biographische informationen und eine zweite quelle. [edit: die infos fand ich, zwar nicht reichlich, aber genügend. jetzt gibt es einen → artikel über faber in der wikipedia.]

die jahre zwischen 1877 und 1888 waren für edison und den rest der welt spannend, weil er zwei viel wesentlichere dinge erfand und gnadenlos vermarktete: die glühbirne und das elektrokraftwerk. er wusste, ohne elektrizität keine glühlampen, und weil er sich bis zuletzt seine karten nicht aus der hand nehmen ließ, baute er gleich beides. die tonreproduktion war nur ein netter zugewinn.

abriss neben | stadtarchivloch

gebäudeabriss im zentrum kölns. foto: ms/dpa

seit dem frühsommer wird am abriss des gebäudes links gearbeitet. im september fiel der größte teil der mitte (rot eingefärbt), seit heute geht es an den linken gebäudeteil. das gebäude grenzte wand an wand am 2009 wegen u-bahn-baupfusch eingestürzten historischen archiv der stadt köln. das archiv rutschte quasi von der rechten wand des blauen gebäudeteils nach unten.

rechts habe ich das so genannte “besichtigungsbauwerk” umgrenzt. es dient der beweisfindung für den einsturz, also dem erstellen diverser grundwassergutachten. es kostete den steuerzahler viele millionen und täglich mehr.

klimawandel ≠ klimawechsel

new york times vom 21. mai 1893

dieser artikel ist der erste in der new york times, der von climate change erzählt. ich musste einiges lesen, bis ich verstand, dass hier nicht der klimawandel, sondern die vielen unterschiedlichen klimazonen in dem damals noch nicht so bekannten australien gemeint waren. quasi ein bericht für touristen, die sich nicht wundern sollen, dass es in sydney so viel regnet, und etwas weiter südlich gar nicht mehr.

1932 ging die forschung auf wieder einen anderen klimawandel ein, nämlich den im tertiär-zeitalter vor 60 millionen jahren, als viele tierarten in andere zonen emigrierten. auch nicht der klimawandel, um den es heute geht.

anthropologischer klimawandel. NYT, 13.märz 1932

köln süd | 50 m hoch, rundum

rundum panorama köln südstadt

das panorama ist aus 50 metern höhe aufgenommen und hat einen kleinen näh-fehler (stitching problem), der aber nicht tragisch ist. wir sehen den dom, den deutschlandfunk, die severinsbrücke, die nord-südfahrt, die severinstraße, den waidmarkt. etwas näher das friedrich-wilhelm-gymnasium, das hotel mercure und die baustelle des eingestürzten stadtarchivs. diese baugrube wird in einem jahr völlig anders aussehen. let me keep you posted. ich rate zum betrachten auf vollbildmodus zu gehen.

unten dasselbe panorama, diesmal in der → little planet-projektion. weil ich immer wieder gefragt werde, warum man ein panorama nicht “ordentlich” auf papier bringen kann, erinnere ich an den weltatlas. der verzerrt so ungemein, eben weil es immer verzerrt, wenn man etwas dreidimensionales auf papier oder bildschirm bringt.

little planet version des obigen panoramas

andrew jackson gegen die | indianer

das ist der US-general andrew jackson, um 1814:

gen. andrew jackson, 1814

am 9. august 1814, also heute vor 203 jahren, beendete jackson den so genannten → creek-krieg. er beendete ihn hinterhältig. der krieg begann 1813 zwischen den “creek”-, besser → muscogee-indianern, die sich den weißen kolonialherren angepasst hatten (lower creeks), und den anderen, die das nicht taten (red sticks). der general nutzte den konflikt, der ihn gar nichts anging, um sich breit zu machen. als er mit seinen truppen ankam, standen die US-freundlichen muscogees aus dem süden alabamas natürlich auf seiner seite, und es war ein leichtes, die “primitiven” anderen im norden zu schlagen. anfang august war das erledigt – 3mal so viele tote indianer (1500) als weiße. statt sich aber bei den “angepassten” muscogees des südens zu bedanken, zitierte jackson die führer beider indianer-gruppen nach fort jackson im heutigen alabama und demütigte sie dazu, den friedensvertrag zu unterzeichnen. dem zu folge verloren sie alle, also auch die lower creek indians, ihre gebiete, und der weiße mann hatte sich bequem alabama geschnappt. die indianer wurden in reservate ins heutige florida vertrieben.

jackson und häuptling → roter adler. stich von john reuben chapin

andrew jackson führte wenig später auch erfolgreich → krieg gegen die briten in new orleans, aber das ist eine andere geschichte. genauso wie die, die jackson zum fünften US-präsidenten machte (1829 bis 1837).

hier ein tradionelles gewandt der muscogee indianer. hat ihnen nicht weiter geholfen, damals, vor 203 jahren.

 

frau brav am | herd

“Schuld an der Flucht so vieler Mädchen und jungen Frauen aus der Häuslichkeit trug auch die mit dem modernen Vergnügungsleben eingerissene Auffassung, das stille, selbstlose, sorgenvolle Walten der Mutter in Haushalt und Familie sei langweilig, entwürdigend und abstumpfend.” (Dr. Alfons Heilmann, Herausgeber des Deutschen Hauschatz, September 1934

deutscher hausschatz, 12/1933–34

fake news 1933 | hitler

während ich so die sitzungsprotokolle des deutschen reichstags um 1932 herum höre und lese, taucht zunehmend eine person in den reden auf, die gar nicht im reichstag sitzt, nämlich adolf hitler. hitler saß da vor allem deswegen nicht, weil er als österreicher gar nicht als abgeordneter nach berlin gewählt werden konnte. es passte ihm aber sicherlich auch in seine machtpläne, zu warten, bis sich die weimarer republik selbst an die wand fährt, und ließ so lange seine weggefährten frick und goebbels den reichstag mit ihren scharfmacherreden zu bestücken.

mit der 7. wahlperiode (januar 1933) kam er dann ganz legal an die macht. die NSDAP brauchte dazu nur einen kleinen koalitionspartner, nämlich die deutschnationalen. göring war schon im dezember mit ordentlicher mehrheit zum reichstagspräsidenten gewählt worden und präsentierte dem hohen haus nun nicht den österreicher hitler, sondern den reichskanzler hitler, und der kam nicht in zivil, sondern in seiner braunen uniform. es war der 23. märz 1933, und aus dieser sitzung kamen die nationalsozialisten, → mit aller macht der welt ausgestattet, heraus.

hier das sitzungsprotokoll, seite 25. der beginn von hitlers sanfter, aber bestimmter rede. er musste an dem tag noch diplomatisch auftreten, um die katze in den sack zu bekommen. weil die sozialdemokraten niemanden im parlament mehr hassten als die kommunisten, eckte hitler auch mehrheitlich nicht an, wenn er sich bereits im zweiten absatz die “marxisten” vornimmt. er wirft ihnen vor, fake news verbreitet zu haben, nämlich dass deutschland am 1. weltkrieg schuld gewesen wäre. er widerlegt diese behauptung mit den worten, sie sei “wissenschaftlich und sachlich falsch”.

 

endlich darf der österreicher im reichstag reden.

etwas später – da hat er das ermächtigungsgesetz schon in der tasche – tritt er nochmals ans rednerpult, um den SPD-abgeordneten und parteichef otto wels fertig zu machen. da wird die wortwahl schon deftiger:

„Deutschland soll frei werden, aber nicht durch Sie!“[8]

und joseph goebbels notierte tags darauf, als das gesetz in kraft trat, in seinem tagebuch:

„Man sah niemals, daß einer [Otto Wels] so zu Boden geworfen und erledigt wurde wie hier. Der Führer spricht ganz frei und ist groß in Form. Das Haus rauscht vor Beifall, Gelächter, Begeisterung und Applaus. Es wird ein Erfolg ohnegleichen.“

in den tagen danach war die ausländische presse mehr oder weniger sprachlos über diesen völlig legalen staatsstreich. einige medien zitierten wels, breitscheid und andere SPD- und KPD-abgeordnete, worauf die nazis im doppelstreich die ausländische presse als korrupt und die deutsche linke als verräter hinstellten.

der vergleich mit dem aktuellen interimspräsidenten der USA wäre aus der luft gegriffen und sowieso völlig daneben. aber seine kleingeistige strategie funktioniert genau so:

  • a) einfach was behaupten, mit der begründung, es stimme eben so,
  • b) alle, die es ablehnen, also lügner hinzustellen,
  • c) den medien, die ihn kritisieren, hetzjagd-instinkt anzuheften und
  • d) denen, die den bösen medien informationen in die hand spielen, den teufel an den hals zu wünschen.

reichstagssitzung 23.2. | 1932

kurt schumacher im reichstag 1932

dieser kurze ausschnitt aus schumachers rede vom 23. februar 1932 fand gegen ende eines turbulenten tags im berliner reichstag statt. die turbulenz kam durch eine rede des nationalsozialisten joseph goebbels zustande, der die SPD die partei der deserteure nannte. gemeint war die verweigerungshandlung der sozialdemokraten gegen kriegsende.

Wenn wir irgend etwas beim Nationalsozialismus anerkennen, dann ist es die Tatsache, daß ihm zum erstenmal in der deutschen Politik die restlose Mobilisierung der menschlichen Dummheit gelungen ist.

zwei sätze später nennt er übrigens drei NSDAP-mitglieder, die ihm unterstellt hätten, sich im 1. weltkrieg selbst verwundet zu haben, “untermenschen” – ein begriff, den die nazis später bekanntlich für alles nicht-“arische” verwendeten.

kommunikationsmuseum | depot

 

teil der depot-crew. foto: ms

die museumsstiftung post und telekommunikation ist ein juwel in der deutschen archivlandschaft. neben den damit verbundenen museen in berlin, frankfurt und nürnberg gibt es das so genannte “depot heusenstamm” südlich von offenbach. dort arbeiten zahlreiche fachleute (archivare, historiker, restauratoren etc.) und halten die archivalien in schuss, entwickeln konzepte für neue ausstellungen etc. im depot landen zahlreiche objekte von privatsammlern, aber auch die unterlagen der frühen deutschen postgeschichte sind da temperaturgerecht aufbewahrt. wenn es öffentliche führungen gibt, ziehen die größeren fahrzeuge die größte aufmerksamkeit auf sich. mich dagegen ziehen dinge an, die weit hinten versteckt sind, etwa das → hier gepostete journal der schweizer rundfunker von 1923.

oben abgebildet ist ein postbus typ LAO 328 (L wie Lastwagen, A wie Allrad und O wie Omnibus) von 1963, der vornehmlich in unzugänglichen voralpengegenden aktiv war. es gab ihn nur in vier exemplaren. das hier, mit synchrongetriebe und vierradantrieb, ist das einzig funktionsfähige. hier ein auszug aus dem datenblatt:

Der allradgetriebene Kraftpostbus war von 1963 bis 1973 bei der Deutschen Bundespost im Voralpenland im Einsatz. Dabei betrieb die Bundespost dort ab 1960 zusammen mit der Firma Komm Mit-Reisen A. Morent in Hindelang, Landkreis Sonthofen einen Gemeinschaftsverkehr, der alle Linien des Oberallgäus einschließlich Kempten, Kleinwalsertal sowie einige Linien ins Tannheimer Tal sowie einige Linien bis Hohenschwangau, Oberammergau und Lindau umfasste.

1973 veräußerte die Bundespost das Fahrzeug an Komm Mit-Reisen, die es bis 2003 weiterhin im Linienverkehr nutzten (zuletzt nur noch sporadisch bzw. in der Wintersaison zum Transport von Skifahrern).

Der Daimler-Benz LAO 328 verfügt über 29 Fahrgastplätze und zusätzlich 19 Stehplätze. Der Allradantrieb mit einem Hubraum von 5070 ccm leistet 81 kW / 110 PS und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 73 km/h.

die aufnahme oben, mit einem teil des heusenstammer depot-teams, ist mit einer drohne entstanden, die ich auf etwa 4 metern über und vor dem ensemble in der luft stehen ließ. die originalaufnahme ist raw und 4k, also von brachialer auflösung und kontrast.

ich war schon mehrfach in dem archiv, jetzt zur erforschung der frühen deutschen rundfunkgeschichte. bei einer meiner letzten besuche nahm ich, assistiert von der expertin lioba nägele, fotos wie diese auf:

 

sender = empfänger | frühe 1920er

radiobasteln für die schweiz

die frühen radiozeitschriften handelten noch nicht oder kaum von dem, was wir seit mitte der 1920er jahre unter radio verstehen. selbst beim start des rundfunks 1923 war mit radio noch häufig der eigene sender gemeint. die US-regierung unternahm ab 1922 vorstöße, die zahllosen einpersonen-sender zu sanktionieren, um dem kommerziellen rundfunk breitflächig auf dem engen frequenzband der mittelwelle platz zu machen. auch im deutschen reich und der schweiz schossen radiobastler ab ca. 1920 aus dem boden. nur so ist die große menge von funkzeitschriften zu verstehen, die gleichermaßen sender und empfänger des „drahtlosen rundfunks“ bediente.

die zeitschriften unterschieden sich in ihrer technischen tiefe. die meisten zeigten schaltkreise zum eigenbau von radioanlagen, einige beschäftigten sich mit rundfunkpolitik und rechtsfragen. blitzeinschläge in sende- und empfangsantennen waren ein großes thema. funkzeitschriften forderten ihre leser auf, von der auswirkung von gewittern zu berichten. streits mit vermietern endeten in gerichsverfahren, weil diese nach blitzeinschlägen im haus das antennenkabel kappten und dazu in die wohnung des mieters eindrangen. in leserbriefen waren tipps zu lesen, in welchem winkel man antennen zum wetter stellen sollte, um die empfangsqualität bei unwettern zu verbessern.

henrietta | leavitt

henrietta leavitt. foto: wiki commons

am 4. juli 1868, also vor 149 jahren, wurde → henrietta leavitt geboren, eine amerikanerin, die eigentlich musik machen wollte, aber wegen ihrer gehörerkrankung fast taub wurde. leavitt entdeckte 1912 eine beziehung zwischen licht und entfernung von himmelskörpern in entfernten galaxien. sie konnte aus dem pulsieren von so genannten cepheiden (im andromeda-nebel) bestimmen, wie weit diese sterne von der erde entfernt sind.

das funktioniert nur mit pulsierenden sternen, denn ein stern, der seine helligkeit nicht ändert, sendet licht einer bestimmten intensität zu uns, und wir sehen zwar, wieviel licht ankommt, ab er wenn sozusagen der scheinwerfer extrem hell ist, kann er auch sehr weit weg sein. mit der pulsfrequenz dagegen kann man die distanz berechnen.

die → perioden-leuchtkraft-beziehung war eine sensation, galt als durchbruch bei der bestimmung von weltall-dimensionen und ist heute ein kernelement der astromonie. übrigens eine ziemlich einfache, logarithmisch lineare beziehung zwischen schwingung und helligkeit. wobei mich immer wundert, dass das ausgerechnet linear mit einem zehnerlogarithmus funktioniert, nicht – mal einfach so dahergesagt – quadratisch mit elferlogarithmus?

vulkan, der ex- | planet

der hypothetische planet “vulcan”

um 1800 herum war das sonnensystem astronomisch ziemlich gut verstanden. mit den keplerschen gleichungen konnte man die planetenbahnen berechnen, und alles deckte sich weitgehend mit dem, was man beobachtete.

periheldrehung. grafik: → rainer zenz

ein planet allerdings, der merkur, machte probleme. er durchläuft eine so genannte periheldrehung (bild oben). und um diese absonderliche bahn zu berechnen, musste man eine hilfskonstruktion einführen, nämlich einen sehr sonnen-nahen planeten, den niemand beobachtet hat, und den der französische mathematiker → urbain le verrier “vulcan” nannte. le verrier guckte auch durch teleskope, vor allem aber rechnete er. er errechnete um 1840 übrigens einen weiteren planeten, der, wie sich herausstellte, tatsächlich existiert, nämlich den neptun.

Urbain le Verrier

dass man die bahn des merkur mathematisch beschreiben konnte, ohne den hilfsplaneten vulkan zu benötigen, ist albert einsteins allgemeiner relativitätstheorie zu verdanken. sie wischte quasi mit einer handbewegung den mythos des unsichtbaren vulkan vom tisch.

in der astronomie gilt vulcanus heute als → hypothetischer planet, weil man ihn benötigte, um eine hypothese zu stützen. in der geschichte der astronomie wimmelt es geradezu von solchen hilfs-himmelskörpern, einer ist die gegenerde, einer hypothese von 500 vor christus zufolge. die gegenerde folgt einem symmetriegedanken, sie ist quasi das spiegelbild unserer erde. wir sehen sie deswegen nicht, weil sie immer hinter der sonne steht.

von den hypothetischen planeten grenzen sich die fiktionalen planeten ab. oder besser gesagt: die science fiction autoren bedienen sich besonders gern bei den hypothetischen himmelskörpern und brauen daraus ihr eigenes süppchen. beim vulkan wären das zum beispiel die vulkanier (mr. spok & co. in star trek). die gegenerde spielt u. a. in john normans romanreihe → gor eine zentrale rolle.

sonnensystem gesamtplan 1846

achso, wie ich drauf kam: über die → digitalisierten karten der library of congress. um grafisch auf das thema “vulkan” zu fokussieren, habe ich aus dem großdruck ein detail herausgeschnitten und mit einer leichten vignette versehen, in die wiki commons hochgeladen und in den deutschen und englischen → wikipedia-artikel über vulkan eingebaut. damit haben diese artikel endlich ein bild.