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ausgetrunken, leider…

beichtstuhl-affäre | 1872

wikipedia-arbeit ist für mich zu 99% angenehm. sonst würde ich nicht seit 12 jahren regelmäßig und ohne einen cent daran zu verdienen darin schreiben. der reine leser der wikipedia wird sich wundern, wie viel arbeit und zusammenarbeit hinter den meisten artikeln steckt. der leser wird sich aber umso mehr wundern, wenn er/sie erfährt, wie viel auseinandersetzung hinter manchen artikeln steckt. dieses beispiel soll genau dieses eine unappetitliche prozent meiner wikipedia-arbeit an einem aktuellen fall festhalten.

beichtstuhl-missbrauch, kladderadatsch januar 1872

am 24. februar 2019 stöberte ich im grandiosen online-zeitungsarchiv der österreichischen nationalbibliothek und stieß auf einen kirchenskandal, der sich „beichtstuhl-affaire“ nannte:

es gab dazu hunderte von artikeln in vielen zeitungen, von augsburg über wien, berlin bis prag. ein pater war offensichtlich bei mehreren beichten einer „gut gebauten“ 24jährigen frau verbal und einmal auch handgreiflich sexuell zudringlich geworden, worauf die frau durchdrehte, ihren glauben verlor und ins linzer irrenhaus kam. ihre mutter wandte sich an die lokalpresse, die linzer tages-post, die den fall publizierte.

ein halbes jahr später kam es zu einem strafprozess, mit zwei besonderheiten:

  • es klagte nicht das missbrauchsopfer gegen den täter, sondern es klagte der täter gegen die zeitung.
  • und: es war einer der ersten größeren fälle, wo der staat in kirchliche belange eingriff.

1. ein harmloser artikel zu einem brisanten thema

der wikipedia-artikel, den ich in der nacht des 24. februar dazu schrieb, begann so:

start des wikipedia-artikels

2. qualitativ mangelhaft

der text entwickelte sich mithilfe anderer wikipedia-autorInnen, wie das ganz üblich ist, weiter, bis dann zwei tage später ein mir unbekannter kollege, den ich hier mal 88 nenne, einen so genannten qualitäts-sicherungs-baustein über den artikel setzte. (ich kommentiere hier nicht, dass es freundlichere wege gibt, einen neuen artikel qualitativ weiterzubringen.) die qualitätssicherung (QS) bedeutet administrativen aufwand. moniert hatte der kollege 88, dass dem artikel die sekundärliteratur fehlt.

3. muss man löschen!

als ich den artikel etwas weiter mit quellen (darunter einer etwas wackeligen sekundärliteratur) angefüttert hatte, nahm ich den QS-baustein wieder heraus, worauf er umgehend von 88 wieder eingesetzt wurde. kurz darauf, am 28. februar, schien ihn der artikel so zu wurmen, dass er einen so genannten löschantrag stellte:

ein löschantrag (LA) ist bei einem so solide recherchierten quellenreichen vorgang von 1871/72 höchst ungewöhnlich. vor allem aber ist er, weil es um das hoch brisante thema des missbrauchs in der kirche geht, delikat. ich war für paar tage in stockholm und las die löschdiskussion nur kurz an, ohne mich selbst daran zu beteiligen. ein anonymer autor schrieb darin:

Der Löschantragsteller ist als evangelischer Pfarrer natürlich parteiisch zugunsten der Kirche.

keine ahnung, ob das stimmt. die löschdiskussion zur beichtstuhl-affäre wuchs nach einigen tagen auf sechs eng bedruckte A4-seiten an. hier die verkleinerte version:

löschdiskussion (verkleinert)

was hinter diesen ungewöhnlich aggressiven verhalten steckte, weiß ich nicht. vordergründig ging es dem antragsteller 88 um die besagte fehlende sekundärliteratur. als die ein mitdiskutant dann freundlicherweise lieferte, zog 88 den sowieso mehrheitlich gescheiterten löschantrag mit großer wohltätigkeitsgeste zurück, nicht ohne seinen gegnern in dieser langen diskussion vorzuwerfen, dass sie nicht die „auf einem Silbertablett“ gelieferte literatur innerhalb von eineinhalb tagen gelesen und in den artikel eingebaut hatten:

Es ist leider bezeichnend, dass kein einziger von denen, die hier gegen den LA sülzen, auch nur den kleinsten Finger gekrümmt hat

(für die, die es nicht wissen: es gibt keinerlei pflichten bei dieser wohltätigkeitarbeit. niemand hat einem andern zu sagen, wann er was zu tun hat.)

wer nicht verlieren kann, muss nachtreten.

4. wer hier was ändert, ist vandale

jeder wikipedia-artikel hat eine so genannte diskussionsseite, die die allgemeinheit nicht liest, wo sich aber am thema interessierte austauschen können. für diese oft assoziativ geführte diskussion gibt es keine strengen regeln.

ein anonymer user setzte in die diskussionsseite zum artikel über die beichtstuhl-affäre den link zu einer ARTE-dokumentation über den missbrauch von frauen in der kirche. kaum zu glauben, aber unser QS- und LA-steller 88 löschte diesen querverweis zu ARTE, weil er angeblich nichts zum thema beitragen würde. ich merkte, dass hier noch viel dynamit im spiel ist und nahm mir die freiheit, diesen ARTE-kommentar wieder einzusetzen, worauf der streitbare kollege zu einem neuen register griff, nämlich zu einer „vandalismusmeldung“ gegen mich.

wir schüttelten bei köttbullar und session IPA in stockholm die köpfe und fragten uns, ob das nun das ende der eskalation war? schwedische wikipedianer fragten, ob diese bissigkeit in der deutschen wikipedia üblich sei? ich konnte nur gerüchtehalber sagen: angeblich bei politischen und kirchlichen themen schon. sonst eher seltenst.

mir war es wichtig, den ARTE-beitrag zu verteidigen und begründete nun auf der diskussionsseite länger, dass hier ganz offensichtlich parallelen zur beichtstuhl-affäre zu erkennen seien. das reichte 88 nicht nur nicht, es missfiel ihm.

5. … und bleibt vandale

dass dieser längere eintrag von mir nun auch vom kollegen 88 entfernt werden sollte, hätte ich nicht gedacht. er griff zu einer weiteren → vandalismusmeldung gegen mich. diese wurde, soweit ich weiß, abgelehnt. jetzt sind zwei wochen vergangen, die wellen haben sich geglättet.

weil ich das für außenstehende notiere: es ist ein ungewöhnlich aggressiver fall, also alles andere als üblich. häufig entstehen zwiste unter autorInnen, weil sie sich gegenseitig anmachen. das war hier nicht der fall, weil ich mich praktisch nicht einmischte, aber den artikel, den ich begonnen hatte, schützte. jetzt steht er im wesentlichen so da, wie am anfang, und so wird er wahrscheinlich sehr lange oder gar für immer bleiben.

achso, schlechte verlierer zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie sich selbst hochhalten. kollege 88 schrieb woanders später:

Ich darf übrigens feststellen, dass der Artikel durch mein Engagement […] erheblich an Qualität gewonnen hat.