paid | editing

die zeitungsartikel über die wikipedia vor 12 jahren bewunderten das gesamtkunstwerk, von dem niemand gedacht hätte, dass es sich so toll entwickelt. vor 6 jahren wimmelte es von kritik: artikel mit falschen infos, wenig (selbst)kontrolle, grabenkämpfe, zu wenig frauen als autorinnen.

heute berichten die feuilletons, auch wenn man das nicht über einen kamm scheren muss, mit tiefem respekt und teilweise sehr präzisen kritikpunkten. adrian lobe, freier journalist, etwa. die süddeutsche zeitung druckte einen langen artikel von ihm ab, der → “gekaufte wahrheiten” betitelt war. neben dem heute üblichen general-lob geht adrian lobe auf das problem des bezahlten schreibens in der wikipedia ein. das problem ist alt und wurde vor etwa 5 jahren so virulent, dass innerhalb der wikipedia arbeitsgruppen entstanden, die sich damit beschäftigten, ob man bezahltes schreiben zulassen oder autorInnen, die bezahlt schreiben, sperren sollte.

süddeutsche zeitung, heute

ergebnis der diskussionen war, dass weiterhin jeder, also auch leute, die dafür geld bekommen, schreiben kann und sollte, aber bitte mit transparenz. wer aus der presseabteilung von BASF kommt, sollte sich ein so genanntes verifiziertes konto zulegen, wo dann alle wissen, hier schreibt BASF selbst.

ich persönlich teile diese entscheidung schon allein deswegen, weil die presseperson von BASF näher am historischen archiv des konzerns dran ist und deswegen fakten liefern kann, die sonst keinem unter die finger kämen.

kollege adrian lobe kocht in seinem artikel einen alten fall auf, der sich um den ur-wikipedianer namens → atomiccocktail dreht. peter wuttke, wie er mit klarnamen heißt, lebt vom “coaching” von firmen; wenn er das gegen bezahlung in der wikipedia tut, geschieht das unter dem verifizierten account einfach machen Hamburg. dort findet sich als letzter edit der artikel über den selbstverständlich abscheulichen fernsehdauerwerbekanal QVC, wo wuttke neue zahlen einflocht und dabei transparent macht, dass er an diesem eintrag monitär beteiligt war:

bezahlte ergänzung eines wikipedia-artikels

wenn ein nicht bezahlter autor wie ich auf einen solchen artikel stößt, kann er alle änderungen rückgängig machen. was ich statt dessen tat, war, den anfang des artikels umzuschreiben und ihn weniger werblich erscheinen zu lassen. unter anderem entfernte ich aus dem ersten absatz die umsätze “nach angaben des konzerns” (also ohne neutrale quelle) und schrieb das wort dauerwerbesendung ohne journalistische inhalte rein. das wird QVC’s werbefirma, die peter wuttke bezahlt, nicht gefallen, aber peter wird ihnen schon im vorfeld gesagt haben, dass in der wikipedia nichts von bestand sein muss.

unbezahlte ent-werbung des ersten abschnitts

ein ganz normaler vorgang also, solange er so transparent gehalten ist, dass man per se genauer draufschaut. in vielen fällen aber kommen einem bearbeitungen vor allem bei firmen, jungen musikern etc. nur zufällig auf den bildschirm. wenn man den verdacht hat, dass dahinter jemand aus gezieltem eigeninteresse werbliches hineinschreibt, kann man das auf der seite für bezahltes schreiben eintragen. die seite versteht sich nicht als pranger, aber war ein ergebnis der diskussion vor ca. 5 jahren.

was mir an dem SZ-artikel heute gut gefiel, ist, dass er das thema wieder aufmacht. es ist eins der größeren probleme der wikipedia und wird manchmal in der gender- und verschwörungstheoriediskussion vergessen.

unterm strich, wenn ich das mal so derb sagen darf, finde ich bezahlte edits für solch elende betriebe (peter wuttke schreibt auch für nestlé, holidaycheck und lottoland) zum kotzen. dass peter seine seele verkauft, wäre mir egal, wenn er den verkauf nicht in der wikipedia veranstalten würde, sondern zum beispiel für plakatwerbung.