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Die Rundfunkzeitschrift "hör mit mir" 1936
Zeitschrift hör mit mir, 1936

Die "hör mit mir" war eine Zeitschrift des Bochumer Schacht-Verlags mit dem aktuellen Rundfunkprogramm.Als Hauptschriftleiter zeichnet Dr. Wolfgang Schilling. Die "Deutsche Funkzeitschrift für 10 Pf." erschien wöchentlich und umfasst mit dieser Ausgabe erstmals 40 Seiten (zuvor 16 Seiten).

Heft 8 des 7. Jahrgangs deckt die Rundfunkwoche vom 23. bis 29. Februar 1936 ab. Die ersten drei Doppelseiten sind reich an Bildern. Die erste zeigt den Karneval am Rhein ("Der Reichssender Köln überträgt..."), die zweite die Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen ("Der Führer als lebhaft interessierter Zuschauer...") sowie das Thema des "deutschen Ostens" (dazu der Hinweis auf einen "Funkbericht" über die Stadt Landsberg/Warthe), die dritte Doppelseite behandelt mit zahlreichen Fotos Frauen- und Familienthemen (Obertitel: "Frau und Rundfunk", Untertitel: "Unfälle im Haushalt"). Danach folgen vier redaktionelle Seiten, die sich mit Rundfunkthemen beschäftigen und einen Einblick in das Denken der Zeit und die Technik bieten. Die Nationalsozialisten waren im Februar 1936 genau drei Jahre an der Macht.

Zeitschrift hör mit mir, 1936

Bild oben: Die Frauenseite. Angeblich passieren die häufigsten Haushaltsunfälle durch Verbrennen und Schneiden.

Der Aufmacher des redaktionellen Teils ist eine Kurzgeschichte von Robert Walter in der Rubrik "Funk, Volk und Heimat". Walter wird als "niederdeutscher Schriftsteller, den viele aus seinen nicht seltenen Rundfunksendungen kennen" eingeführt und scheint die Vorgabe nationalsozialistischer Korrektheit zu erfüllen: "Wir bringen auf dieser Seite nach Möglichkeit Beiträge solcher Autoren, die selbst gerade im Rundfunk zu Worte kommen oder durch Herkunft und Schaffen mit der deutschen Heimaterde besonders verbunden sind." Zeitschrift hör mit mir, 1936

Die Zahl der Rundfunkteilnehmer stieg damals, ca. 10 Jahre nach Einführung des Rundfunks, kräftig - von 7.192.952 Teilnehmern am 1.1.1936 auf 7.413.490 einen Monat später. Damit kam auf etwa jeden neunten Reichsbürger ein Radioempfänger (Grundlage: Volkszählung 1939). Nach dieser statistischen Meldung folgt eine juristische: Es gab einen Rechtstreit zwischen den Schallplattenherstellern und den Rundfunksendern, der am 10.2.1936 zugunsten des Rundfunks vom Kammergericht Berlin entschieden wurde:

"Danach ist der Rundfunk berechtigt, Musikschallplatten ohne Zustimmung der Schallplattenhersteller zu senden. Soweit es sich um die Kosten des Rechtsstreits handelt, hat sich das Kammergericht auf einen für den Rundfunk günstigeren Standpunkt als das Landgericht [Berlin] gestellt. Es hat entschieden, daß die Schallplattenhersteller 19/20 und der Rundfunk 1/20 der Kosten zu tragen haben."

Von einem Entgelt der Rundfunkanstalten an die Musikindustrie, wie es heute über die eigens dafür eingerichtete GEMA üblich ist, ist nicht die Rede.

Zeitschrift hör mit mir, 1936

Zeitschrift hör mit mir, 1936

Bild oben: Seite 5 behandelt das Thema "Grenzwacht im Osten". Hier wird auf Landsbergs Stärke als "größte Jutespinnerei Deutschlands, für deren Export-Reichweite diese Ballen für New Orleans zeugen" Wert gelegt.

Es gibt auch Sendungskritik zu lesen, die durchweg positiv ist, wie die eines Hörspiels "Bauer und Bergmann" von Leonhard Hora aus der Reihe "Deutsches Volk auf deutscher Erde".

Im eigentlichen Programmteil ab Seite 12 wird täglich eine "Kleine Empfehlung für heute" ausgesprochen, etwa am 27. Februar, 19.30 Uhr, Deutschland-Sender 191 kHz, eine Sendung des Zeitfunks: "Bei den Aufklärungsfliegern".

  Zeitschrift hör mit mir, 1936

Seite 10 beschäftigt sich mit den Radiotipps der Woche. Insbesondere legt die Redaktion den Lesern ein antisemitisches Hörspiel ans Herz:

"Der Aufbau des Dritten Reiches setzt die Reinhaltung der Rasse und eine gesunde, kraftvolle Jugend voraus. In den Dienst der für unser Volk so wichtigen Schaffung dieser durch gesetzliche Maßnahmen geschützten Voraussetzungen stellt sich auch ein Hörspiel von Konrad Dürre 'Der Erbstrom', das am Mittwoch, 26. Februar, 20.15 Uhr, vom Breslauer Sender in der 'Stunde der jungen Nation' aufgeführt wird."

Oben sehen Sie ein Foto des Autors in derselben Zeitschrift. Das Hörspiel selbst befindet sich nicht im Bestand des Deutschen Rundfunkarchivs DRA. Möglicher Weise wurde es live im Sender Breslau aufgeführt und nicht auf Schallplatte gepresst. Dürre war in der Deutschen Welle GmbH, einem Vorläufer des Deutschland-Senders, bereits während der Weimarer Republik mit seinen "rassehygienischen" Beiträgen aktiv; 1930 lief da sein entsprechend gefärbtes "Deutsches Weihnachtsspiel"; auch seine zahlreichen Märcheninszenierungen für den Hörfunk und Schallplatten enthielten diese Tendenzen. Dürres "Erbstrom" war schon vor der Rundfunkausstrahlung ein sehr erfolgreiches Theaterstück, das allein in Thüringen 1934 bereits von 116.000 Menschen, vermutlich auch vielen Schulklassen, gesehen wurde.

Zeitschrift hör mit mir, 1936

Unter der Überschrift "Ein Rundfunk-Großsender für Schweden" ist von einer 100kW-Anlage in der Nähe von Malmö die Rede. Schweden wird als hervorragend vernetzt dargestellt:

"neben seinen Rundfunksender ist in Schweden ein vorzüglich ausgebautes Drahtfunknetz vorhanden. Die Auswahl der Darbietungen bei einem Drahtfunknetz ist zwar beschränkt, doch bietet diese Art der Übertragung den Rundfunkhörern manche Vorteile. Zum Empfang genügen kleine Röhrenempfänger. Schwunderscheinungen treten nicht auf, und atmosphärische Störungen, die mit zunehmenden Breitengraden erheblich wachsen, mach sich kaum bemerkbar."

Der Artikel schließt mit dem Blick auf Sofia, die Hauptstadt Bulgariens, wo bis Ende des Jahres ein zweiter "Großsender" mit 100kW entstehen soll.

Zeitschrift hör mit mir, 1936

Die Affinität zwischen Musik und Hörfunk in Köln ist u.a. durch Komponisten Strawinski, Hindemith und Stockhausen bekannt, aber auch durch WDR-Sendereihen über "Akustische Kunst". Die Grundlagen für die Kooperation wurde offenbar 1936 gelegt, denn die Zeitschrift "hör mit mir" schreibt:

"Rundfunk-Tonkunst als Lehrfach. Eine Anregung des Reichssenders Köln. Der Reichssender Köln und die Staatliche Hochschule für Musik in Köln haben sich zu einer arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, die den Studierenden der Hochschule und Gasthörern die Möglichkeit geben soll, die Musikarbeit des Rundfunks kennenzulernen. Der Rundfunk, der heute nicht nur der größte Auftraggeber auf musikalischem Gebiet ist, sondern auch besondere Anforderungen an den Musiker stellt, der bei ihm als Ausübender mitwirkt, oder dem er Hörspiel-Kompositionen und ähnliche Arbeiten in Auftrag gibt, fördert durch diesen Schritt in erfreulicher Weise die Entwicklung der deutschen Musikkultur.

Die neue Arbeitsgemeinschaft wird am Sonntag, dem 1. März, mit einer Feier eröffnet, die um 11 Uhr im großen Saal des Kölner Funkhauses stattfindet, bei der der Intendant des Reichssenders Köln, Dr. Glasmeier, und der Direktor der Staatlichen Hochschule für Musik, Professor Dr. Hasse, sprechen werden. Die Feier wird von musikalischen Darbietungen des Hochschulorchesters und des Streichquartetts des Reichssenders Köln umrahmt.

In der gleichen Woche beginnt der erste Vier-Wochen-Kurs, der die Grundlagen der musikalischen Programmgestaltung im Rundfunk, sowie des Singens und Spielens vor dem Mikrophon behandelt. Im Sommersemster soll die Arbeit mit einem größeren Stundenplan fortgesetzt werden."

Unten: Karl Hasse, Direktor der Musikhochschule Köln.

Zeitschrift hör mit mir, 1936
  Zeitschrift hör mit mir, 1936

Der Deutschland-Sender ist einer von 11 im eigentlichen Programmteil genannten Sendern. Zu seinen regelmäßigen Rubriken gehören um 7.00 Uhr die "Nachrichten des drahtlosen Dienstes", 9.40 die "Kleine Turnstunde für die Hausfrau" und 12.55 das "Zeitzeichen der deutschen Seewarte".

Der Reichssender Frankfurt sendete am Sonntag, den 23. Februar, um 8.00 Uhr Wasserstandsmeldungen, um 9.00 Uhr eine Evangelische Morgenfeier, um 9.45 Uhr "Bekenntnisse zur Zeit: Das heilige Reich. Von Dr. Alfons Degener", gefolgt um 10.00 Uhr mit einer Übernahme vom Reichssender Stuttgart: "SA-Feierstunde. Des Toten Gesicht tragen heut' 100.000 Mann. Eine Feierstunde der SA-Gruppe Südwest zum Todestag Horst Wessels. Es spricht SA-Gruppenführer Ludin". Horst Wessel hatte die Nationalhymne der NSDAP getextet. Hanns Ludin wurde 1947 als Kriegsverbrecher hingerichtet.

Seite 11 druckt eine Kurzmeldung über einen technischen Test: Die Sender Berlin, Breslau und Königsberg schalten sich auf gleicher Frequenz ("Gleichwelle") zusammen. Sie nutzen damit die Mittelwellenfrequenz 841 kHz des Reichssenders Berlin.

"In der Woche vom 2. bis 7. März fallen also die Wellen von Breslau, 950 kHz/316 m, und von Heilsberg, 1013 kHz/291 m, für den Empfang vollkommen aus"

Der harmlos wirkende Testversuch, um die "Verbesserungsmöglichkeiten der deutschen Rundfunkversorgung zu erkunden" war Teil des Plans von Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels, den Rundfunk über das gesamte Reichsgebiet bei Bedarf gleichzuschalten. Technisch und formal war dies 1939 mit Errichtung des Großdeutschen Rundfunks erreicht.

Zeitschrift hör mit mir, 1936
Die Rundfunkzeitschrift "hör mit mir" 1939

Ich besitze noch ein Fragment der oben beschriebenen Zeitschrift drei Jahre später, als inn dem Jahr, als Hitler mit dem Überfall auf Polen den zweiten Weltkrieg begann. Die "hör mit mir" umfasst hier das Radioprogramm ab dem 29. Januar 1939.

Das Rundfunkangebot ist deutlich dichter besetzt, mit weniger Sendepausen und mehr nationalsozialistische Sendungen. Im redaktionellen Teil findet sich ein doppelseitiger Artikel über "Saure Wochen, frohe Feste - Ein Besuch in den Lagern des weiblichen Arbeitsdienstes, Bezirk Rheinland". Siehe Abbildung unten.

 
Zeitschrift hör mit mir, 1939

 

In den Programmteil von Samstag, den 4. Februar 1939, hat der Verlag die NSDAP-Werbung eingestreut: "Die größte Demonstration Großdeutschlands für den Sozialismus der Tat ist das Winterhilfwerk." Siehe Abbildung unten.

 
Zeitschrift hör mit mir, 1939

 

Unter der Rubrik "Für die Sendepause" finden sich Rätsel. Die dabei verwendeten Zitate bedienen fast ausschließlich nationalsozialistisches Gedankengut. Siehe Abbildung unten.

 
Zeitschrift hör mit mir, 1939

 

In dem Programmheft befindet sich eine Werbebeilage für das Waschmittel Persil. Im Deckblatt zieht ein Mann sein weißes Hemd aus (oder an?); das Hemd erscheint doppelt, einmal weiß, einmal grau. Dazu der Claim: "Er trägt einen Schleier über dem Hemd". Das Blatt wirbt für die Entkalkungseigenschaft des Waschmittels. Die Wäsche "ist deshalb porös und saugt Flüssigkeiten (wie Körpergeruch) schnell in sich auf". Siehe Abbildung unten.

 
Zeitschrift hör mit mir, 1939

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